Die (Video)-Pläne des Netzwerkers

Cisco ändert sich

26.11.2007
Zwar trägt das Switches-Geschäft noch immer rund 50 Prozent zum Umsatz des Netzwerkers Cisco bei, doch das Unternehmen erschließt sich längst neue Geschäftsfelder wie Cisco-Chef Chambers gerade in Indien demonstrierte.

Von Wolfgang Leierseder

Wenn Cisco-Chef John Chambers in der Öffentlichkeit spricht, dann, um werbewirksam über Großes aus dem Cisco-Reich zu berichten. Das mag die allgemeine Strategie des weltgrößten Netzwerkers betreffen, ebenso ein neues Geschäftssegment, das Cisco in der Regel so unerbitterlich angeht wie die dahinterstehende Unternehmensvorgabe es vorschreibt: in diesem Segment eine Milliarde Dollar Umsatz in drei Jahren zu erwirtschaften oder eine neue Technologie. Letzteres fand zuletzt auf der diesjährigen Cebit statt: Dort stellte Cisco seinen Meilenstein in Sachen Videokonferenzsystem, das System "Telepresence", in eigens gemieteten Räumen vor.

Für die Vorstellung des neuesten Coups wählte Chambers diesmal Bangalore, die indische High-Tech-Stadt schlechthin, wo der Netzwerker seine neue Zentrale für die Emerging Markets, die Märkte mit Zukunft beziehungsweise erheblichen Nachholbedarf, gerade eröffnet hat.

Chambers Coup

Chambers unterhielt sich anlässlich der Eröffnung mit Marthin De Beer, Senior Vice President Emerging Technology bei Cisco, live auf der Bühne. Allerdings war De Beer nicht in Bangalore präsent, sondern im 14.000 Kilometer entfernten kalifornischen Hauptquartier San Jose. Für ihn war es früh am Morgen, und was die Zuschauer sahen, war die täuschend echte, bewegliche dreidimensionale Projektion des Managers auf einer lebensgroßen Projektionsfläche.

Dieses Gespräch in Echtzeit war möglich, weil Cisco-Techniker zwischen San Jose, Deutschland und Bangalore eine Standleitung mit einer garantierten Latenzzeit unter 160 Millisekunden eingerichtet hatten, sodass die perfekte Synchronisation der Bewegungen und der Sprache des Managers gelang.

In diese Richtung wird Cisco seine Videokonferenzlösung "Tele-presence" weiterentwickeln. Zugrunde liegt, dass das bei "Telepresence" eingesetzte, abgewandelte Videokompressionsverfahren Codec H.264 noch mal verbessert und auf einem eigenen Video-ASIC codiert werden konnte, wie Christian Korff, Technischer Leiter bei Cisco Deutschland, erläuterte. Dieser bearbeitet parallel drei Kompressionen ein Muss, um die holografische Darstellung zu erreichen. Laut Cisco können so Full-HDTV-Videostreams, die es auf bis zu 1,3 GB/s bringen, auf unter zehn Mbit/s komprimiert werden.

Chambers gab nach der Demonstration (zum Beispiel unter folgender Webadresse zu sehen: www.computerwoche.de/messeschnell weg/2007/11/21/holy-hologramm) zu verstehen, dass Cisco dieses Videokonferenzsystem, vorerst unter dem Arbeitstitel "OnStage" firmierend, rasch zur Marktreife bringen wird.

In München erklärte dann Bernd Heinrichs, Director Field Market Development bei Cisco Deutschland, warum der Netzwerker der Videoübertragung so viel Aufmerksamkeit und Entwicklungsgelder widmet. "Vielen ist die Dimension von Videos noch nicht klar", sagte er vor Journalisten. Intern würden bei Cisco bereits 50 Prozent des anfallenden Netzverkehrs durch Videos verursacht werden; im Internet wären es sogar 60 Prozent. Dementsprechend habe sich Cisco vorgenommen, in diesem Markt ein wichtiger Anbieter zu werden.

Wie Cisco überhaupt sich ändere, sagte der Manager und zählte als Beispiele des Video-Segements auf: Digitale Medien und Beschriftung (Digital Media and Signage ), Überwachungssysteme (physical security), die sowohl Gebäude als auch biometrische Erkennung umfassen, sowie IP-basierende Sensorik-Chips, wie sie Marktforschern zufolge im Jahr 2010 milliardenfach in Geräten aller Art, vielleicht auch als Biochips bei Menschen, eingebaut seien.

"Das Netz, an dem wir bauen, stellt auf der Grundlage eines intelligenten IP-Netzes eine Verbindung aus Applikation und SOA dar", schlug Cisco-Manager Henrichs den Bogen zur aktuellen Softwareentwicklung. Was er damit ankündigte, ist nicht weniger, als dass Cisco sich auf dem Weg zum Applikationsanbieter befindet. Mit allen Mitteln, die dem rund 65.000 Mitarbeiter zählenden Unternehmen zur Verfügung stehen. Jährlich fünf Milliarden Dollar gibt Cisco für Forschung und Entwicklung aus, zudem hat es in den letzten Jahren rund 120 Firmen gekauft.

Zu den Ergebnisse der Entwicklungsarbeit zählen nicht nur "Telepresence", sondern auch Ciscos 3,2 Millliarden Dollar schwerer Webex-Kauf. Mit der Kollabaration-Software des kalifornischen Anbieters versucht Cisco nämlich, sich gegen die Abwanderung von netzbasierenden IT-Services in Richtung SOA und Software zu wehren. Beobachter bezweifeln, ob diese eine Antwort schon genügt Doch bekanntlich hat Cisco zusätzlich zu R&D auch eine große Akquisitionskasse.

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