Größte Reform des Bilanzrechts seit 20 Jahren

BilMoG - der aktuelle Stand

21.07.2009
Die Finanzkrise hat ihre Spuren im endgültigen Gesetz hinterlassen, sagt SH+C.

Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde nun, nach zweijähriger Beratung, die größte Reform des Bilanzrechts seit mehr als 20 Jahren umgesetzt. Im Verlauf der Beratungen hat die große Reform des Bilanzrechts einige Änderungen durchlebt. Vor allem die aktuelle Finanzkrise hat im nunmehr endgültigen Gesetz ihre Spuren hinterlassen. Von einigen Reformvorhaben ist deshalb nicht mehr viel übrig geblieben. Trotzdem handelt es sich um die größte Reform des deutschen Bilanzrechts seit mehr als 20 Jahren.

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) war mit zwei Zielen angegangen worden: Durch die Reduzierung von Bilanzierungs- und Offenlegungspflichten sollten vor allem kleine Unternehmen entlastet werden. Andererseits sollten auch die Bilanzierungsvorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) entrümpelt und an internationale Rechnungslegungsstandards angeglichen werden, sodass die Bilanzen nach HGB aussagekräftiger werden.

Die Experten der Steuerkanzlei SH + C zählen die wichtigsten Änderungen durch das BilMoG auf:

Größenklassen:

Die Schwellenwerte für Bilanzsumme und Jahresumsatz werden um rund 20 Prozent angehoben. Dies betrifft die Größenklassen, die darüber entscheiden, welche Informationspflichten ein Unternehmen erfüllen muss. Eine Kapitalgesellschaft gilt in Zukunft bis zu einer Bilanzsumme von 4,84 Millionen Euro und einem Jahresumsatz von 9,68 Millionen Euro als kleine Kapitalgesellschaft mit den damit verbundenen Erleichterungen.

Buchführungspflicht:

Einzelkaufleute, die 500.000 Euro Umsatz und 50.000 Euro Gewinn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten, werden von der Verpflichtung zur Buchführung und Bilanzierung befreit und können die Einnahmen-Überschuss-Rechnung künftig auch für das Handelsrecht verwenden. Damit erfolgt eine Angleichung an die steuerliche Buchführungspflichtgrenze. Wichtig für Existenzgründer: Für sie gilt die Erleichterung bereits, wenn die Grenzen am ersten Abschlussstichtag nach der Gründung nicht überschritten werden.

Umgekehrte Maßgeblichkeit:

Der Grundsatz, dass steuerliche Wahlrechte auch in der Handelsbilanz entsprechend ausgeübt werden - die sogenannte umgekehrte Maßgeblichkeit -, wird nun aufgegeben mit der Folge, dass der handelsrechtliche Abschluss an Informationskraft gewinnt. Soweit für die Steuerbilanz also andere, steuerlich zulässige Wertansätze gewählt werden, können diese nun nicht mehr in die Handelsbilanz übernommen werden. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bleibt jedoch bestehen.

Immaterielle Vermögensgegenstände:

Für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens besteht künftig ein Aktivierungswahlrecht in der HGB-Bilanz. So kann etwa ein Unternehmen, das Software entwickelt, die Kosten für die Entwicklung der Software als Herstellungskosten innerhalb der selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ausweisen und muss diese nicht, wie bisher, aufwandswirksam erfassen. Trotzdem bleiben die Aufwendungen steuerlich nach wie vor abzugsfähig. Aktivierungsfähig sind jedoch nur Entwicklungskosten, keine Forschungskosten, und dies auch nur für solche Vermögensgegenstände, deren Entwicklungsbeginn in einem Geschäftsjahr liegt, das nach dem 31. Dezember 2009 beginnt. Hinzu kommt: Selbst geschaffene Marken, Kundenlisten, Verlagsrechte und ähnliche Rechte sind von der Aktivierung ausgeschlossen, weil sie zum selbst geschaffenen Geschäfts- und Firmenwert zählen.

Zurechnung:

Ein Vermögensgegenstand ist in der Bilanz des Eigentümers auszuweisen, es sei denn, er ist einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen. In diesem Fall muss der wirtschaftliche Eigentümer den Vermögensgegenstand ausweisen. Der doppelte Ausweis sowohl beim rechtlichen als auch beim wirtschaftlichen Eigentümer ist ausgeschlossen.

Geschäfts- und Firmenwerte:

Das Aktivierungswahlrecht für einen Geschäfts- oder Firmenwert entfällt. Er ist zukünftig zwingend als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand zu aktivieren.

Aufwandsrückstellungen:

Nicht mehr zeitgemäße Bilanzierungsmöglichkeiten, werden aufgehoben. Dies gilt beispielsweise für die auch steuerlich nicht anerkannte Möglichkeit, Rückstellungen für unterlassenen Instandsetzungsaufwand zu bilden.

Bewertung von Finanzinstrumenten:

Finanzinstrumente, die zu Handelszwecken erworben sind, sollten ursprünglich bei allen Unternehmen zum Bilanzstichtag mit dem Zeitwert bewertet werden. Als Folge der Finanzkrise wurde diese Vorschrift aber für die Allgemeinheit wieder gestrichen und auf Kreditinstitute beschränkt.

