Betreiber offener WLAN-Hotspots

Das Ende der Störerhaftung – diesmal aber richtig!?

10.04.2017 von Paetrick Sakowski
Die große Koalition wollte die Störerhaftung längst abgeschafft haben, der Europäische Gerichtshof (EuGH) funkte dazwischen. Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium einen neuen Anlauf angekündigt.

"Störerhaftung abgeschafft" - damit rühmten sich die Beteiligten der großen Koalition nach der Verabschiedung des 2. Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes im Juli 2016. Die wesentliche Änderung dieses Gesetzes lag darin, dass die Haftungsprivilegien für Access-Provider ausdrücklich auch auf WLAN-Betreiber ausgedehnt wurden, die ihr Netz anderen zur Nutzung überlassen. Danach sollten WLAN-Betreiber genau wie sonstige Access Provider nicht auf Schadensersatz haften, wenn Nutzer zum Beispiel durch File-Sharing Urheberrechtsverletzungen über den WLAN-Zugang begehen.

Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollte damit auch die sogenannte Störerhaftung ausgeschlossen sein. Die Störerhaftung knüpft daran an, dass durch das Bereitstellen eines Internetzugangs eine potentielle Gefahrenquelle für Rechtsverletzungen der Nutzer geschaffen wird. Der Access-Provider hat daher bestimmte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um diese Gefahr möglichst zu minimieren. Kommt er seinen Pflichten nicht nach, können Rechteinhaber, die eine Rechtsverletzung über den bereitgestellten Internetzugang ermittelt haben, den Betreiber kostenpflichtig abmahnen und auf das Ergreifen angemessener Schutzmaßnahmen dringen.

Der Anbieter eines öffentlich zugänglichen WLAN haftet damit zwar nicht für Rechtsverstöße seiner Nutzer, muss aber den Zugang ausreichend sichern. Bei WLAN-Betreibern stand hier vor allem der Zugangsschutz durch die Vergabe von Passwörtern zur Debatte.

EuGH entscheidet sich für Passwortschutz

Der Gesetzgeber hatte darauf gesetzt, dass die Haftungsprivilegierung für Access-Provider auch die Störerhaftung umfasst. Die deutsche Rechtsprechung hatte diese Auffassung allerdings stets abgelehnt. Die Verfasser des Gesetzes fühlten sich jedoch in ihrer Auffassung dadurch bestärkt, dass in einem zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung noch laufenden Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) der Generalanwalt genau diese Ansicht vertreten hatte.

Es sei mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren, dass ein WLAN-Betreiber der Störerhaftung unterliege. Diese werde von der europarechtlich vorgegebenen Haftungsprivilegierung ausgeschlossen. Die Auffassung des Generalanwalts ist aber in keiner Weise verbindlich. Er macht lediglich einen umfassend begründeten Vorschlag, dem das Gericht häufig, jedoch bei weitem nicht immer folgt.

In der Sache McFadden entschied der EuGH genau entgegengesetzt - und ließ den deutschen Gesetzgeber damit im Regen stehen: Es müsse ein Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der WLAN-Betreiber und der Rechteinhaber geschaffen werden. Müssten die WLAN-Betreiber überhaupt keine Schutzmaßnahmen ergreifen, wären Rechteinhaber weitgehend schutzlos.

Andererseits dürfte der Zugang der Nutzer zu rechtmäßigen Inhalten nicht beschränkt werden. Der EuGH kommt in Abwägung dieser beiden Positionen dazu, dass ein Passwortschutz beim gewerblichen WLAN-Betrieb durchaus verlangt werden kann und der Betreiber gegebenenfalls auf Abmahn- und Gerichtskosten haftet.

Ein neuer großer Wurf?

Das Bundeswirtschaftsministerium hat nach der Entscheidung des EuGH schnell verlauten lassen, dass das Telemediengesetz erneut überarbeitet werden soll, um die Störerhaftung doch noch abzuschaffen. Nun liegt er nach längerer Wartezeit vor, der "Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes".

Wird die Störerhaftung nun also tatsächlich abgeschafft? Die aus juristischer Sicht zwingende Antwort kann nur lauten: nein! Wenn das Europarecht vorsieht, dass es einen fairen Interessenausgleich zwischen Netzbetreibern und Rechteinhabern geben muss, kann der deutsche Gesetzgeber nicht völlig einseitig zu Gunsten der Betreiber deren Haftung komplett ausschließen.

Der aktuelle Referentenentwurf versucht sich daher daran, diesen Interessenausgleich näher zu bestimmen und das Gewicht ein Stück weit zu Gunsten der Betreiber zu verschieben. So sollen Betreiber in keinem Fall "vor- und außergerichtliche" Kosten, das heißt Anwaltskosten, der Rechteinhaber tragen müssen. Was bleibt, sind Gerichtskosten, die Rechteinhaber dann geltend machen können, wenn Betreiber zum Ergreifen einer Schutzmaßnahme verurteilt werden.

Für einige Aufregung haben bereits die im Entwurf als einzige Schutzmaßnahme konkret benannten Netzsperren gesorgt. Demnach soll der Betreiber auch Inhalte sperren, wenn der Rechteinhaber "keine andere Möglichkeit hat, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen". Damit wird erstmals die Möglichkeit von Netzsperren kodifiziert.

Neu ist die Möglichkeit der Netzsperren allerdings nicht. Sowohl der EuGH als auch der Bundesgerichtshof (BGH) haben in jüngeren Urteilen Netzsperren als im Einzelfall zulässige Sicherungsmaß-nahmen anerkannt. Die Registrierung von Nutzern oder die Etablierung eines Passwortschutzes soll hingegen nach dem Gesetzesentwurf von Betreibern nicht verlangt werden können. Die Verfasser des Entwurfs sehen in den Netzsperren das "mildere Mittel" gegenüber diesen Maßnahmen, die den Betreiber zu stark in seinem Geschäftsmodell beeinträchtigen würden.

Ausblick

Ob der aktuelle Gesetzesentwurf in dieser Form verabschiedet wird, ist alles andere als gewiss. Neben einigen handwerklichen Unzulänglichkeiten wird der Entwurf eine Hoffnung auf jeden Fall enttäuschen: Die Störerhaftung wird durch den deutschen Gesetzgeber nicht abgeschafft werden. Sie ist europarechtlich vorgegeben und kann nur auf europäischer Ebene angegangen werden.

Der aktuelle Vorschlag schafft für die Betreiber von WLAN insofern mehr Rechtssicherheit, als dass sie für mangelnde Schutzmaßnahmen nicht kostenpflichtig abgemahnt werden können und im Falle eines Unterliegens vor Gericht nur die Gerichtskosten zu tragen haben. Ob allerdings der Vorrang der Netzsperren vor ein probates Mittel ist, darf bezweifelt werden. Netzsperren sind vor allem dann kein gangbarer Weg, wenn eine Seite nicht überwiegend rechtswidrige Inhalte bereitstellt.

Wird für diese Fälle, wie es der Entwurf vorsieht, auch der Passwortschutz und das Registrierungserfordernis ausgeschlossen, stellt sich die Frage, welche Schutzmaßnahme dann noch verlangt werden können. Eine derartige Ausgestaltung könnte daher am Ende erneut den EuGH beschäftigen. Rechtssicherheit sieht anders aus. (oe)