Gründe, Sozialauswahl, Betriebsrat

Das Wichtigste bei einer betriebsbedingten Kündigung

20.07.2018 von Christian Lentföhr und Michael Henn
Entschließen sich Unternehmen, angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage Mitarbeiter zu entlassen ("betriebsbedingte Kündigung"), gibt es einiges zu beachten – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.

Immer wieder stehen Unternehmen vor der unliebsamen Aufgabe, sich von Mitarbeitern trennen zu müssen. Entschließen sich Unternehmen, angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage Mitarbeiter zu entlassen, was eienr Kündigung aus betrieblichen Gründen entspricht, müssen sie mehrere Dinge beachten.

Eine betriebsbedingte Kündigung kann der Arbeitgeber zum Beispiel mit innerbetrieblichen Gründen rechtfertigen. Zum Beispiel mit einem Gewinnverfall, einem Mangel der Rentabilität des Betriebes oder mit hohen Bankkrediten bei hohen Zinsen, die schneller abgebaut werden sollen.
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1. Vier-Stufen-Prüfung

Eine ordentliche Kündigung ist als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG, wenn dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, weder ein anderer, gleichwertiger, freier Arbeitsplatz noch ein anderer, nicht gleichwertiger freier Arbeitsplatz vorhanden ist und die Sozialauswahl ordnungsgemäß vorgenommen wurde.

Hinzuweisen ist vollständigkeitshalber noch auf die Interessenabwägung, von der sich das Bundesarbeitsgericht zwar weitgehend verabschiedet hat, ohne sie aber völlig aufzugeben. Im Folgenden gehen wir auf diese vier Stufen bei der Kündigung genauer ein.

2. Dringende betriebliche Erfordernisse

Ob Arbeitsplätze weggefallen sind, lässt sich wegen des abstrakten Begriffsinhaltes regelmäßig nur feststellen, wenn man die jeweiligen Ursachen für deren Wegfall in Betracht zieht. Denn für die Begründung einer betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, den Wegfall eines Arbeitsplatzes zu behaupten, erforderlich ist vielmehr, den entsprechenden Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeit anhand überprüfbarer Daten nachvollziehbar zu objektivieren. Der Wegfall von Arbeitsplätzen kann durch innerbetriebliche oder außerbetriebliche Ursachen bewirkt werden.

2a. Unternehmerentscheidung

Das Bundesarbeitsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz, dass auch organisatorische (gestaltende) Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, seinen Betrieb zum Beispiel einem Rückgang oder einer verschlechterten Auftragslage anzupassen, nicht auf ihre Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit hin überprüft werden können.

Sachliche Gründe für Rationalisierungsmaßnahmen sind nicht gefordert und dann damit auch nicht zu prüfen. Es findet nur eine Missbrauchs-Kontrolle statt. Geprüft wird, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unvernünftig oder willkürlich ist.

2b. Außerbetriebliche Gründe

Wirkt sich ein außerbetrieblicher Umstand, wie etwa ein Rückgang der Auftragsmenge, unmittelbar auf die aktuelle verfügbare Arbeitsmenge aus und entschließt sich der Arbeitgeber, den Personalbestand dem reduzierten Beschäftigungsbedarf anzupassen, hält das Bundesarbeitsgericht eine den betrieblichen Bereich gestaltende Unternehmerentscheidung für gegeben.

2c. Innerbetriebliche Gründe

Die betriebsbedingte Kündigung kann der Arbeitgeber auch mit innerbetrieblichen Gründen rechtfertigen, zum Beispiel mit einem Gewinnverfall, Mangel der Rentabilität des Betriebes oder zum Beispiel mit hohen Bankkrediten bei hohen Zinsen, die schneller abgebaut werden sollen. Diese innerbetrieblichen Gründe haben zunächst keine Folgen für die Beschäftigung in Betrieb. Erst wenn der Arbeitgeber den Entschluss fasst, wegen dieser oder anderer Gründe im Betrieb zu reagieren, also zum Beispiel Organisationsentscheidungen trifft und damit entweder auf technischem oder organisatorischem Gebiet Veränderungen im Betrieb vornimmt, können sich Auswirkungen auf die Beschäftigung ergeben. Bei dieser Art von Entscheidung handelt es sich um unternehmerische Entscheidungen, die nur einer Missbrauchskontrolle unterliegen. Führt der Arbeitgeber Rationalisierungsmaßnahmen durch, so bedarf es dafür keines sachlichen Grundes.

3. Grundsatz der Erforderlichkeit

Der Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt die Prüfung vorrangig milderer Mittel.