Rückstellungsbewertung:

Rückstellungen von Unternehmen für künftige Verpflichtungen werden realistischer bewertet. Bei der Bewertung der Rückstellungen sollen deshalb künftige Entwicklungen (Lohn-, Preis- und Personalentwicklungen) berücksichtigt werden. Zudem sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr künftig abzuzinsen. Pensionsrückstellungen und vergleichbar langfristige Verpflichtungen dürfen aus Vereinfachungsgründen mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren abgezinst werden. Die steuerliche Bewertung bleibt unverändert: Während im Handelsrecht der Erfüllungsbetrag zählt, sind für die Steuerbilanz die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend.

Latente Steuern:

Auf Druck des Bundesrats ist die generelle Bilanzierungspflicht für latente Steuern, die sich aus einem unterschiedlichen Bewertungsansatz und dem daraus folgenden Betriebsergebnis in Handels- und Steuerbilanz ergeben, wieder gestrichen worden. Für aktive latente Steuern bleibt es bei einem Aktivierungswahlrecht. Passive latente Steuern unterliegen jedoch einer Passivierungspflicht. Von dieser Änderung sind allerdings nur größere Kapitalgesellschaften betroffen, kleine Kapitalgesellschaften sind von der Verpflichtung zur Steuerabgrenzung befreit.

Fremdwährungsgeschäfte:

Bisher machte das Bilanzrecht keine Vorgaben zur Währungsumrechnung. Die gewählte Methode musste lediglich im Anhang erläutert werden. Jetzt gilt der Devisenkassamittelkurs als verbindliche Grundlage für die Umrechnung von Fremdwährungsgeschäften.

Stetigkeitsgrundsatz:

Mit der Reform wird der Stetigkeitsgrundsatz strenger gefasst. Dass bei einem Bewertungswahlrecht dieselben Bewertungsansätze auch in folgenden Abschlüssen gewählt werden, wurde bisher nicht zwingend verlangt. Zukünftig kann eine Bewertungsmethode für den neuen Abschluss nur noch in begründeten Ausnahmefällen geändert werden. Ergänzt wird diese Bewertungsstetigkeit um eine Ansatzstetigkeit: Auch die gewählten Ansatzmethoden sind, von begründeten Ausnahmefällen abgesehen, beizubehalten. Das betrifft beispielsweise die Entscheidung zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände.

Herstellungskosten:

Bei der Ermittlung der Herstellungskosten selbst erstellter Vermögensgegenstände sind künftig zwingend auch die angemessenen Teile der Gemeinkosten (Material, Fertigung, Wertverzehr des Anlagevermögens etc.) mit einzubeziehen. Damit kommt es zu einer Angleichung zwischen Handels- und Steuerrecht.

Bewertungseinheiten:

Es wird erstmals eine gesetzliche Grundlage geschaffen für die Bildung von Bewertungseinheiten, in denen die Risiken eines Grundgeschäfts durch ein Sicherungsgeschäft mit gegenläufiger Wertentwicklung kompensiert werden.

Bewertungswahlrechte:

Im Interesse einer besseren Aussagekraft des HGB-Abschlusses und Vergleichbarkeit zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften wurden einige Bewertungswahlrechte gestrichen. Das betrifft beispielsweise Abschreibungen nach vernünftigem kaufmännischem Ermessen und außerplanmäßige Abschreibungen bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Außerdem wird das Wertaufholungswahlrecht durch ein rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot ersetzt, von dem lediglich ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert ausgenommen ist.

Gliederungsschemata:

Bedingt durch die vielen Änderungen wird auch das Bilanzgliederungsschema um einige Punkte ergänzt (selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände, latente Steuern). Im Gliederungsschema der Gewinn-und-Verlust-Rechnung erfolgt nur eine redaktionelle Anpassung.

Konzernabschluss:

Eine ganze Reihe weiterer Änderungen betrifft den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht, viele davon sind jedoch nur für größere Gesellschaften relevant. In jedem Fall müssen Unternehmen künftig schon dann in den Konzernabschluss einbezogen werden, wenn das Mutterunternehmen auf sie einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

Anhang und Lagebericht:

Die Erläuterungspflichten im Anhang und im Lagebericht werden durch das BilMoG erheblich erweitert, wobei kleine und teilweise auch mittelgroße Kapitalgesellschaften von einer ganzen Reihe dieser Pflichten befreit sind.

Die Änderungen des BilMoG treten in zwei Phasen in Kraft:

Während die Bilanzierungserleichterungen (Buchführungspflichtgrenze und Anhebung der Schwellenwerte für die Größenklassen) bereits rückwirkend für alle nach dem 31. Dezember 2007 beginnenden Geschäftsjahre gelten, sollen die übrigen Änderungen erst für Geschäftsjahre Anwendung finden, die nach dem 31. Dezember 2009 beginnen. Ein Unternehmen kann sich auch entscheiden, diese Änderungen bereits für Geschäftsjahre nach dem 31. Dezember 2008 anzuwenden, allerdings nur insgesamt. Außerdem muss diese Entscheidung im Anhang vermerkt sein. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

SH+C Wagner Bumes Winkler GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, Regensburg, Tel.: 0941 58613-0, E-Mail: mwinkler@shc.de, Internet: www.shc.de