KI im Kundenservice

Bot oder Mensch - Was der Kunde wissen sollte

13.12.2019 von Björn Bauer
Immer mehr Unternehmen nutzen Chatbots und Künstliche Intelligenz (KI), um automatisiert mit ihren Kunden zu kommunizieren. Doch die Akzeptanz auf Kundenseite steht auf einem anderen Blatt Papier. Wie können Unternehmen also offen mit der Technik umgehen?

Aus wirtschaftlicher Sicht ist es vollkommen nachvollziehbar und auch sinnvoll, dass Unternehmen auf die automatisierten Helferlein in ihrer Kundenkommunikation, allem voran dem Kundenservice, setzen. Egal, wie hoch das Kundenaufkommen ist oder wann Anfragen eintrudeln, ein Chatbot ist unendlich skalierbar und kann zu jeder Tages- und Nachtzeit den Kunden Antworten liefern. Trotzdem: Ein Chatbot ist nun mal kein Mensch. Dank Natural Language Processing (NLP) und anderer KI ist das für den Kunden allerdings immer schwerer zu unterscheiden. Spreche ich nun mit einem realen Kundenservice-Agenten oder doch mit einer Maschine?

Mensch oder Roboter? Können wir das noch unterscheiden und vor allem: Wollen wir das wissen? Aber selbstverständlich!
Foto: Tavarius - shutterstock.com

Wir erinnern uns an die Demonstration des Google Assistant auf der vorletzten I/O Conference in Mountain View, Kalifornien. Völlig selbstständig vereinbarte der digitale Sprachassistent einen Friseurtermin am Telefon. Dabei benutzte er eine derart natürliche Sprache, dass die Person am anderen Ende der Leitung nicht merken konnte, mit wem sie es wirklich zu tun hat.

Natürlich ist dieses Szenario erstmal Zukunftsmusik. Dennoch arbeiten tausende Entwickler ständig an der Verbesserung der Algorithmen und die Bots sind immer stärker in der Lage, Alltagssprache und Gefühle zu simulieren sowie Kontext zu verstehen. Dadurch ergibt sich für Unternehmen eine nie dagewesene, aber grundlegende Frage: Müssen meine Kunden wissen, dass sie mit einem Bot sprechen oder steht die reine Lösung ihrer Probleme, egal aus welcher Quelle, im Vordergrund?

Kunden fordern Transparenz von Unternehmen

Zunächst eine Information: Rein rechtlich sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, ihre Kunden über die Nutzung von Chatbots zu informieren. Nicht zuletzt durch die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) müssen sie allerdings kommunizieren, welche Daten sie auf ihrer Website erheben und das Einverständnis der Nutzer einholen.

Doch die Debatte geht weit über die faktische, gesetzliche Ebene hinaus und wird fast schon philosophisch: Wenn ein Computer menschenähnlich wirkt, meine Probleme genauso gut oder schlecht lösen kann und mit mir redet, ist es dann noch wichtig zu wissen, dass es ein Computer ist? Oder ist es nicht vollkommen egal? Es gibt inzwischen, wie immer, schon zahlreiche und leicht voneinander abweichende Umfragen zu dem Thema. Eines scheint aber festzustehen: Viele Kunden finden Chatbots gut, wenn sie ihnen helfen können, aber etwas suspekt ist ihnen das Ganze schon. Unternehmen müssen also eine Entscheidung treffen, ob sie sich zukünftig über die Nutzung ihrer Technik ausschweigen wollen oder ganz offen damit umgehen.

Ich empfehle letzteres. Wir befinden uns in einer Umbruchphase der Beziehung zwischen Mensch und Technik. Die KI wird Vieles verändern und beeinflussen, was wir heute kennen. Umso wichtiger ist es, den Menschen als empathisches, soziales und individuelles Wesen zu respektieren und ihn von ein paar Zeilen Code abzuheben. Abgesehen davon fordern die Kunden auch eine immer stärkere Transparenz von Unternehmen. Woher kommen die Rohstoffe in Produkten? Ist die Lieferkette nachhaltig? Wie sind die Arbeitsbedingungen? Wer solche Fragen stellt, will sicher auch wissen, mit wem aus dem Unternehmen er gerade spricht - und wenn es eben eine Maschine ist. Unternehmen sollten diesen Wunsch daher antizipieren und die Transparenz als Service an den Kunden von sich aus liefern. So stärken sie das Vertrauen und sorgen für einen offenen Austausch und ein loyaleres Klientel.

Chatbots charmant vermenschlichen

Eine Möglichkeit ist es natürlich, die Chatbots irgendwo im Kleingedruckten der Nutzungsbedingungen auf der Website zu erwähnen. Aber seien wir mal ehrlich: Kaum jemand liest sich diese Textungeheuer wirklich durch. Diese Methode würde eine Transparenz zwar faktisch gewährleisten, aber doch eher verschleiern.

