Computerwoche Verlag GmbH, Postfach 40 04 67, D-80704 München

28.06.1996
Herrn Claudio OsorioOhepark 2

Herrn Claudio OsorioOhepark 2

21224 Rosengarten-Nenndorf

München, 28.06.1996

Sehr geehrter Herr Osorio,

von dem deutschen Philosophen und Sprachanalytiker Ludwig Wittgenstein stammt die Erkenntnis: "Worüber man nicht reden kann, darüber muß man schweigen." Vielleicht ist es ja dieser Wittgensteinsche Grundsatz, der Sie dazu veranlaßt hat, über die Beziehung zwischen CHS und dem Braunschweiger Distributor Frank & Walter den Mantel des Schweigens zu legen. Ansonsten hat aber offenkundig kaum jemand in unserer Branche mit Wittgenstein etwas am Hut, so daß das Thema CHS/Frank & Walter immer wieder für angeregte Konversationen sorgt und so manche Gesprächslücke füllt.

Dabei schien auf der CeBIT '95, als Sie gemeinsam mit Frank & Walter-Geschäftsführer Carsten Frank die bevorstehende Fusion der beiden Unternehmen ankündigten, eigentlich alles klar zu sein. Die Verträge, so ließen Sie damals wissen, sollten noch im März 1995 unterzeichnet werden. Doch anschließend geriet wohl Sand ins Getriebe der Verhandlungen und eine Reihe von Merkwürdigkeiten verwunderte die Branche. Zunächst gab es Irritationen aufgrund einer CHS-Pressemitteilungen, derzufolge Frank & Walter "nach dem erfolgten Fusionsvertrag in der CHS-Gruppe aufgehen" werde. Daraufhin gab Herr Frank eine eigenhändig unterschriebene Pressemitteilung auf die Post, in der er nur noch von einer "strategischen Allianz" zwischen beiden Unternehmen sprach und betonte, daß er alleiniger Gesellschafter von Frank & Walter sei und zudem beabsichtige, "höchstens 49 Prozent der Anteile der CHS-Gruppe zu übernehmen". Ende letzten Jahres hieß es dann, daß CHS 40 Prozent der Anteile an Frank & Walter erworben habe. Und im März wußten Branchenbeobachter zu berichten, daß CHS in Kürze mit einem Anteil von 51 Prozent die Mehrheit an Frank & Walter übernehmen werde.

Indes scheint niemand in der Branche etwas Genaues zu wissen. Die beiden beteiligten Unternehmen hüllen sich in Schweigen. Eine vor zwei Wochen verschickte Mitteilung über den erfolgten Börsengang der CHS Electronics Inc. enthält zwar Informationen über den Zielumsatz der CHS GmbH (260 Millionen Dollar für 1996), aber kein Wort zu Frank & Walter. Dafür tauchen neuerdings Gerüchte auf, daß CHS mit Merisel Möglichkeiten auslote, wie man sich gegenseitig das Leben erleichtern könne.

Alles dies scheint mir sehr interessant und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir helfen könnten, dieses Rätsel zu lösen. Vielleicht kann man ja doch darüber reden.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

- Chefredakteur -

Computerwoche Verlag GmbH