Das Beuteschema im Vertrieb: Die erfolgversprechendsten Zielgruppen ermitteln

11.10.2007 von Bernhard Kuntz
Marketing- und Vertriebsexperten stehen im Arbeitsalltag meist vor der Frage: Wie können wir mit unserem begrenzten Budget an Geld und Zeit das Optimum erreichen? Von zentraler Bedeutung hierbei: das Ermitteln der erfolgversprechendsten Zielgruppe.

Wie schön und relaxt wäre die Arbeit von Marketing- und Vertriebsexperten, wenn ihnen unendlich viel Zeit und Geld zur Verfügung stünde. Dann wären die tollsten Marketing- und Vertriebsaktionen möglich, und alle Kunden könnten 1A betreut werden.

Doch im Betriebsalltag sind Finanzmittel und Zeit knapp. Das ist die Realität. Also nützt jammern wenig. Vielmehr müssen sich die Verantwortlichen fragen: Wie können wir mit unseren knappen Budgets an Geld und Zeit, das Bestmögliche erreichen?

Von zentraler Bedeutung ist hierbei vor Beginn einer jeden Marketing- oder Vertriebsmaßnahme das Ermitteln der erfolgversprechendsten Zielgruppe. Das ist jeweils die Teilzielgruppe unter den potenziellen Kunden, bei der die Erfolgsaussichten am größten sind.

Bei wem lohnt sich ein Engagement?

Ein Beispiel. Nehmen wir an, Sie arbeiten im Vertrieb einer Bank, und Ihr Job ist es, Fondanteile, Prämiensparpläne und Versicherungen zu verkaufen. Theoretisch könnten alle erwachsenen Bundesbürger Ihre Kunden sein. Doch wenn Sie an alle deutschen Haushalte einen Werbebrief senden, dann ist Ihr Marketingbudget nach der ersten Werbeaktion verbraucht (sofern es überhaupt dafür reicht). Also gilt es, aus der Vielzahl der potenziellen Kunden die Teilgruppen herauszufiltern, bei denen Sie die größte Chance auf einen Abschluss haben und die Sie effektiv bearbeiten können.

Eine solche Teilzielgruppe könnten zum Beispiel alle Erwachsenen im Rhein-Main-Gebiet sein. Oder alle Erwachsenen im Rhein-Main-Gebiet, die älter als 40 Jahre sind. Oder alle Erwachsenen im Rhein-Main-Gebiet, die älter als 40 sind und mehr als 4.000 Euro pro Monat verdienen. Je mehr Merkmale Sie kombinieren, umso kleiner und überschaubar wird Ihre Kernzielgruppe. Also können Sie diese auch mit einem bescheidenen Budget an Geld und Zeit intensiv bearbeiten. Ein weiteres Plus: Sie können Ihre Botschaften klarer und gezielter formulieren. Denn ihre Empfänger haben gemeinsame Merkmale. Also haben sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ähnliche Bedürfnisse und Probleme. Dieses Wissen können Sie zum "schärferen" Formulieren Ihrer Werbebotschaften nutzen.

Ein persönliches Beuteschema entwickeln

Eher durchschnittliche Marketer und Verkäufer gehen bei der Auswahl ihrer Zielgruppe zumeist nach dem Prinzip Zufall vor. Bei Spitzenkräften hingegen erfolgt die Auswahl anhand genau definierter Kriterien. Diese Kriterien sind zumeist das Ergebnis einer rationalen Analyse: Bei wem lohnt sich die Investition von Geld und Zeit?

Gute Marketing- und Vertriebprofis haben zudem aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrungen eine Art persönliches Beuteschema verinnerlicht - ähnlich wie ein Raubtier. Ein Löwe weiß: Mäuse jagen bringt mir nichts. Denn selbst, wenn ich eine Maus erlege, werde ich davon nicht satt - dafür bin zu groß. Also jagt er Zebras und Antilopen. Umgekehrt weiß eine Katze: Hasen und Rehe jagen bringt mir nichts. Die sind zu groß. Also jagt sie Mäuse und kleine Vögel. Und ein Reiher? Er weiß: Im Mäuse- und Vögelfangen bin ich schlecht, aber im Fischefangen bin ich Spitze. Also hat er sich hierauf spezialisiert.

Doch wie gelangen Sie zu einem solchen Beuteschema, das zu Ihnen und Ihrem Produkt passt? Ganz einfach, indem Sie sich zunächst fragen: Welche Merkmale kennzeichnen unser Unternehmen beziehungsweise unser Produkt? Hieraus können Sie ableiten: Welchen Mehrwert verglichen mit dem Mitbewerb bietet unser Unternehmen oder unser Produkt den Kunden?

Aus den Antworten auf diese Fragen können Sie wiederum ableiten, für welche Teilgruppe Ihrer potenziellen Kunden genau diese Faktoren interessant sind.

Weiche Faktoren berücksichtigen

Ein Fehler, der Verkäufern immer wieder unterläuft: Sie unterstellen potentiellen Kunden, dass sie sich nur für die technischen Merkmale der Produkte und deren Preis interessieren. Also jammern sie vielfach. Unsere Produkte sind teurer als die Konkurrenzprodukte, aber nicht besser. Das mag sein! Doch nicht für alle Kunden ist das höchste oder alleinige Ziel, möglichst wenig Geld zu zahlen. Möglicherweise legt beispielsweise der eine Kunde Wert auf die neueste technologische Ausstattung in seinem Rechner und ist bereit dafür einen höheren Preis zu zahlen. Für einen anderen ist möglicherweise der Service ausschlaggebend, den Ihr Unternehmen bietet. Und manchem ist es schlicht egal, ob er für seinen Drucker einige Euros mehr bezahlt - Hauptsache, er hat einen persönlichen Ansprechpartner. Also liegt es nahe, die Marketing- und Vertriebsaktivitäten auf diese Teilzielgruppen zu fokussieren, statt auf die "Schnäppchen-" und "Renditejäger".

Der persönliche Draht zur Zielgruppe

Beim Entwickeln Ihres Beuteschemas sollten Sie zudem beachten: Bei hochpreisigen und erklärungsbedürftigen Gütern hängt die Kaufentscheidung stark von der Beziehung des Kunden zum Verkäufer ab. Also wissen Top-Verkäufer genau: Zu welchen Kunden finde ich aufgrund meiner Persönlichkeit schnell einen Draht? Sind es eher die wertkonservativen Menschen? Oder die jungen Karrieretypen? Oder gut betuchte Senioren? Oder zu Männern und Frauen, für die ihre Familie an erster Stelle steht? Auf diese Teilzielgruppen spezialisieren sie sich. Bei ihnen legen sie sich besonders ins Zeug, weil sie wissen, dass Sie bei diesem Kundentyp am schnellsten und einfachsten zum Ziel kommen.

Zum Autor: Bernhard Kuntz, Darmstadt, ist Autor der Bücher "Die Katze im Sack verkaufen" und "Fette Beute für Trainer und Berater", Verlag managerSeminare, Bonn. Telefon: 06151/896 59-0; E-Mail: info@bildung-kommunikation.de; Internet: www.bildung-kommunikation.de (gn)