3a. Fehlen eines anderen, gleichwertigen freien Arbeitsplatzes

Dringende betriebliche Erfordernisse sind nicht anzuerkennen, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz und in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Arbeitsplätze sind als frei anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Sofern der Arbeitgeber aber bei Ausspruch der Kündigung mit hinreichender Sicherheit vorhersehen kann, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird, ist ein derartiger Arbeitsplatz als frei anzusehen. Die Überbrückung des Zeitraums muss dem Arbeitgeber zumutbar sein. Als zumutbar hat das Bundesarbeitsgericht dabei einen Zeitraum angesehen, die ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde.

3b. Fehlen eines anderen, nicht gleichwertigen freien Arbeitsplatzes

Eine betriebsbedingte Kündigung ist sozialwidrig, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt, § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG. Der Arbeitnehmer hat aber keinen Anspruch auf Beförderung und damit auf Weiterbeschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz.

3c. Weiterbeschäftigung in einem Konzernbetrieb

Die Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist nicht konzernbezogen. Ein Konzernbetrieb kommt demgegenüber nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein anderes Konzernunternehmen sich ausdrücklich zur Übernahme des betroffenen Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder aber der Arbeitnehmer bereits nach seinem Arbeitsvertrag von vorneherein für den Unternehmens- und Konzernbereich eingestellt worden ist und sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Konzerngruppe einverstanden erklärt hat.

3d. Kurzarbeit

Nach einer Auffassung ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht gezwungen, zur Vermeidung von Kündigungen Kurzarbeit einzuführen, weil damit unzulässig in die Entscheidungsfreiheit seiner unternehmerischen Entscheidung eingegriffen wird (LAG Düsseldorf, DB 1984, 565). Nach anderer Meinung ist die Einführung von Kurzarbeit zwar grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, letztendlich trägt aber der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung seines Betriebes. Da die Einführung von Kurzarbeit mit erheblich höheren Produktionskosten verbunden sei, bleibe zweifelhaft, ob das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber die Nichteinführung von Kurzarbeit vorhalten können. Der Arbeitgeber sei auch während einer Kurzarbeitsphase berechtigt, innerbetriebliche Maßnahmen zu treffen, die über die Kurzarbeit hinaus zu einem endgültigen Wegfall von Arbeitsplätzen führen können. Der Kurzarbeit komme insoweit keine Sperrwirkung zu.

4. Sozialauswahl

Die Sozialauswahl ist nach dem ab 01.01.04 reformierten § 1 III KSchG anhand der in Satz 1 des § 1 III KSchG konkret benannten sozialen Gesichtspunkte Betriebszugehörigkeitsdauer, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung vorzunehmen. Gemäß Satz 2 des § 1 III KSchG sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten Interesse liegt.

In die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten sind alle Arbeitnehmer eines Betriebes einzubeziehen, deren Funktion auch von den Arbeitnehmern wahrgenommen werden können, deren Arbeitsplatz weggefallen ist. Diese Sozialauswahl ist betriebsbezogen, nicht Unternehmens- oder konzernbezogen, dies gilt auch bei einem betriebsübergreifenden Versetzungsrecht.

Betreiben mehrere Unternehmen einen einheitlichen Betrieb, sind im Rahmen der Sozialauswahl alle vergleichbaren Arbeitnehmer dieses einheitlichen Betriebes zu berücksichtigen, auch wenn sie in unterschiedlichen Unternehmen beschäftigt sind.

Im Rahmen eines Betriebsüberganges nach § 613 a BGB ist der Arbeitnehmer berechtigt, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Tut er dies, kann er sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nur dann auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen, wenn für seinen Widerspruch ein sachlicher Grund vorliegt. Im übrigen bedarf der Widerspruch keines sachlichen Grundes.

Nach der Kündigung
Wie Betroffenen auf Kündigungen reagieren
Wenn ein Personalabbau angekündigt wird, verfolgen die Mitarbeiter oft zunächst die "Vogel-Strauß-Taktik". Sie gehen in Deckung und hoffen, dass der Krug an Ihnen vorübergehen möge. Steht fest, wer das Unternehmen verlassen muss, spaltet sich die Belegschaft in Betroffene und Nicht-Betroffene.
Der Gefasste ...
... der wenig Emotion zeigt.
Der Geschockte ...
... der Mitleid erregt.
Der Hysterische ...
... den Hysterischen, der emotional diskutiert.
Der Verhandler ...
... der rational das Gespräch sucht.
Der Zyniker ...
... der schon immer alles kommen sehen hat und weiß, wer daran schuld ist.
Der Bettler ...
... der mit seinen Unterhaltsverpflichtungen und seiner Loyalität argumentiert.

