Schritt 3: Web 3.0

Content statt Werbung

05.02.2013
Das Web 3.0 wurde durch das mobile Internet eingeläutet, das vollautomatisch eine digitale Informationsschicht über die Offline-Sphäre legt - und uns mit dem kompletten Online-Wissen in Echtzeit vernetzt. Anne M. Schüller nennt Details.
Die Kunden sind längst vernetzt und in der Web-3.0-Welt unterwegs.

Alle Welt spricht von Social Media und dem Web 2.0. Dabei ist vielen nicht klar: Die Kunden sind längst in der Web-3.0-Welt unterwegs. Diese wurde eingeläutet durch das mobile Internet, das vollautomatisch eine digitale Informationsschicht über die Offline-Sphäre legt - und uns mit dem kompletten Online-Wissen in Echtzeit vernetzt.

Das mobile Internet wird die Art und Weise, wie wir miteinander Geschäfte machen, noch einmal völlig verändern. Da kann man Unternehmen nur raten: An jedem Kundenkontaktpunkt, also da, wo die Kunden mit einem Anbieter und seinen Produkten, Services, Marken und Mitarbeitern in Berührung kommen, braucht es in den ‚Momenten der Wahrheit‘ ein Verhalten 3.0, also eine neue Qualität von Interaktion, bei der das schöpferische Mitwirken Außenstehender eine Hauptrolle spielt.

Was es mit 1.0, 2.0 und 3.0 auf sich hat

Verhalten 1.0 konfrontierte die Kunden ungefragt mit allem, was das Unternehmen sich selber ausgedacht hatte. und zog sie nicht selten über den Tisch. Verhalten 2.0 involvierte die Kunden bereits, aber machte sie oft noch zum Knecht. Verhalten 3.0 hat endlich verstanden, dass ein Unternehmen erst dann auf Dauer erfolgreich ist, wenn es die Kunden mit all ihrem Wissen aktiv integriert. Denn Kunden sind die besten Unternehmensberater.

So nimmt Verhalten 3.0 ein für allemal Abschied vom monologischen Einbahnstraßendenken, es pflegt die zweigleisige Interaktion und das Vernetzen. Dies beginnt immer mit dem Zuhören, um wertvolle Wissensvorsprünge zu erzielen. »Wer heute noch mit der Gießkanne unspezifizierte Werbebotschaften über den Markt schüttet, darf nicht erstaunt sein, wenn alle Welt den Schirm aufspannt«, sagt Klaus Burmeister, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Z-punkt.

Wie Verhalten 3.0 funktioniert

Verhalten 3.0 zollt Konsumenten Respekt, indem es die von ihnen erzeugten Inhalte (User Generated Content) aufgreift, und macht sie zum Mitgestalter, wo es nur geht. "Eine von IBM im Jahr 2010 durchgeführte Studie unter 1.500 CEOs zeigt: Unternehmen, die ihre Produkte und Services gemeinsam mit ihren Kunden entwickeln, sind erfolgreicher", sagte Maria Gomez, Direktor Social Business und Collaboration Solutions bei IBM Deutschland kürzlich in einem Interview mit der DigitalBusiness.

Hierzu passen sieben Prinzipien, die alle ineinander greifen: (anders) informieren, inszenieren, aktivieren, involvieren, integrieren, co-kreieren, innovieren. Das kann rein offline, rein online oder - besser natürlich - verknüpft in beiden Welten passieren. Immer ist bei solchen Aktionen zu fragen:

- Ist es innovativ?

- Ist es aufmerksamkeitsstark?

- Ist es emotional berührend?

- Passt es zu uns?

- Stärkt es unsere Reputation?

- Sorgt es fürs Drüberreden?

- Ist es empfehlenswert?

Damit finden Sie ganz sicher einen Dreh, der Ihrer Konkurrenz bislang verborgen blieb.

Informieren = Content verschenken

Die Werbung als Illusionstheater - das war gestern. Wirklich? Mogelpackungen sind noch immer ein heißes Thema. Und auf Webseiten wie www.abgespeist.de kann jeder nachlesen, wie die großen Player der Lebensmittelindustrie uns Kunden auch heute noch gerne belügen - vor allem bei Kinderprodukten, was besonders verwerflich ist. Ihre 3.0-Frage sollte hingegen lauten: Wie können wir der Öffentlichkeit und speziell unseren (potenziellen) Kunden wertvolle Informationen liefern und somit unsere Fachkompetenz untermauern? Ein Stichwort dazu heißt: Content.