Es gibt bessere und auch charmantere Varianten. Wenn das Chat-Fenster aufpoppt, könnte der Bot sich gleich als solcher zu erkennen geben. Statt "Hi, ich bin Joseph. Kann ich Dir helfen?" würde er dann eher etwas sagen wie "Hi! Ich bin ein Bot und alle meine Schaltkreise freuen sich auf Dich! Hast Du Fragen? Mein Name ist übrigens Joseph." Die genaue Formulierung dieser Nachricht hängt natürlich stark von der Branche und der Kundengruppe ab. Im Bankwesen wäre es sicherlich etwas formaler als im Kundenservice einer Sport-App. Auf jeden Fall wird die Begrüßung sofort genutzt, um klare Verhältnisse zu schaffen.

Das Gleiche gilt für die Kontaktseite auf der Website. Wenn die Chat-Funktion dort angeboten wird, können Unternehmen auch kommentieren, dass der "Bot-Kollege schon ganz hibbelig auf den nächsten Kunden wartet" oder "Joseph gerade seinen Prozessor kämmt, aber super Multitasking kann, wenn jemand Fragen hat." Die Beispiele zeigen, obwohl es sich bei dem Bot natürlich nicht um einen herumlaufenden Roboter mit Gefühlen handelt sondern um Code, können geschickte Formulierungen helfen, diesen ein wenig zu vermenschlichen. Damit wird zwar klar, es ist nicht wirklich ein Mensch, aber dennoch erhalten die Kunden ein Bild von einem Roboter mit Headset vor dem Computer sitzend vor Augen. Das macht ihn nahbarer und die Hürde mit einer Maschine zu sprechen sinkt.

Bots als Redakteure und überforderte Kollegen

Eine weitere Maßnahme für mehr Transparenz in der Chat-Kommunikation wäre, um bei dem Beispiel zu bleiben, Joseph als Redakteur auch für den Unternehmensblog schreiben zu lassen. Er könnte von Interaktionen mit Kunden und Anekdoten berichten und dabei seine Sicht auf die Dinge als Maschine beschreiben. Das Ergebnis wären witzige Posts, in denen sich Joseph vielleicht darüber wundert, dass seine Antworten bei den Kunden offenbar einen Geschmack hinterlassen wie "Sweet!" oder ""..die Kirsche auf dem Sahnehäubchen". Unter jedem Post können Kunden Kommentare an Joseph hinterlassen oder aber ihn gleich wegen eigener Fragen kontaktieren. So können die Mitarbeiter des Unternehmens ganz klar kommunizieren, dass sie mit Bots arbeiten, aber dennoch immer mit einer charmanten und menschlichen Note.

Einige Unternehmen werden sich dennoch Sorgen darüber machen, ob die Kunden einen Bot anstelle eines Menschen als Ansprechpartner annehmen. Zu Recht, denn manchen Kunden wird es schlichtweg nicht gefallen. Besonders die ältere Generation hat erfahrungsgemäß Schwierigkeiten mit Neuentwicklungen und traut Computern nicht genug über den Weg. Oder aber sie empfinden es als Mindestmaß an Aufmerksamkeit und Service, dass sich ein echter Mensch mit ihnen als Kunde auseinandersetzt. Auch hiermit lässt sich allerdings umgehen.

Zunächst einmal ist es für Unternehmen generell wichtig zu wissen, ob ihre Kunden den Service durch Bots gut finden und wenn ja, für welche Zwecke und in welchem Ausmaß. Der eigene Blog, Social-Media-Kanäle oder auch die Mitarbeiter im Kundenservice können hier Licht ins Dunkel bringen. Durch kleine Umfragen finden sie heraus, was die Kunden wirklich wollen. Je nach Antworten poppt der Bot dann entweder bei allen Anfragen auf oder vielleicht nur bei recht einfachen Anliegen, wie der Frage nach den Versandkosten, Konfektionsgrößen oder Rabattaktionen.

Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, kann der Bot auch immer noch an einen menschlichen Kollegen vermitteln. Entweder, wenn der Kunde es verlangt oder aber, wenn Joseph merkt, dass er an seine Grenzen stößt. Auch das lässt sich charmant verpacken. "Entschuldige bitte Claudia, aber als das Kapitel dran war, hat mein Programmierer wohl ein Nickerchen gemacht. Ich leite dich mal an meine Kollegin Isabelle weiter, die weiß es bestimmt!" Auch hier gilt natürlich: Wer aufgrund seiner Zielgruppe formaler sein möchte oder muss, kann einfach nur darauf hinweisen, dass nun ein Mitarbeiter übernimmt.

Wie immer sich Unternehmen entscheiden, das Thema einfach zu ignorieren, wird nicht mehr lange funktionieren. Zu schnell sind die Entwicklungen in der Technik. Und wie sagten schon die Großeltern: Vorsorge ist besser als Nachsorge.