Ob ein sachlicher Grund für einen Widerspruch vorliegt, soll sich an dem Maßstab des Paragrafen 242 BGB messen lassen. Dabei wird man einen Widerspruch für sachlich gerechtfertigt halten, wenn etwa der Unternehmenserwerber für Insolvenzen bekannt ist oder die Stilllegung des Betriebsteils bei einem Übergang bereits feststeht.

Probleme bei Massenentlassungen

Wie bei jeder betriebsbedingten Einzelkündigung hat auch bei der betriebsbedingten Massenentlassung die Sozialauswahl stattzufinden. Die Probleme, die die betriebsbedingte Einzelkündigung für die Sozialauswahl mit sich bringt, potenzieren sich bei Massenentlassungen allerdings in praktisch kaum noch zu bewältigender Weise. Deshalb hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass sich Arbeitgeber und – sofern vorhanden – Betriebsrat in einem Interessenausgleich auf eine Namensliste einigen, die dann als sozial gerechtfertigt gilt, § 1 Abs. 6 KSchG.

5. Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen der betriebsbedingten Kündigungsgründe im vollen Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Für die Frage des Vorliegens einer Arbeitsplatzalternative gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Deshalb liegt es zunächst dem Arbeitnehmer, konkrete Vorstellungen zu Möglichkeiten anderweitiger Beschäftigung zu äußern und deutlich zu machen wie er sich seine Weiterbeschäftigung vorstellt. Erst daraufhin hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, weshalb diese Vorstellungen nicht zu realisieren sind. Bestreitet der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Sozialauswahl und nennt er andere Arbeitnehmer, die weniger schutzbedürftig sein sollen als er, reicht es aus, wenn der Arbeitgeber dies substantiiert bestreitet. Dem Arbeitnehmer obliegt dann letztendlich die Beweispflicht.

6. Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrates

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein vorhandener Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Ein ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist schlechthin unwirksam, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Daher ist der Betriebsrat auch dann anzuhören, wenn für den betroffenen Arbeitnehmer weder der allgemeine noch der besondere Kündigungsschutz greift. Die Anhörung ist vor jeder ordentlichen, außerordentlichen wie vor einer Änderungskündigung erforderlich.

Dem Betriebsrat sind alle Kündigungsgründe mitzuteilen, auf die sich der Arbeitgeber stützen will, d. h. die Gründe, die aus der subjektiven Sicht des Arbeitgebers die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Er ist nicht verpflichtet, etwa bestehende anderweitige Kündigungsgründe mitzuteilen.

Ein Anhörungsverfahren ist immer dann ordnungsgemäß im Sinne des § 102 BetrVG, wenn der Arbeitgeber die aus einer subjektiven Sicht für den Kündigungsentschluss maßgebenden Umstände mitgeteilt hat. Stellt sich im späteren Verfahren heraus, dass objektiv kündigungsrechtliche erhebliche Tatsachen nicht mitgeteilt worden sind, führt dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung, sondern allein dazu, dass der Arbeitgeber diesen Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht zur Begründung der Kündigung heranziehen kann.

Wichtig ist die Art und Weise, wie der Betriebsrat informiert wird. Hier stellt sich die Frage, ob die Information schriftlich oder mündlich erfolgen soll. Eine Schriftform ist grundsätzlich nicht erforderlich, dafür sprechen Beweiszwecke für das schriftliche Verfahren, für eine mündliche Anhörung die größere Flexibilität. Erklärungen sind allein gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden abzugeben.

Der Betriebsrat muss über die beabsichtigte Kündigung beraten. So weit ihm dies erforderlich erscheint, soll er vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. Unterlässt er dies, ist das Anhörungsverfahren deshalb nicht fehlerhaft.

Eine Woche Frist

Hat der Betriebsrat gegen die Kündigung bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen, § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

Erklärt sich der Betriebsrat innerhalb einer Woche nicht abschließend, sondern begehrt im Rahmen der Wochenfrist weitere Informationen, so kann eine weitere Wochenfrist zu laufen beginnen.

Dies hängt davon ab, das Verlangen des Betriebsrates nach weiterer Information berechtigt ist.

Die Kündigung darf nicht ausgesprochen werden, bevor die Stellungnahmefrist des Betriebsrates abgelaufen ist. Unter Ausspruch der Kündigung versteht das Bundesarbeitsgericht nicht etwa deren Zugang beim Empfänger, sondern bereits das Abschicken des entsprechenden Schriftstückes. (oe)