Schlucken oder nutzen?

Der richtige Umgang mit Feedback

12.03.2015 von Renate Oettinger
Wenn der Chef ein Feedback erteilt, dann sollte man wohl besser ruhig sein und dankbar nicken. Nur – ist das eine nützliche Haltung? Und falls nein, gibt es einen anderen, besseren Weg? Dieser Frage gehen Chris Wolf und Heinz Jiranek nach.

"Du musst Feedback ehrfürchtig annehmen, zumindest muss es so aussehen. Also halte einfach den Mund und blicke ergriffen." Etwa so kann man die gängige Vorstellung vom geziemenden Umgang mit Feedback zusammenfassen. So lernt man das ja auch im Seminar, so wollen es die gepriesenen Feedback-Regeln. Man muss demütig dankbar sein und sagt besser nichts! Umso mehr gilt dies, je größer die hierarchische Distanz zum Feedback-Geber ist. Wenn der Chef ein Feedback erteilt, dann sollte man wohl besser ruhig sein und dankbar nicken. Nur - ist das eine nützliche Haltung? Und falls nein, gibt es denn einen anderen, besseren Weg?

Feedback anzunehmen ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren von Unternehmen.
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Es gibt ihn, allerdings erfordert er etwas Mühe. Wir behaupten, dass das Annehmen von Feedbacks von zentraler Bedeutung nicht nur für die Kommunikation, sondern für das Funktionieren von Unternehmen ist. Damit muss es zu den Kernkompetenzen für Führungskräfte und Mitarbeiter gezählt werden. Unser Ansatz des Resonanz-Feedbacks schaut auf den Prozess der Übertragung von Feedbacks und liefert auch zum Annehmen von Feedbacks pragmatische Ansätze. Auf ein Hochglanzposter mit einer niedrig einstelligen Anzahl simpler Regeln passen diese jedoch nicht.

Hier geht es primär um Feedbacks in hierarchischen Kontexten, in denen unterschiedliche Dominanzverhältnisse eine Rolle spielen und das Feedback mit entsprechender Durchschlagkraft versehen, die sich in der Ansprache von Oben nach Unten immer einstellt. Sinngemäß sind die Überlegungen jedoch übertragbar auf alle Bereiche des Feedback-"lebens".

Drei Perspektiven: "Man weiß ja, von wem es kommt!"

Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Perspektiven, aus denen man ein Feedback anschauen kann: Was sagt das Feedback über einen selbst, den Feedbacknehmer? Was geht in ihm /ihr vor? (z.B.: "Oh nein, ich wusste, dass er, der Feedbackgeber merkt, dass ich das alles eigentlich gar nicht kann! Ich bin die falsche Besetzung für die Stelle!") Was sagt es über den Feedbackgeber? (z.B.: "Na, wenn der das sagt… da weiß man ja, von wem es kommt!" oder: "Aha, jetzt weiß ich, was ihm wichtig ist.")

Und was ist schließlich der Inhalt des Feedbacks? Sinnvoll ist letztlich die Betrachtung aller Aspekte, wobei der Inhalt nur dann zur Nutzung gebracht werden kann, wenn man die beiden anderen Perspektiven angemessen berücksichtigt. Diese ist aber nur möglich, wenn man sich der beiden anderen Foki auch bewusst ist und hier seine Wahrnehmungen sortiert und Entscheidungen trifft. Hier ist tatsächlich Arbeit gefordert: Denkarbeit und Emotionsarbeit. Das gilt übrigens für Feedbacks mit positivem Inhalt genauso wie für Feedbacks mit negativem Inhalt.

Wir haben unserem Ansatz die Bezeichnung "Resonanz-Feedback" gegeben. Denn erfolgreiche Feedbackprozesse sind getragen von großer Aufmerksamkeit auf alles, was mitschwingt.

Die zehn häufigsten Fehler der Chefs
1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund.
2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen.
3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen.
4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge.
5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird.
6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund.
7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist.
8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit.
9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich.
10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.

Kränkung: Enttabuisieren!

Die erste dieser Schwingungen ist wohl in der potenziellen Kränkung zu finden, die jedem Feedback innewohnt. Damit meinen wir den schmerzhaften Blick oder "Angriff" auf das Allerheiligste der Persönlichkeit, auf das, was uns ausmacht. Wenn ein Feedback unserem Selbstbild nicht entspricht, dann treten Nachdenkarbeiten in Gang. Dabei wird ganz häufig unser Selbstbild als "bedroht!" wahrgenommen, geschützt und reflexartig verteidigt.

