Strategische Personalplanung

Customer Centricity – von außen nach innen denken

07.06.2017 von Monika Becker
Durch das Thema Customer Centricity werden Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Wer seine Kunden und gleichermaßen auch seine Mitarbeiter bei Innovationsprojekten von Beginn an mit ins Boot holt, kann nur gewinnen.

Bislang wurde in Unternehmen von innen nach außen gedacht und organisiert. Das Produkt wurde entwickelt, hergestellt und vermarktet. Im Mittelpunkt stand die Perfektionierung einzelner Komponenten aus Sicht des Herstellenden. Customer Centricity beschreitet exakt den umgekehrten Weg: Kundenbedürfnisse werden analysiert, in ein Produkt oder eine Dienstleistung übersetzt und Prozesse definiert, wie die Leistung am effizientesten erbracht werden kann. Der Fokus liegt jetzt auf der Optimierung der Gesamtlösung aus Sicht des Nutzenden. Wer seine Kunden und gleichermaßen auch seine Mitarbeiter bei Innovationsprojekten von Beginn an mit ins Boot holt, kann nur gewinnen.

Hauptvoraussetzung für Customer Centricity ist Agilität im Umgang mit Kunden.
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Eine der Hauptvoraussetzungen von Customer Centricity ist, dass Unternehmen agiler werden müssen, was die klassische Aufbauorganisation mehr und mehr in Frage stellt. Statt in Linien wird die Arbeit projektorientiert organisiert. Hierzu werden Pools von Kompetenzen, sogenannte 'Tower of Expertises' gebildet.

Die Kernaufgaben verlangen mehr Kreativität, gleichzeitig werden viele Dienstleistungen stark durch Marketing-Strategien geprägt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Unternehmen, die verstärkt auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen, ihren Produktverantwortlichen, CIOs und allen Stakeholder fundiertes Wissen über die neuen Kommunikationswege sowie Kanäle und auch strategischen Ausrichtungen mitgeben müssen.

Wettbewerbsvorteil durch strategische Planung

Der Weg zur Customer Centricity erfordert eine systematische, ganzheitliche Herangehensweise sowie eine kundenorientierte Denkweise von allen Führungskräften und auch Mitarbeitern.

Um diese Ansätze erfolgreich umzusetzen, finden sich bei klassischen Start-up Unternehmen oft viele Generalisten, da die Gesamtlösung im Mittelpunkt steht. Sie sind keine reinen 'IT-Nerds', dafür aber in der Lage, bereichsübergreifende Zusammenhänge - wie die Verzahnung von Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb - sowie alle weiteren beteiligten Fachbereichen zu verstehen und auch die erforderlichen Schritte erfolgreich in die Wege zu leiten.

Häufig sitzen die Generalisten zwischen zwei Stühlen, man sagt ihnen gerne nach, dass sie nichts richtig können, aber vieles gut. Hier trübt jedoch das Vorurteil oftmals die Realität, Goethe oder Da Vinci waren ebenfalls klassische Generalisten, dennoch aber auch wahre Genies in ihren Spezialgebieten.

Heutzutage werden vornehmlich Generalisten gesucht, die selbständig und verantwortlich handeln. Letztendlich werden aber dennoch verstärkt Spezialisten rekrutiert. Dies beruht zumeist darauf, dass häufig kurzfristige Personalbedarfe gedeckt werden sollen, die rein fachlicher Natur sind.

Customer Centricity sollte als Unternehmenskultur etabliert sein

Das Wissen über die Kundenbedürfnisse ist im Zeitalter der Digitalisierung ein großer Wettbewerbsvorteil und ist zunehmend Mittel zum Erfolg. Die Customer Centricity betrifft jeden Bereich im Unternehmen, es bedarf nicht nur guter Produkte nach außen, alle Bereiche und Funktionen innerhalb eines Unternehmens sollten auf die Bedürfnisse der Kunden eingestellt sein. Customer Centricity sollte in der Firmenkultur ein Selbstverständnis sein und auch Top-Down vorgelebt und realisiert werden, quasi als unternehmerische 'DNA'. Eine radikale Nutzerorientierung trägt dazu bei, Probleme und Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, aber auch Misserfolge bereits in der Produktentwicklung zu minimieren, was zu größeren Unternehmenserfolgen führt.

