Unter der Friedensfahne

China und Taiwan vertiefen Kooperation in fünf Industriebereichen

24.10.2011
Während Taiwans Präsident Ma Ying-jeou schon die Friedensfahne schwenkt, zeichnet sich eine weitere Verbesserung der Beziehungen zu China ab. In fünf Schlüsselindustrien soll die Zusammenarbeit intensiviert werden.

Während Taiwans Präsident Ma Ying-jeou schon die Friedensfahne schwenkt und in 10 Jahren entsprechende Verhandlungen in Aussicht stellt, zeichnet sich eine weitere Verbesserung der Beziehungen zu China ab. In fünf Schlüsselindustrien soll die Zusammenarbeit intensiviert werden.

Von dem Abkommen über eine engere Zusammenarbeit mit China soll unter anderem auch Taiwan LCD-Industrie profitieren.

20 Jahre nach den ersten zarten Öffnungsversuchen gehen Taiwan und China ein Schritt weiter aufeinander zu. Gerade haben beide Seiten ein Abkommen über eine engere Zusammenarbeit in den fünf Bereichen LED-Beleuchtung, TFT-LCD, Wireless Cities (Ausstattung der Städte mit WiFi und WLAN), Niedrigtemperatur-Logistik und Elektroautos unterzeichnet.

Bei Elektromobilität sind die Chinesen teils schon weiter als die deutschen Automobilkonzerne. Wie Acer-Gründer Stan Shih im April 2011 äußerte, sei Taiwans Industrie geradezu prädestiniert, in der Zukunftsindustrie eine führende Rolle zu spielen.

Unterzeichner des Abkommens vom 20. Oktober waren P.K. Chiang, Vorsitzender von Taiwans semi-offizieller Straits Exchange Foundation (Haixia Jiaoliu Jijinhui, wobei Haixia oder englisch Straits für Meerenge beziehungsweise Taiwanstraße steht) und sein Kollege Chen Yunlin von Chinas Association for Relations Across the Taiwan Straits (Haixia Liang’An Guanxi Xiehui). Guanxi ist übrigens das den Chinesen so wichtige Zauberwort "Beziehungen", im deutschen Volksmund auch Vitamin B genannt.

Was die LCD-Industrie angeht, hoffen Taiwans Hersteller auf dem Weg, sich besser gegen die starke Konkurrenz aus Südkorea behaupten zu können. Dem Argument konnte sich die Regierung in Taipei nicht länger verschließen und hat Anfang 2010 das Bauverbot für LCD-Panel-Fabriken in China gelockert, obwohl sie BenQ-Schwester AU Optronics (AUO) noch neun Monate zappeln ließ, den Investitionsantrag für ein 7.5G-Werk zu bewilligen.

Die Insel hat zwar unter anderem auch auf Druck der Welthandelsorganisation (WTO) festlandchinesischen Markenanbietern und Herstellern von Unterhaltungs- und Haushaltselektronik zugebilligt, sich bei lokalen LCD-Herstellern einzukaufen, aber bisher ist noch kein solcher Deal zustande gekommen, berichtet CENS.com. Deshalb erwäge Taiwan, die Bestimmungen weiter zu lockern, um chinesische Investoren anzulocken.

Eine Woche zuvor, am 17. Oktober 2011 hat Taiwans Präsident Ma Ying-jeou in Aussicht gestellt, dass die seit 1948/49 tief verfeindeten chinesischen Seiten in zehn Jahren schon Frieden schließen könnten. Dabei hat er aber die Einschränkung gemacht, das Angebot gelte nur, wenn Taiwans Bevölkerung dem zustimmt.

Und damit wird dieses Angebot auf der Insel wohl auch nicht ganz ernstgenommen, denn seit Ma 2008 angetreten ist, haben sich die Beziehungen zu Festlandchina zwar deutlich verbessert, aber viele Taiwanchinesen fürchten, dass China nach einer Wiedervereinigung ihre Ersparnisse wie ein Schwamm aufsaugen könnte, von den Gräueln einer neuen Kulturrevolution ganz abgesehen.

Ma musste die Einschränkung wohl auch machen, weil er mitten im Wahlkampf ist und hofft, im Januar 2012 wiedergewählt zu werden.

Bis Anfang der 1990er Jahre war es Taiwanchinesen streng verboten, nach China zu reisen, dort zu investieren oder Geschäfte zu machen. Doch viele haben sich darüber hinweggesetzt.

Den Anfang machten die Bekleidungs-, Sportschuh- und Regenschirmhersteller der Insel, die bald fast nur noch in China produzierten. Sogenannte strategische Industrien wie die IT-Industrie sind sukzessive nachgezogen, so dass Taiwans Regierung in den letzten 20 Jahren gar nicht anders konnte, als die Bestimmungen immer mehr zu lockern.

In den zwei Dekaden sind, wie teilweise selbst von offizieller Seite bestätigt, direkt oder indirekt Hunderte von Milliarden Dollar von Taiwan nach China geflossen. Die Insel gilt zwar immer noch als Hardware-Mekka, weil dort mit Foxconn, TPV, Quanta, Compal und Wistron viele große IT-Hersteller ihren Hauptsitz haben.

Die von Taiwanchinesen kontrollierte Produktion von Notebooks, PCs, Monitoren und vielen Komponenten ist aber teils zu hundert Prozent nach China oder in andere Billiglohnländer in Fernost verlagert worden.

Mit Abzug weiter Teile der Industrie verdient Taiwan zwar wieder mehr den von den Portugiesen einst gegebenen Namen "Ilha Formosa" (Schöne Insel), andererseits machen sich dort auch immer mehr Sorgen breit, dass man immer mehr in Abhängigkeit von China gerät.

Abgesehen davon gehen viele Unternehmen Taiwans dazu über, Fach- und Führungspositionen in China mit lokalen "Talenten" zu besetzen, die weit günstiger sind als ihre Kollegen von der Insel.

Dennoch ist dort die Arbeitslosenrate mit 4,45 Prozent im August 2011 immer noch vergleichsweise gering und sogar am Abnehmen, was unter anderem an der guten Ausbildung des Landes liegt und Ingenieure für die Entwicklung so stark gefragt sind, dass die Unternehmen sie sich teils sehr aggressiv gegenseitig abzuluchsen versuchen. (kh)