Ich stelle mir das - in Analogie zum Immunsystem - so vor, dass der Fremdkörper "Kränkung" und eben manchmal auch ein "Feedback" herausgeeitert werden muss! Das, was da von außen kommt, das darf einfach nicht wahr sein, sonst wäre Ich nicht Ich, sondern ein Mosaik aus fremden Definitionen; deshalb werde ich sauer und hoffe, die Säure kann das Fremde, das von außen Kommende zersetzen, als etwas, das nicht zu mir gehört. Dies kann man zum Beispiel erreichen, indem man erst gar nicht den Inhalt betrachtet, sondern einfach den Feedbackgeber abwertet.

Um die eigene Identität zu wahren, rechtfertigen wir uns, das heißt, wir fertigen uns das Recht selbst, und damit legitimieren wir unser Tun. So schützen wir unser Ich, die Grundfeste der Persönlichkeit.

Kurz: Gekränkt zu sein und Widerstand zu spüren, wenn mir etwas nicht passt (= etwas nicht zu mir passt = es also einen Fremdkörper darstellt), das ist ein normaler und vollkommen gesunder psychischer Vorgang. Denn die Kränkung schützt, indem sie die Ursache nach außen hin - zum Verursacher der Kränkung - verweist.

Abwehr der Kränkung: Widerspruchsreflex und Auseinandersetzung

Zu uns selbst sagen wir dann: "Da irrt er sich aber gewaltig!", "Sein Feedback geht völlig an der Wirklichkeit vorbei!", "Sie sollte erst mal vor ihrer eigenen Haustür kehren!", "Was sie da sagt, wird mir ja gar nicht gerecht. Andere sehen das ganz anders!", "Das muss ich mir doch nicht länger anhören!" Zugegeben, wir übertreiben, und es wird nicht immer so sein. Aber es wäre merkwürdig, wenn das nicht doch oft genau so wäre und wir selbst einem Feedbackgeber gegenüber, den wir schätzen, auf den wir hören, kritisches Feedback abwehren würden, insgeheim und im Inneren. Diese Tendenz zum Widerspruch, zum Widerstand, zur Abwehr erfolgt nahezu reflexhaft und damit allzu häufig unreflektiert.

Erst wenn man sich dieser inneren Resonanz achtsam bewusst wird, ist man in der Lage, dem Widerspruchsdrang zu widerstehen. Erst wenn man sich als Feedbackempfänger eingesteht, dass es einem mit Feedback nicht gut gehen muss, erst wenn man verstanden hat, dass das sogenannte konstruktive Feedback meist für den konstruktiv ist, der es gibt, aber nicht unbedingt für den, der es bekommt, erst dann kann man hinhören, obwohl es vielleicht weh tut. Als Feedbacknehmer darf man sich auseinandersetzen und man darf auch sprechen, wenn man ein Feedback erhält. Nur den direkten Widerstand, den halten wir für nicht zielführend.

Mittel des Nutzens: Frage und Bewusstmachen

Dabei hilft - mehr als dem Widerspruchsimpuls nachzugeben - oft ein ganz einfaches Mittel: Die Frage. Als Instrument zur Selbst- und Impulskontrolle nutzt sie selbst dann, wenn man gar nichts wissen will! Als Odysseus sich an den Mast binden ließ, um sich nicht der Verführung der Sirenen, genauer seiner eigenen Emotionen den Damen gegenüber, preiszugeben, hat er ähnlich gehandelt. Er hat sich an etwas gebunden, um sich zu retten, - bei offenen Ohren übrigens. Die Frage als Kommunikationsmittel verschiebt auch den Kommunikations-"druck" zum anderen. Er muss nun nachdenken, präzisieren, erklären, verdeutlichen. Und während das geschieht, verliert das als bedrohlich empfundene Feedback oft seinen erlebten Angriffscharakter. Und ganz nebenbei: Es wird dadurch oft deutlich mehr Klarheit geschaffen, als dies mit einer ersten Formulierung des Feedbackgebers der Fall gewesen wäre. Noch besser natürlich, wenn das Feedback Ihre Neugier trifft. Wie kommt er darauf? Was meint sie damit? Worauf bezieht er sich? Was hat sie denn da am meisten beschäftigt?