Eine erfolgreiche Customer Centricity setzt eine agile Organisationskultur voraus. Hierzu gehört neben einem ganzheitlichen Ansatz auch Mut und der Wille seitens der Führungskräfte, der Geschäftsführung und Gesellschafter, sich auf Experimente einzulassen, von denen man teilweise anfangs nicht weiß, ob sie auch erfolgreich werden.

Unternehmenserfolg setzt auch voraus, Generalisten an Bord zu holen

"Das ist zu teuer!" - 18 Antworten auf diesen Kundeneinwand
"Zu teuer? Im Vergleich zu was genau?"
"Teuer" ist ein relativer Begriff. Wenn Sie herausfinden, mit welcher Alternativlösung Sie Ihr Interessent vergleicht, können Sie in der Folge präzise den Mehrwert Ihrer Lösung, Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung darstellen.
"Wirklich? Wie kommen Sie zu dem Schluss?"
Diese Antwort führt dazu, dass Ihr Interessent seine Sicht begründet. Somit verstehen Sie die spezifischen Bedenken und Vorbehalte und können diese aufgreifen und entsprechend entkräften.
"Ich verstehe, Sie wissen: die besten Produkte/Lösungen benötigen in der Regel etwas mehr Budget."
Geoffrey James, Vertriebsexperte aus den USA, hat einmal gesagt, dass der Einwand "Preis" erst dann ernst zu nehmen ist, wenn der Interessent diesen Aspekt mindestens zwei Mal auf den Tisch bringt. Bedeutet, dass Sie mit dieser Aussage diejenigen Interessenten identifizieren, die entweder tatsächlich nicht genügend Budget haben oder aber diejenigen, die einfach mit dem Budget "spielen" möchten. Oftmals geht es danach ja eh in die Verhandlungsrunden mit dem Einkauf.
"Was bedeutet es für Sie, wenn Sie das Projekt nicht umsetzen - was ist die Konsequenz daraus?"
Einer meiner persönlichen Favoriten, denn durch diese Gegenfrage bringen Sie Ihren Gesprächspartner dazu, zu reflektieren, was passiert, wenn er Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt.
"Ist es eine Frage des Budgets oder des Cash Flow?"
Durch diese Frage finden Sie heraus, ob es dem Interessenten um einen Nachlass auf Grund mangelnder Budgets oder um eine Verlängerung des Zahlungsziels geht. Sobald Sie dies wissen, können Sie entsprechend gezielt in die weiteren Verhandlungen treten.
"Losgelöst von der Budgetfrage: Hilft Ihnen unser Produkt/unsere Dienstleistung, Ihre Herausforderung zu lösen?"
Eine direkte Gegenfrage, die konsequent und ohne Umschweife auf den Wert Ihres Produktes beziehungsweise Ihrer Dienstleistung abstellt. Dadurch stellen Sie die Werthaltigkeit wieder in den Fokus.
"Was genau ist zu teuer?"
Diese Gegenfrage führt dazu, dass Ihr Interessent erläutert, welche Teile des Angebotes ihm zu teuer erscheinen. Aussagen wie "Nun, das ist eine Menge Geld für etwas telefonieren" verdeutlicht mir beispielsweise sofort, dass der Interessent den Wert einer professionellen Kaltakquise für sich noch nicht erkannt hat und wahrscheinlich davon ausgeht, dass es sich um eine klassische Call Center Telefonie handelt.
"Zu Teuer? Das stimmt mich jetzt nachdenklich"
Nachdenklich - mit dieser Formulierung stellen Sie wieder auf die Wertigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung ab. Sie bringen zum Ausdruck, dass es für Sie gar nicht wirklich nachvollziehbar ist, dass ein Interessent den Wert nicht erkennt.
"Ist die Investition der einzige Aspekt, der Sie von einer Beauftragung abhält?"
Mit dieser Frage finden Sie heraus, ob es noch anderweitige Einwände gibt oder ob es tatsächlich "nur" um das Budget geht.
"Gut, ich verstehe. Auf welche Produktfeatures/Leistungsbestandteile können Sie am ehesten verzichten?"
