Cisco-Chef: Die CeBIT hat garantiert eine Zukunft

12.03.2007
Mit Cisco-Geschäftsführer Michael Ganser diskutierte CW-Redakteur Jürgen Hill über den Stellenwert der CeBIT und den IT-Standort Deutschland.

CW: Herr Ganser, Cisco war letztes Jahr nicht auf der CeBIT, wie sieht es 2007 aus?

Ganser: Genauso wie in 2006. Zur direkten Ansprache der Hauptunternehmenskunden halten wir unsere eigene Veranstaltung, die Cisco Expo im Mai in Berlin, für effizienter. Unsere Kunden suchen keine 15-minütigen Messegespräche, sondern mehr und ausführlichere Informationen. Ebensolche Erfahrungen haben wir mit unserer europäischen Veranstaltung, der Cisco Networkers in Cannes gemacht, wo wir spannende Technologie- und Business-Themen kompakt präsentieren können. Diesen Rahmen kann uns die CeBIT nicht bieten.

CW: Gilt das für den gesamten Konzern?

Ganser: Nein, wir sind mit Linksys für den Consumer-Bereich und bei Partnern auf der CeBIT vertreten.

CW: Über die Zukunft der CeBIT wird viel diskutiert. Unter anderem ist eine Refokussierung auf den Business-Kunden im Gespräch. Eine richtige Entscheidung?

Ganser: Cisco adressiert die Geschäftskunden und braucht dafür eine Plattform. Wir haben uns deswegen in 2006 für die Cisco Expo entschieden. Ich kann mir mittelfristig durchaus aber auch ein Messe-Engagement wieder vorstellen. Die Kernfrage für die CeBIT ist aber, wer adressiert auf der CeBIT die Kunden? Sollten das nicht die Integratoren sein, etwa T-Systems oder IBM, die unterstützt vom Hersteller mit den Kunden sprechen? Das gleichzeitige Abbilden der gesamten Wertschöpfungskette auf der CeBIT, also ein Hersteller mit seinen Partnern und umgekehrt und beide adressieren den gleichen Endkunden, das ist für mich kein zwingend erfolgreiches Konzept mehr. Ansonsten ist die CeBIT eine tolle Marke und hat garantiert eine Zukunft.

CW: Wie kann diese Zukunft aussehen?

Ganser: Ich glaube, die CeBIT wird wie jede andere Veranstaltung davon leben, dass man genau hinhört, was der Kunde wünscht. Im Falle der CeBIT ist es vornehmlich der Business-Kunde, der eher an der breiten Informationsbeschaffung interessiert ist als an tiefer gehenden Einzelgesprächen.

CW: Also befindet sich die CeBIT mit ihrem neuen Konzept für 2008 auf dem richtigen Weg?

Ganser: Die zeitliche Verkürzung und die Konzentration auf Business-Kunden sind richtig. Sie bedeuten die Reduktion auf die Essenz der CeBIT und sparen Kosten. Im Moment sehe ich in Deutschland eine große Bereitschaft, in ICT zu investieren, um im Wettbewerb zu gewinnen und mittel- und langfristig dadurch Produktivitätssprünge zu erzielen. ICT ist heute mit über sechs Prozent des Bruttosozialprodukts die größte Branche in Deutschland und braucht eine Plattform wie die CeBIT.

CW: Werden Sie persönlich die CeBIT besuchen?

Michael Ganser, Chef von Cisco Deutschland.
Foto: Ganser

Ganser: Ja, natürlich. Zumal wir ja im Consumer-Bereich mit Linksys aktiv sind und unsere Lösungen wie etwa Telepresence, Security und Data Center durch unsere Partner gezeigt werden.

CW: Sie sprachen die Bedeutung der ICT für den Wirtschaftsstandort Deutschland an. Wir haben über diese Frage und die Rolle der ICT in der Politik vor einem Jahr schon einmal diskutiert. Wie fällt Ihr Urteil heute aus?

