Pixel-Grafiken und tröpfelnde Daten

Btx startete vor 30 Jahren

27.08.2013
Mit einer Kombination aus Telefon und Fernseher startete vor 30 Jahren die Online-Ära in Deutschland. Die Nutzer konnten online shoppen, chatten oder Bankgeschäfte erledigen. Richtig durchsetzen konnte sich das System aber nie.

Der Start des Onlinedienstes Bildschirmtext (Btx) in Deutschland war mühsam. Sechs lange Jahre gingen nach der ersten Ankündigung des Dienstes durch Postminister Kurt Gscheidle auf der IFA 1977 ins Land, bevor der Dienst am 1. September 1983 bundesweit gestartet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Internet in weiten Teilen noch ein von Militärs finanziertes akademisches Projekt. Das Web gab es noch nicht. Der erste brauchbare Webbrowser erschien erst weitere zehn Jahre später.

Um 1983 den Bildschirmtext nutzen zu können, benötigten die Anwender in Deutschland ein spezielles Gerät, das Btx-Terminal, das wegen des stolzen Preises von über 2.000 D-Mark aber nur eine kleine Zielgruppe von gewerblichen Nutzern ansprach. Für das große Publikum brachte die Post dann einen Decoder auf den Markt, der an einen Fernseher angeschlossen wurde. Der verwendete Standard CEPT ermöglichte es aber nur, eine grobe Pixel-Grafik ähnlich wie beim Videotext (Teletext) darzustellen.

Die mäßige Datenübertragungsgeschwindigkeit von 1.200 Bit pro Sekunde sorgte außerdem dafür, dass sich die Seiten auf dem Bildschirm nur langsam aufbauten. Aber immerhin öffnete sich mit Btx die Tür zu den ersten Online-Anwendungen: Btx-Anwender konnten darüber ihre Bankgeschäfte erledigen, Flüge buchen oder bei Otto nach Schnäppchen suchen. Die Bahn bot einen Zugriff auf ihre Fahrpläne, Kinogänger konnten nachschauen, wann und wo ein aktueller Film läuft. Und Medien wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und das "Handelsblatt" sendeten Kurznachrichten.

Acht Mark Anschlussgebühr und vier Mark Nutzungsgebühr

Es fanden sich in Deutschland aber nur wenige Online-Pioniere, die damals bereit waren, für "30 Minuten pro Woche" monatlich acht Mark Anschlussgebühr und vier Mark Nutzungsgebühr zu zahlen. Zu den Gebühren der Post kamen die Entgelte der Anbieter, die die Telefonrechnung der Btx-Anwender mit Beträgen zwischen 1 Pfennig und 9,99 D-Mark pro Seite oder 1 Pfennig bis 1,30 D-Mark pro Online-Minute belasteten.

Der Chaos Computer Club führte im November 1984 das Tarif-System komplett ad absurdum: Die Hacker boten in dem Btx-System selbst eine kostenpflichtige Seite an, auf der man für 9,97 D-Mark ein satirisch verfremdetes Posthorn-Symbol abrufen konnte. Auf welchem Weg auch immer gelangten die Hacker des CCC an die Btx-Kennung der Hamburger Sparkasse. Die CCC-Mitbegründer Steffen Wernéry und Wau Holland sprachen von einer Sicherheitslücke, über die sie das Passwort der Sparkasse sehen konnten. Btx-Chef Eric Danke war dagegen überzeugt, dass Wernéry und Holland nur die Eingabe des Passworts beobachtet hatten, das die Hamburger Sparkasse auf Info-Veranstaltungen benutzte. Wie auch immer: Die Hacker riefen mit dem Passwort der Sparkasse im Sekundentakt das kostenpflichtige CCC-Angebot ab. Alle paar Sekunden wurden 9,97 D-Mark fällig. In einer Nacht kamen so knapp 134.000 D-Mark Gebühren zusammen, die die Sparkasse eigentlich an den CCC hätte zahlen müssen.

Der Angriff des CCC machte damals als "erster virtueller Bankeinbruch" große Schlagzeilen im In- und Ausland, obwohl der Btx-Hack nicht das eigentliche Online-Banking betraf. Die Story wurde jedoch groß in den Fernsehnachrichten präsentiert und stellte grundlegend die Sicherheit des noch jungen Datendienstes in Frage. Kritiker warfen dem Btx-Betreiber Post und später der Telekom aber auch vor, dass sie sich stets nur an der Technologie und nie am Markt orientiert hätten. Das System sei bedienerunfreundlich, das Angebot zusehends verwildert, der Kunde werde mit der Technik alleingelassen.

Von Btx zu T-Online

Bei einer Zwischenbilanz 1992 zählte Btx-Chef Danke nur rund 320.000 Teilnehmer, obwohl der Dienst nach den ursprünglichen Prognosen längst ein Service mit mehreren Millionen Mitgliedern hätte sein sollen. Auch eine Umbenennung des Dienstes in Datex-J (J für jedermann) brachte keine Wende.