Damit sagen Sie dem Interessenten, dass die Investitionshöhe unmittelbar mit der Werthaltigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung verbunden ist. Wenn der Kunde weniger zahlen möchte, dann sollte er sich darüber im klaren sein, dass er nicht die volle Gegenleistung erwarten darf.
"Ist es so, dass der Preis Sie davon abhält in das Produkt/die Dienstleistung zu investieren, die Ihnen wirklich weiterhilft?"
Hier gehen Sie latent auf das Thema "Geiz ist geil"/Billigkäufe ein, ohne es auszusprechen. Aber Sie sensibilieren Ihren Ansprechpartner nochmals zu diesem Thema. Darüber hinaus finden Sie mit dieser Frage heraus, ob Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung wirklich die beste Lösung für die Aufgabenstellung des Kunden ist.
"Bedeutet dies, dass wir niemals die Möglichkeit zur Zusammenarbeit finden?"
Colleen Francis von Engage Selling Solutions aus USA sagt, dass das Wort "niemals" ein maßgeblicher Trigger ist. "Niemals" ist ein sehr mächtiges Wort und die meisten Menschen mögen das Wort auch nicht. Daher werden viele der Interessenten mit "Naja, nein, niemals würde ich nicht sagen…" antworten. Und schon liegt der Ball wieder beim Vertrieb, da er nun in die konkreten Verhandlungen einsteigen kann oder aber das Gespräch und die Verhandlung tatsächlich komplett beenden kann.
"Welchen Return on Investment wünschen Sie sich genau?"
Diese Gegenfrage lenkt die Gedanken des Interessenten weg von "teuer" und "billig" hin zu dem langfristigen Wert, den Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung mit sich bringt.
"Verstehe ich richtig, dass unsere Preise im Vergleich zum Mitbewerb höher sind?"
Wenn Ihre Preise höher sind als die des Mitbewerbs, so dienst diese Gegenfrage dazu, direkt auf die Differenzierung zum Mitbewerb einzugehen.
"Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal in ein ähnliches Produkt/eine ähnliche Dienstleistung investiert?"
Oft haben Interessenten tatsächlich eine unrealistische Preisvorstellung, was ein gutes Produkt oder eine professionelle Dienstleistung kosten darf. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Interessent noch niemals ein vergleichbares Produkt oder Dienstleistung bezogen hat. Mit dieser Gegenfrage haben Sie die Chance derartige "Missverständnisse" auszuräumen.
"Wann haben Sie das letzte Mal etwas nur wegen des Preises gekauft?"
Auch hier geht es, ähnlich wie bei Punkt 11, um das "billig". Gerade im B2B-Umfeld kenne ich kaum verantwortliche Mitarbeiter, die sich damit rühmen "billig eingekauft zu haben". Vielmehr geht es darum Lösungen beschafft zu haben, die dem Unternehmen einen Mehrwert bringen.
"Ich verstehe Sie und ich hatte erst vor kurzem 2/3/4 Kunden wie Sie, die ebenfalls Bedenken wegen des benötigten Budgets hatten. Letztendlich haben sich diese Kunden doch entschlossen das Projekt umzusetzen und wissen Sie was daraus resultierte?"
Und dann setzen Sie das Gespräch mit einer eindrucksvollen Case Study fort, die belegt warum Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung sein Geld wert ist. Wichtig ist hierbei, dass es sich um "echte Case Studies" handelt, die Sie dem Kunden auch schriftlich nachweisen können.
"Wie verhält es sich beim Vertrieb in Ihrem Unternehmen? Verkauft Ihr Unternehmen seine Produkte/Lösungen/Dienstleistungen über den Preis?"
Ein weiterer Favorit von mir, eine Aussage, die ich als Joker immer gerne im Ärmel habe. Auch Ihre Kunden müssen Ihre Produkte/Dienstleistungen verkaufen und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erfolgt dies nicht über eine Billigpreis-Strategie.

