Mittags in Deutschland

Der Obelix-Effekt – wer geht mit wem zum Essen?

13.03.2012
Jeden Tag stellen sich viele Arbeitnehmer die gleiche Frage: Wie und mit wem soll ich meine Mittagspause verbringen?

Jeden Tag stellen sich viele Arbeitnehmer die gleiche Frage: Wie und mit wem soll ich meine Mittagspause verbringen? Jochen Mai, Bestsellerautor und Herausgeber der Karrierebibel, weiß, warum das Essen ganz allein im Büro Karrierechancen kostet.

Mittagspausen sind mehr als Bewegungstherapie und Frischzellenzufuhr: Sie sind ein soziales Happening. Wenn Sie denken, die Mittagspause allein am Schreibtisch zu verbringen – entweder weil Sie schmollen oder weil Sie ach so viel zu tun haben –, würde Ihr Image als besonders engagierter und fleißiger Mitarbeiter verbessern, dann liegen Sie falsch. Aber so richtig. Im Büro zu essen, mag billiger sein, trotzdem kostet es: Nerven, Gesundheit, Freunde – Karrierechancen sowieso.

"Wer geht mit?", ist vielleicht die häufigste Frage mittags um halb eins in Deutschland. Und vielleicht ist es auch eine der am meisten frustrierenden Erfahrungen, wenn man selbst nie gefragt wird, ob man mitkommen und mitessen will. "Obelix-Effekt" heißt das im Psychojargon. Regelmäßig muss der dicke Gallier neidvoll zuschauen, wie seine Freunde beim Zaubertrank-Ausschank zusammenkommen – nur er darf nicht. Wahrscheinlich hat das jeder schon einmal erlebt und sich anschließend über den gemeinen Ausschluss und den damit empfundenen Statusverlust auf der Beliebtheitsskala geärgert.

Wer speist mit wem? Wer wird mittags umworben? Wer unterhält die Gruppe? Wer wird beklatscht? Wer darf zu spät kommen – und trotzdem warten alle huldvoll auf ihn? All das sind untrügliche Indizien für die Rangordnung im Bürogehege, vom Alpha-Tier bis zum Tetra-Pack. Rein mikropolitisch betrachtet, ist das ein völlig normales Ränkespiel. Eines, an dem man aber auch schlecht vorbeikommt.

Die Erfahrung lehrt: Wer zwischen Tastatur und Tacker seine Tupperdose auspackt, sieht irgendwie uncool aus. Und, glauben Sie mir, sollte der Chef dann zufällig ins Büro stürmen, lässt Sie das das Klappbrot im Mundwinkel auch nicht souverän wirken.

Mal ehrlich: Wenn Sie an jemanden denken, der vor seinem Schreibtisch in eine Leberwurststulle beißt und dabei in eine bunte Plastikbox schaut, sehen Sie dann vor sich den dynamischen Aufsteiger, einen allseits beliebten wie gefragten Kollegen, der nächstes Jahr die Verantwortung für 300 Mitarbeiter bekommt? Oder sehen Sie eher den phlegmatischen Pullunderträger? Eben.

Tupperdose, Masturbation, Investition

Tupperdose mit belegtem Brot: kein Zeichen für Engagement und Erfolg
Foto:

Solche Bilder brennen sich unweigerlich in die Netzhaut der Kollegen. Sie haben sie hundert Mal in Filmen gesehen und deswegen prägen sie irgendwann auch Ihr Image. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist völlig okay, sich sein Essen ins Büro mitzubringen oder auch mal ein Office-Lunch zu zelebrieren. Aber was, wo und mit wem Sie essen, übermittelt immer auch eine subtile Botschaft, wer Sie sind und wer Sie sein könnten. Und belegtes Brot an Tupperdose ist nun mal nicht das Bild für Engagement und Erfolg.

Dasselbe gilt übrigens auch für Pizza, eine Fünf-Minuten-Terrine oder Currywurst mit Pommes "Schranke". Pizza und Pommes verbieten sich freilich noch aus einem anderen Grund: Sie miefen. Und die Kollegen finden es sicher gar nicht dufte, derlei Dünste nach der Mittagspause zu inhalieren. Wenn Sie sich also schon Essen ins Büro bestellen, dann vielleicht eher so etwas wie Sushi. Das verströmt zumindest die Aura von Weltoffenheit, Kreativität – und Wasabi.

Die zweite Subbotschaft von Selbstgemachtem (oder Selbstbestelltem) ist fast noch schädlicher: Wer sich sein Essen ins Büro mitbringt, isoliert sich freiwillig. Indirekt sagt er: "Ihr braucht mich erst gar nicht zu fragen, ob ich mitkomme. Ich hab schon alles, was ich brauche." Ein Riesenfehler!

Alleine zu essen ist wie Masturbation – man ist zwar hinterher entspannt, so recht befriedigt aber nicht. Es fehlt der soziale Kontakt. Zudem verpassen Sie auf diesem Weg zahllose Gelegenheiten, neue Kontakte zu knüpfen oder alte zu vertiefen. Sie könnten in der Mittagspause zum Beispiel Kunden näher kennenlernen oder herausfinden, wie Sie in Zukunft besser zusammenarbeiten. Oder Sie verabreden sich mit Kollegen, mit denen Sie sonst nicht viel zu tun haben. So lernen Sie das Unternehmen besser kennen und erfahren womöglich eine wichtige Sache, die Ihnen im Job weiterhilft.

Sehen Sie das Mittagessen doch mal als Investition: Es kostet Sie maximal 90 Minuten, dafür erhalten Sie ein wachsendes und immer festeres Netzwerk, gewinnen womöglich neue Einsichten und Freunde. Vermeiden Sie aber bitte trotzdem, ständig über Geschäftliches zu reden. So schalten Sie nicht ab – und langweilen Ihr Gegenüber.

In ein kulinarisches Meeting mit Externen sollten Sie jedoch immer vorbereitet gehen. Dazu gehört eine Portion Smalltalk genauso wie eine Prise Selbstpräsentation. Falls Sie mit demjenigen, mit dem Sie die Pause teilen, schon öfter zu tun hatten, sorgt es für zusätzlichen Pep, wenn Sie an ein paar Details der vergangenen Gespräche anknüpfen – und sei es nur, dass Sie sich (namentlich!) nach den Kindern erkundigen.

Und falls Sie sich diese Dinge nicht merken können, dann fragen Sie wenigstens. So vermitteln Sie zumindest Interesse an der Person - und das schmeichelt jedem. Achten Sie bei der Bestellung außerdem darauf, dass Sie weder zu große Portionen noch komplizierte Speisen ordern. Bei einem solchen Business-Lunch geht es nicht vorrangig darum, bis zum Abend satt zu bleiben, sondern um Konversation und Kontaktpflege. (tö)

Autor des Beitrags ist Jochen Mai, Herausgeber der Karrierebibel.