Ganser: Ich sah den Standort Deutschland optimistisch, und zwar unabhängig von der Regierung. Ergänzend hatte ich gesagt, dass die Regierung aber Akzente setzen kann, indem sie Kernprojekte vorantreibt: wie etwa die Maut oder Herkules oder E-Government allgemein, nach dem Motto: nicht Mittelmaß, sondern Spitzenleistung. Wenn man nach einem Jahr unter den Strich schaut: Herkules geht weiter, die Regierung hat mit dem IT-Gipfel eigene Akzente gesetzt, die das Thema ICT präsent machen. Und im E-Government hat man mit dem aus Hessen getriebenen Projekt 115 innovative Vorhaben gestartet, so dass plötzlich ganz Europa nach Deutschland schaut und sich fragt, was entsteht da? Die Politik hat also durchaus Akzente gesetzt: Wirtschaft und Politik müssen die Chancen nun auch gemeinsam nutzen.

CW: Gutes Stichwort. Ihr Konzern propagiert mit Unified Communications eine neue Art des Arbeitens. Hinkt hier Deutschland in Sachen Mobile Working oder Teleworking nicht hinterher?

Ganser: Hier kommen zwei Dinge zusammen. Das ist zum einen Kultur, zum anderen Erfolge in der Vergangenheit. Wenn wir die Ausgangssituation in Deutschland betrachten, dann erkennen wir in vielen Bereichen ein hohes Niveau. Ein für jeden nachvollziehbares Beispiel ist das Fernsehen. Wir haben in Deutschland, sei es über Satellit, Kabel oder DVB-T, ein Angebot, das weit über das hinausgeht, was Sie irgendwo sonst in Europa empfangen können. Oder nehmen Sie die Grundversorgung mit ISDN und dem sehr gut funktionierenden Telefonnetz, dies ging ebenfalls weit über das hinaus, was andere Länder hatten. Diese hatten dadurch einen größeren Druck, neue technische Möglichkeiten zu nutzen, als dies in Deutschland der Fall war. Vielleicht haben wir uns ein bisschen zu lange auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht und müssen nun aufpassen den Zug nicht zu verpassen. Das zweite ist die Kultur, Deutschland ist wohl nicht so Technologie-affin wie Nordeuropa, Asien oder zum Teil England. Wir neigen da eher zu einer abwartenden Haltung. Nehmen wir als Beispiel Cisco Deutschland. Weltweit hat der Konzern intern die Einführung eines mobilen E-Mail-Gerätes beschlossen. Sogar bei einem so innovativen Unternehmen wie Cisco überlegt sich hierzulande der Mitarbeiter, ob er dies wirklich will, während andere Länder das einfach machen - ich betrachte das als eine Art Kulturhürde.

CW: Also sind wir im globalen Wettbewerb aufgrund unserer Kultur chancenlos?

Ganser: Nein, dadurch sind vielmehr die Chancen in Deutschland die spannendsten. Weil sich eine Menge aufgestaut hat, weil Investitionsnotwendigkeiten da sind. Zudem war der deutsche Markt partiell blockiert, da gewisse Anbieter Technologien nicht weiterentwickelt hatten, aber Kunden beispielsweise durch Verträge lange an sich gebunden haben. Jetzt passiert sehr viel mit einer hohen Dynamik. Im Moment entfalten sich europaweit die meisten ICT-Aktivitäten in Deutschland.

CW: Beim Thema Mobility werden in Studien aber immer Kosten und Sicherheitsfragen als Hinderungsgründe angeführt. Ist da die Kulturfrage so entscheidend?

Ganser: Wenn ich den Kulturaspekt um den Punkt erweitere, dass wir in Deutschland dazu neigen, zu sagen, das Glas ist halbleer, dann ja. Wir suchen immer eher nach Gründen, warum etwas nicht geht, anstatt die Chancen zu sehen. Auf Unternehmensebene wird eher gefragt, was kostet das, als zu sehen, was kann ich damit Neues machen, welche neuen Umsatzfelder erschließen sich mir damit. Auf der anderen Seite gibt es hierzulande aber auch viele Beispiele, wo neue Technologien mutig eingesetzt werden.

CW: Wenn nun investiert wird, in welchen Bereich geht es dann?

