Waren im Wert von einigen Milliarden Euro dümpelten seit Wochen auf Schiffen der insolventen Frachtschiffreederei Hanjin vor den Häfen. Der Grund: Die Hafengesellschaften wollten die Schiffe nicht entladen, da die Entrichtung der Hafengebühren nicht gesichert war.
Da auch zahlreiche Elektronikartikel in den Hanjin-Containern lagerten, wurden Befürchtungen laut, dass es zu Engpässen im Jahresendgeschäft kommen könne. "Durch die Pleite der Hanjin-Reederei sind Waren im zweistelligen Milliardenumfang von Verzögerungen betroffen, überwiegend handelt es sich hierbei um Consumer Electronics. Es ist davon auszugehen, dass der amerikanische Markt stärker von der Pleite beeinflusst wird als der europäische Markt", erläutert Achim Reichstein, Einkaufsleiter bei Siewert & Kau. Er rechnet mit einer Beeinträchtigung des "Schnäppchenfreitag", dem wichtigsten Umsatztag in den USA am 24. November.
Distribution gibt Entwarnung
Nun gibt es vorsichtige Entwarnung: Die ersten Ladungen wurden bereits gelöscht und Hersteller sowie Distributoren haben sich zudem nach alternativen Lieferwegen umgesehen. So sind bei Tech Data nur wenige Bestellungen betroffen, was laut Product Marketing Director Oliver Kaiser aber keinen Einfluss auf die Verfügbarkeit habe. "Wir planen die Waren bereits sehr lange im Voraus und sind immer proaktiv mit den Herstellern und Logistikern im Austausch, um solche Fälle ohne Einfluss auf den Reseller oder Endkunden zu lösen", erklärt er. Es gebe immer noch ein Überangebot an Frachtkapazitäten bei anderen Reedereien. "Alle Hersteller haben direkt reagiert und sind auf andere Reedereien, Zug oder Air Freight gewechselt, um das Geschäft und den Supply nicht zu gefährden", weiß Kaiser.
Bei Ingram Micro konnte Wolfgang Jung, Executive Director Purchasing, ebenfalls keine negativen Auswirkungen auf die Lieferfähigkeit feststellen: "Wir hatten bisher keine Verzögerungen beim Zulauf von Waren und demnach auch keine Lieferengpässe. Natürlich beobachten wir die Situation weiterhin und stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten", meint Jung. Sollten wider Erwarten doch noch Störungen in der Lieferkette auftreten, könne man rechtzeitig durch alternative Beschaffungswege entgegenwirken. "Das Weihnachtsgeschäft sehen wir nicht gefährdet", beruhigt der Ingram-Chefeinkäufer.
Frachtraten steigen
Allerdings kommen nun durch die Hanjin-Pleite höhere Kosten auf die Kunden zu: "Die Frachtraten sind entsprechend angestiegen und werden die Endkundenpreise im Jahresendgeschäft nachhaltig beeinflussen", prognostiziert Siewert & Kau-Manager Achim Reichstein. Eine Entspannung der Frachtraten sei vorerst nicht zu erwarten.
Händlern rät Reichstein grundsätzlich in umsatzstarken Perioden frühzeitig zu bestellen und sich sinnvoll zu bevorraten. "Oftmals ist das für Fachhändler mit einem kleinen Lager allerdings eine große Herausforderung", räumt er ein. Man könne die Reseller aber mit einer besonders schnellen Lieferfähigkeit unterstützen.
Für Oliver Kaiser von Tech Data sollte es immer eine "enge Kommunikation und Abstimmung" mit der Tech Data-Sales-Abteilung geben, um Projektgeschäft nicht zu gefährden und benötigte Ware per Luftfracht einfliegen zu lassen oder auf alternative Hersteller oder Produkte auszuweichen zu können. "Bei Tech Data bieten wir Bill & Hold an, das heißt jegliche Ware kann für Projekte bei uns eingelagert werden, um die Verfügbarkeit sicher zu stellen", erklärt er. Zudem habe man in den letzten Wochen und Monaten die Verfügbarkeit der Broadline-Produkte "kontinuierlich merklich verbessert".