Für einen kundenorientierten Strategieansatz empfiehlt es sich, die Personaldecke verstärkt mit Generalisten aufzustocken. Allerdings sind Generalisten nicht leicht zu identifizieren. Sie sind oft in mittelständischen und kleineren inhabergeführten Unternehmen und seltener in großen Konzernen anzutreffen, die aufgrund vieler Fachabteilungen gar nicht so sehr den Bedarf an solchen Allroundern haben, sondern verstärkt in die Tiefe, aber nicht so sehr in die Breite qualifizieren. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Allrounder häufig - zumindest zeitweilig - erfolgreich selbständig waren. Darüber hinaus gehen große Unternehmen mittlerweile dazu über, kleine, agile Unternehmen auszugründen, um Flexibilität und Kundenfokus zu erhöhen. Insofern ist bei modernen Großunternehmen über solche Intra-Company Bereiche ein möglicher Fundus an Kandidaten vorhanden.

Bei den Absolventen und den Young Professionals sind Generalisten eher die Ausnahme. Durch die Standardisierung der Studiengänge sind die Themenschwerpunkte stärker auf Fachgebiete und Regelstudienpläne fokussiert. Freie Gestaltung und damit einhergehend generalistisch breitere Studienfachwahl, wie sie noch vor der Bologna Reform möglich war, ist mittlerweile schwieriger und seltener. Damit ist die heutige Universitätslandschaft nicht konform zum eigentlichen Bedarf, der durch das Thema Customer Centricity und der digitalen Transformation besteht.

Auch die inhaltliche Bewertung der Lebensläufe erfahrener Fachkräfte und Manager hat sich gewandelt. Wurden in der Vergangenheit Tätigkeiten in unterschiedlichen Feldern wie zum Beispiel in der Entwicklung, im Produktmanagement oder Vertrieb als nicht stringent angesehen und teils negativ bewertet, ist im Customer Centricity Paradigma die Denkweise anders. Vor dem Hintergrund, dass hier eher ein fachliches Weitwinkel- statt eines Teleobjektivs hilfreich ist, wird ein breit aufgestellter Manager mit Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen oft die bevorzugte Wahl sein.

Bündelung der Digitalkompetenz

Sind die Leistungsträger rekrutiert und motiviert, hat das Unternehmen eine gute Startposition am Markt. Wenn das jedoch versäumt wurde, kann es leicht zu Verzögerungen in der Strategieumsetzung und somit zur Gefährdung des Unternehmenserfolgs kommen. Dies zu vermeiden, stellt Unternehmen vor eine strategische Herausforderung.

Ein weiteres Problem, das bei der Bindung und Gewinnung von Humankapital in Konzernen oder traditionsbewussten Großunternehmen oftmals auftritt, ist, dass die Entscheidungsträger deutlich älter als die Bewerber sind und diese primär nach konventionellen Fähigkeiten beurteilen. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber im Arbeitsumfeld der Digitalisierung sollten die klassischen Skills nicht alleine den höchsten Stellenwert haben, wenn es darum geht, Digitalkompetenz zu bündeln. Die besten Köpfe haben vielmehr ein breites Portfolio an Fähigkeiten. Jedes Unternehmen sollte sich bei der Auswahl der relevanten Profile selbst immer wieder kritisch hinterfragen, ob die Stellenbeschreibungen noch zeitgemäß sind.

Fazit

Strategische Planung von Humankapital, um für eine kundenorientierte Herangehensweise gerüstet zu sein, bedeutet insbesondere Weitblick, Investitionen und vor allem eine wohl durchdachte Gesamtplanung. Unternehmen, die dieses Feld vernachlässigen, werden vielleicht auf kurzfristige Sicht sparen, aber nie optimal und nachhaltig wachsen können. (oe)

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