Ganser: Heute wird bereits viel in Unified Communications investiert was nicht heisst, dass lediglich ein herkömmliches durch ein IP-Telefon ersetzt wird, sondern dass Unternehmen ihre gesamte Netzwerkinfrastruktur in Richtung Sprach-Daten-Video-Integration entwickeln..

CW: Sie sprechen vom Potenzial, das Unified Communications bietet. Wo sehen Sie Cisco hier im Vergleich zum Wettbwerb?

Ganser: Vom Netzwerk als Plattform sind wir überzeugt. Wir sagen nicht, dass es um ein Telefon, um eine schnelle Allianz oder einen Riesen-Merger von großen Companies geht, sondern um eine Architektur, die eine Business-Transformation unterstützt. Wir sind heute in der Lage serviceorientierte Netze aufzubauen, die mit Enterprise-, SMB- und Home-Netzen zusammenlaufen. Wir sind die einzigen, die heute einen solch weitgefächerten Servicelevel bieten, der vom Consumer über Unternehmen bis hin zu Service-Providern reicht. Diese Komplexität schafft kein anderer Wettbewerber nur annähernd. Denn es geht dabei nicht nur um Telefonie und Video, sondern auch um Security oder Virtualisierung von Ressourcen, so dass ich in letzter Konsequenz jeden Service auf jedem Gerät an jedem Ort abrufen kann. Darauf wollen wir hinaus.

CW: Ketzerische Frage: Muss der Integrator unbedingt eine Netz-Company sein, sind hier die Application-Anbieter nicht die besseren Partner?

Ganser: Da sind wir genau in der Architekturdiskussion. Am Ende entscheidet der Kunde darüber, welches das bessere Konzept ist. Wir können nur sagen, dies ist unsere Strategie, und die haben wir vor Jahren gewählt. Denken Sie sieben oder acht Jahre zurück: Als wir damals gesagt haben, die Voice-Übertragung wird ein Thema des Netzwerks, da haben alle gesagt, das geht nicht. Cisco, was habt ihr in diesem Segment verloren, das gibt überhaupt keinen Sinn. Heute sind wir der weltgrößte Anbieter von Enterprise-Voice-Lösungen. Jetzt sagen wir, die Virtualisierung aller IT-Ressourcen ist ein Kernthema. Wir werden sehen, was passiert. Und wir sagen, Video wird vielleicht das relevanteste Thema in der menschlichen Kommunikation werden. Nehmen Sie nur die jüngere Generation: Für die ist Video eine Selbstverständlichkeit. Leute aus dieser Altersgruppe fragen sich, warum sie ohne Video noch chatten sollten.

CW: Sie sprechen das Nutzungsverhalten der jungen Generation an. Kommt es wirklich zu einer Consumerization der Unternehmens-IT?

Ganser: Ja, wir hatten allein in den letzten Monaten mindestens zehn Meetings mit Kunden auf hoher Führungskräfte-Ebene zu diesem Thema. Das beschäftigt heute Senior Executives durch die Bank. Auf der IT-Ebene ist das Thema noch nicht zwingend angekommen. Aber der ganze Komplex ist in Bewegung und wird das Zusammenspiel von Marketing und ICT ganz massiv verändern. Es gibt heute durchaus schon IT-Leiter, die das Thema vorantreiben. Sie haben erkannt, dass es Auswirkungen auf die gesamte ICT-Infrastruktur haben wird.

CW: Wo sehen Sie die weiteren ICT-Herausforderungen des Jahres 2007?

Ganser: Ein Stück weit ist es eine Art Architekturtransformation. Viele CIOs stehen vor Grundsatzentscheidungen: Was machen sie mit dem Bereich Voice? Geht man in Richtung Unified Communications, oder kann man noch einmal zwei bis drei Jahre warten? Viele müssen ihre Gesamtarchitektur ausbauen, weil sie lange nicht in Infrastruktur investiert haben. Eine andere Kernfrage lautet in Deutschland: Wie bringe ich meine zum Teil fragmentierte Architektur in Richtung einer Service-orientierten Netzwerkarchitektur? Das treibt eine Menge Unternehmen an.