Erst nach einer erneuten Umbenennung 1995 in T-Online nahm der Dienst Fahrt auf. Über die Millionen-Schwelle schaffte es der Service dann ausgerechnet mit dem Online-Banking. Weil es im Web noch keine attraktiven und sicheren Bank-Angebote gab, hatte der Dienst damals noch quasi ein Monopol beim Electronic Banking. Die alte Btx-Schnittstelle für das Online-Banking überlebte sogar das Ende des Btx-Dienstes. Ende 2001 beugte sich die Telekom der Übermacht der Internet- und Webdienste und schaltete das Btx-System offiziell ab. Das Online-Angebot vieler Banken wurde aber noch bis zum Mai 2007 auf der Basis der inzwischen betagten Btx-Technologie betrieben.

Mitte der 90er Jahre hatten Btx und seine Nachfolgersysteme immerhin den Status des "größten Onlinedienstes außerhalb der USA" erreicht und sich damit auch einen Eintrag in den Büchern der Technologie-Geschichte verdient. Es ist daher auch kein Zufall, dass das Computer History Museum im kalifornischen Mountain View für seine Ausstellung noch ein Btx-Terminal der Deutschen Bundespost sucht. (dpa/tö)

Die Geschichte der Deutschen Telekom
Deutsche Telekom
Skandale, Krisen und Höhepunkte. Die Geschichte der Deutschen Telekom im Zeitraffer.
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Im Herbst 1877 wird zum ersten Mal mit einem „Apparat für die telegraphische Übertragung von sprachlichen oder anderen Tönen“ von Alexander Graham Bell in Berlin telefoniert.
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Die ersten Autotelefone waren unhandlich. Sie wogen 16 Kilogramm. Das Hauptgerät befand sich daher im Kofferraum. Telefoniert wurde im A-Netz bis 1977.
Early Bird (1965)
Der erste kommerzielle Nachrichtensatellit „Early Bird“ ermöglicht es zum ersten Mal von Deutschland in die USA im Selbstwahlverfahren anzurufen.
Fräulein vom Amt
Das „Fräulein vom Amt“ vermittelte von Hand Telefongespräche in Fernsprechämtern. Im Frühjahr 1966 schloss in Uetze bei Hannover die letzte Handvermittlung der Deutschen Bundespost.
Tim Berners-Lee
Anfang der 90er entwickelte Tim Berners-Lee an der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN die Auszeichnungssprache HTML (Hypertext Markup Language). Berners-Lee macht das Internet massentauglich.
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Das D1-Mobilfunknetz soll nach eigenen Angaben der Deutschen Telekom „nahezu abhörsicher“ sein. Es basiert auf dem GSM (Global System for Mobile Communications)-Standard. 1994 telefonieren etwa eine halbe Million Teilnehmer im T-D1-Netz.
Deutsche Telekom
Hauptsitz der Deutschen Telekom in Bonn.
Erster Börsengang der Deutschen Telekom (1996)
Ron Sommer bringt am 18. November 1996 die Deutsche Telekom erstmalig an die Börse. 1,8 Millionen Privatanleger zeichneten die Aktien zu einem Emissionspreis von 28,50 DM (14,57 Euro).
Robert T-Online (1999)
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Kai-Uwe Ricke (2002 – 2006)
Kai-Uwe Ricke tritt am 14. November 2002 die Nachfolge vom Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Dr. Helmut Sihler an und wird neuer Vorstandsvorsitzender. Sihler löste für eine kurzen Übergang Ron Sommer ab. Vier Jahre später, am 13. November 2006, wird Ricke von René Obermann abgesetzt.
René Obermann
René Obermann war von 2002 bis Dezember 2006 Vorstandsvorsitzender von T-Mobile International AG. Seit November 2006 nimmt er die Position des Vorsitzenden des Vorstandes der Deutschen Telekom AG ein.
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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) löst am 13.07.2005 die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) ab. Die BNetzA regelt den u.a. den Telekommunikations-Markt und schafft Chancengleichheit.
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Ab 1. Januar 2005 gilt eine LKW-Maut für deutsche Autobahnen. Die Deutsche Telekom ist mit 45 Prozent als Gesellschafter von Toll Collect an der Umsetzung und dem Betrieb beteiligt.
Prof. Anja Feldmann Ph.D.
Prof. Anja Feldmann Ph.D. (v.l.) leitet den Lehrstuhl "Intelligent Networks" und "Management of Distributed Systems" an der "Telekom Innovation Laboratories" (T-Labs) seit 2006. Schwerpunkt ist die Erforschung des Aufbaus von verteilten Systemen für künftige Anforderungen der Kommunikation.
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Die Stadt Friedrichshafen gewann am 21. Februar 2007 den ausgeschriebenen Ideen-Wettbewerb zum Projekt T-City der Deutschen Telekom. Das Projekt läuft bis 2012. Ziel von T-City ist es, die Lebens- und Standortqualität mit modernen und innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien zu erhöhen. v.l. Josef Büchelmeier(Oberbürgermeister Friedrischshafen), Ferdinand Tempel (Leiter T-City Repräsentanz), Friedrich Fuß (Bereichsvorstand Technik T-Home) eröffnen T-City Friedrichshafen.
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Seit 22. Oktober 2008 ist Manfred Balz Vorstandsmitglied für das neue Ressort Datenschutz, Recht und Compliance bei der Deutschen Telekom.
LTE-Stick
LTE (Long-Term-Evolution) soll den Mobilfunkstandard UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) ablösen. Die Deutsche Telekom nahm am 30. August 2010 den ersten LTE-Sendemast in Kyritz/Brandenburg in Betrieb.
Deutsche Telekom bei Nacht
Hauptsitz der Deutschen Telekom in Bonn.