Alleinschuld des Ausfahrenden

Crash nach Ausfahrt aus Grundstück

23.06.2014 von Renate Oettinger
Die Ausfahrt aus einem Grundstück mit anschließendem Linksabbiegen kann unter bestimmten Umständen ein besonders gefährliches Fahrmanöver sein. Die Versicherung muss den Schaden voll übernehmen.

Wer trotz eines herannahenden Fahrzeugs mit seinem Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn einbiegt, um unmittelbar danach links abzubiegen, vollzieht ein besonders gefährliches Fahrmanöver. Auch nach Beendigung der Grundstücksauffahrt kann er für einen Zusammenstoß mit dem herannahenden und zum Überholen ansetzenden Fahrzeug allein verantwortlich sein.

Im Straßenverkehr herrschen fallweise erhöhte Sorgfaltspflichten, die versicherungsrechtliche Folgen haben.
Foto: lassedesignen - Fotolia.com

Darauf verweist der Bad Nauheimer Fachanwalt für Verkehrsrecht Romanus Schlemm, Vizepräsident des VdVKA - Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 5.05.2014 zu seinem Urteil vom 07.03.2014 (Az. 9 U 210/13).

Ende März 2012 bog die Beklagte aus Arnsberg mit ihrem Pkw Renault aus einer Grundstücksausfahrt nach links (stadteinwärts) auf die Rönkhauser Straße in Arnsberg ab, um nach etwa 14 m erneut nach links in die Straße "Am Wehr" abzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich, ebenfalls stadteinwärts fahrend, der Pkw BMW des Klägers aus Lüdenscheid auf der bevorrechtigten Rönkhauser Straße. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich der Straße "Am Wehr", nachdem das klägerische Fahrzeug zum Überholen des Fahrzeugs der Beklagten angesetzt hatte. Unter Hinweis auf den aus seiner Sicht allein von der Beklagten verursachten Unfall hat der Kläger seinen Gesamtschaden von ca. 6.500 Euro ersetzt verlangt.

Gericht sieht Alleinschuld

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat eine alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall bejaht. Ein Verschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs an dem Zusammenstoß sei nicht festzustellen. Demgegenüber liege ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten vor, das ihre alleinige Haftung für den Verkehrsunfall begründe.

Die Beklagte habe die beim Einfahren aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn gem. § 10 Straßenverkehrsordnung (StVO) geltenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen verletzt. Diese wirkten bei dem von ihr vollzogenen Fahrmanöver über den eigentlichen Vorgang des Einbiegens auf die Fahrbahn hinaus fort. Ihr Fahrmanöver sei anhaltend gefährlich gewesen, weil die Beklagte - obwohl sie den herannahenden Pkw des Klägers bemerkt habe - mit geringer Geschwindigkeit in die Fahrbahn eingebogen sei, um unmittelbar danach nach links abzubiegen. Dabei sei ihre Abbiegeabsicht für den nachfolgenden Verkehr nicht ohne weiteres zu erkennen gewesen. Ihre verlangsamte Fahrweise habe auch auf eine gemächliche Einordnung in den fließenden Verkehr hinweisen können, das für den nachfolgenden Verkehr rechtzeitig erkennbare Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe sie nicht dargetan.

Zweite Rückschau versäumt

Deswegen habe sie ihre Einfahrt auf die Fahrbahn bis zum Passieren des klägerischen Fahrzeugs zurückstellen oder sich besonders darüber vergewissern müssen, dass ihre Absicht links abzubiegen erkannt werde. Das habe sie versäumt und es zudem unterlassen, durch die zweite Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorganges noch einmal auf den rückwärtigen Verkehr zu achten. Ihr erhebliches Verschulden begründe die alleinige Verantwortlichkeit für den Unfall.

Schlemm empfiehlt, die Entscheidung zu beachten und in derartigen Fällen rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. - www.vdvka.de - verweist.

Weitere Informationen und Kontakt: Romanus Schlemm, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Vize-Präsident des VdVKA - Verband Deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V., Kanzlei Ruppert, Schlemm & Steidl, Frankfurter Str. 28, 61231 Bad Nauheim, Tel.: 06032 9345-21, E-Mail: Schlemm@anwaltshaus-bad-nauheim.de, Internet: www.anwaltshaus-bad-nauheim.de

Aktuelle Gerichtsurteile (und Analysen) – Teil 5 -
Ware kaputt – Anspruch auf Gewährleistung
Wer zahlt für den Aus- und Einbau beim Austausch defekter Ware? Ein leidiges Streitthema zwischen Verkäufer und Käufer, zu dem der EuGH Stellung genommen hat.
Keine Einsicht in Bewerbungsunterlagen anderer
Arbeitgeber müssen keine Informationen aus dem Bewerbungsprozess herausgeben und nicht offenlegen, ob und nach welchen Gesichtspunkten sie Bewerber eingestellt oder abgelehnt haben. Details von Eva Wißler.
Im Kassenbereich gestürzt – Betreiber trägt Mitschuld
Der Betreiber eines Baumarkts muss die Fußböden insbesondere im Kassenbereich seiner Geschäftsräume regelmäßig kontrollieren und die eine Rutschgefahr begründenden Verunreinigungen sofort beseitigen.
Verzicht auf Urlaubsabgeltung
Ist das Arbeitsverhältnis beendet und ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs entstanden, kann der Arbeitnehmer auf diesen Anspruch grundsätzlich verzichten.
Ferienhausvermietung übers Internet
Ein Vermieter von Ferienwohnungen muss in seiner Internetwerbung im Preis für die Wohnungen auch die zwingend anfallenden Kosten für die Endreinigung einrechnen.
"Sie können gehen – aber Ihr Xing-Account bleibt hier"
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Xing sind aus dem Berufsalltag von vielen Angestellten nicht mehr wegzudenken. Aber wem "gehören" die dort beruflich veranlassten Kontakte?
Abkehrwille rechtfertigt keine Kündigung
Grundsätzlich können sich Arbeitsunfähigkeit und die Teilnahme an einem Vorstellungstermin ausschließen. Doch es gibt Ausnahmen.
Streit über Angaben des Autoverkäufers
Immer wieder ist strittig, ob der Käufer eines Autos Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer wegen Nichterteilung der Umweltplakette in Anspruch nehmen kann.
Betriebsratswahl wegen Stimmabgabe unwirksam
Die Wahl eines Betriebsrats ist anfechtbar, wenn die Zahl der abgegebenen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen könnte.
Fahrradunfall ohne Helm – Mitschuld
Eine Fahrradfahrerin trifft bei einem Unfall ein Mitverschulden, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen hat (sogenanntes Verschulden gegen sich selbst).
Zweifel an der Radarmessung
Hans-Georg Herrmann befasst sich mit der Frage, ob der Verteidiger ein Recht auf Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes hat.
Bilder im Internet gestohlen – und was nun?
Fotos haben im Internet eine herausragende Bedeutung – und sorgen häufig für Streitfälle zwischen dem Urheber oder Rechteinhaber und demjenigen, der die Bilder unerlaubt verwendet hat. Wir geben Antworten zu rechtlichen Fragen.