"Content ist die neue Währung im Web", schreibt Melanie Tamblé, Mitgründerin der Firma Adenion und des Online-Dienstes PR-Gateway, und weiter: "Content ist Inhalt, der Mehrwert durch praxisorientierte Informationen bietet: Fachartikel, Präsentationen, Studien, Leitfäden, Checklisten, Anwenderberichte, Empfehlungen. Sie lassen sich auf Wirtschafts-, Fach-, Presse- und Bewertungsportalen platzieren und/oder als Videobeitrag auf YouTube & Co. einstellen."

Das primäre Ziel von Content-Marketing besteht darin, Aufmerksamkeit zu generieren, Vertrauen zu entwickeln und Reputation in der Öffentlichkeit aufzubauen. Ferner sollen Geschäftspartner durch interessante Inhalte, wertvolle Hilfestellungen und unterhaltsame Begebenheiten während des Kaufentscheidungsprozesses und weit darüber hinaus an ein Unternehmen gebunden werden. Durch den kostenlos verfügbaren qualitativ hochwertigen Content baut man Expertise auf, erzeugt Mundpropaganda und hebt sich zudem von seinen Wettbewerbern positiv ab.

Content Marketing hat viele Facetten

"Im Gegensatz zu werbenden Techniken, wie Anzeigen, Banner oder Werbespots, stellen die Inhalte des Content Marketings nicht die positive Darstellung des eigenen Unternehmens mit seinen Produkten in den Mittelpunkt, sondern bieten nützliche Informationen, weiterbringendes Wissen oder anziehende Unterhaltung", heißt es dazu in der Wikipedia. Solcher Content muss dergestalt produziert werden, dass er das Markenprofil schärft und die Kompetenzen des jeweiligen Anbieters durch entsprechende Inhalte demonstriert, anstatt sie nur zu behaupten.

Ein Paradebeispiel für dieses Vorgehen dürfte das Stratos-Projekt des Energydrink-Produzenten Red Bull sein. Die Inszenierung des Fallschirmsprungs von Felix Baumgartner hat geschätzte 50 Millionen Dollar gekostet, doch der mediale Gegenwert dieser Aktion liegt bei einem mehrfachen davon. Unzählige Menschen verfolgten das Spektakel im Fernsehen oder klickten die diversen Videos an. Das Bravourstück gewann 830.000 Facebook-Fans, hunderttausende 'Likes' und war Thema Nummer eins auf Twitter. Zahlreiche Merchandising-Produkte mit dem Red Bull Stratos Logo sind im Handel. Baumgartner besuchte Talkshows weltweit und schreibt nun ein Buch. Das Risiko des Scheiterns war nicht unerheblich, doch der finale Erfolg könnte die Botschaft der Marke nicht besser tragen: Red Bull verleiht Flüüügel.

Content ist nur etwas wert, wenn er auch wahrgenommen wird. Um die anvisierten Zielgruppen zu erreichen, muss also Marketing für Content gemacht werden. Dies kann beispielsweise durch eine weitreichende Platzierung auf vielen verschiedenen Webpräsenzen geschehen. Auf diese Weise ist man auch in den Suchmaschinen besser sichtbar und kann potentielle Entscheider dort anzusprechen, wo sie sich aufhalten. So gewinnt etwa die auf Wirtschafts- und Medienrecht spezialisierte Anwaltskanzlei WBS Law schon jeden dritten neuen Mandanten durch die weit über 100 bei YouTube eingestellten Videos zu den unterschiedlichsten Rechtsfragen im Internet.

Die anderen sechs

Was es mit den übrigen sechs Prinzipien, nämlich inszenieren, aktivieren, involvieren, integrieren, co-kreieren und innovieren im Web-3.0-Zeitalter auf sich hat, ist in meinem neuen Buch ‚Touchpoints’ ausführlich beschrieben. Informationen unter: www.touchpoint-management.de (oe)

Die Autorin Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirtin, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Management-Consultant. Sie gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und zählt zu den gefragtesten Business-Speakern im deutschsprachigen Raum. Sie ist Gastdozentin an mehreren Hochschulen. Zum Touchpoint Management hält sie Vorträge und Workshops. Zu ihrem Kundenkreis gehört die Elite der Wirtschaft.

Das Buch zum Thema:

Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt, Gabal, 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86936-330-1. Ausgezeichnet als Mittelstandsbuch des Jahres und mit dem Trainerbuchpreis 2012