Mithin teilt der Feedbackgeber über sich mindestens genau so viel mit, wie über mich. Als Feedbackempfänger erfahre ich die Bewertungen, die Maßstäbe, die Empfindlichkeiten, die Wünsche meines Feedbackgebers. Und das macht den Austausch interessant!

Zum nützlichen Annehmen von Feedback gehört also das Bewusstmachen der inneren Prozesse, die beim Auseinandersetzen erfolgen und es gibt ein paar Kommunikationsmittel, wie Fragen, die hilfreich sind. Entscheidend ist jedoch die innere Haltung, mit der man dem Feedback begegnet.

Arbeiten an der inneren Haltung

Zur inneren Haltung des Feedbackempfängers gehört es also, Feedbackprozesse einfach als Austausch von Vorurteilen zu begreifen. Als den Vergleich unterschiedlicher Perspektiven, von denen keine wahr sein wird. Beide zeigen eben Blickwinkel, und das ist vollkommen legitim.

Zur inneren Haltung des Feedbackempfängers gehört auch, dem Feedbackgeber nicht die perfekte Formulierung des Feedbacks abzuverlangen. Er drückt sein Anliegen so aus, wie er es eben ausdrückt. Die Haltung hieße vielleicht: Auch wenn's mir nicht passt, auch wenn mir der Ton, das Beispiel nicht gefällt, aber mich interessiert schon, wie der andere zu seinem Urteil kommt.

Zur Haltung im Resonanz-Feedback gehört es, sich bewusst zu machen, dass der Feedbackgeber energetischen Aufwand betrieben hat; selbst wenn Art und Inhalt des Feedbacks uns nicht gefallen: ist es erst einmal geäußert, dann "kann man drüber reden".

Natürlich kann das nur klappen, wenn für kommunikative Bewegungsfreiheit der Beteiligten gesorgt ist. Ein vorschnelles, gegenseitiges Unterbrechen und schnell aus der Hüfte geballertes "Das war ganz anders …" oder ein Das-sehen-Sie-falsch-Geschoss engt ein und begrenzt. Somit gründet Resonanz-Feedback auf einem simplen aber unabdingbaren Übereinkommen: Wir sind beide dran, und zwar nacheinander. Der eine spricht, der andere hört. Der andere spricht, der eine hört. Und wenn einer sich das Recht fertigt, seine Sicht auf die Dinge zu äußern, dann darf muss dasselbe Recht auch für den anderen gelten.

Annehmen von Feedback mit positivem Inhalt

Gilt dies denn nur für negatives Feedback? Keineswegs. Das Annehmen von Feedback mit positivem Inhalt ist mindestens ebenso schwierig. Dem Empfänger wird es gut tun, solches zu hören. Und doch setzt hier etwas ein, was der Philosophie des Resonanz-Feedbacks zuwider läuft. Es greift die schüchterne Berührtheit des Komplimentempfängers. Innerlich oder äußerlich rot werdend, retten wir uns mit einem "Danke, ja, klar, ähm, gerne!" Fishing for Compliments, das ist unanständig, hat man uns beigebracht. Resonanz-Feedback aber "fordert" gerade dieses Fishing. Ja, wir halten es nicht nur anständig, sondern sogar für notwendig und zielführend, Rückmeldungen, die uns gut tun, offen anzunehmen und sie zu hinterfragen!

Denn häufig sind "positive" Feedbacks - weil (leider) ungewohnt - auch mit einer gewissen Peinlichkeit auf Seiten des Feedbackgebers verbunden und kommen daher in der Form generalisierenden Lobs daher. "Bei unserem CRM-Projekt, da haben Sie sich richtig reingehängt, wollte ich Ihnen nur sagen. Klasse!" Die kommunikativen Weichzeichner verwischen das Detail. Was genau gemeint ist, bleibt im rosa Nebel verborgen. Was heißt reingehängt? Durch die Arbeitsleistung? Die Art, das Projekt zu strukturieren oder die betroffenen Kollegen mitzunehmen? Durch den klaren Informationsfluss? Durch die Detailkenntnis? Durch die Art und Weise der Präsentation oder der Dokumentation? Oder ist gar gemeint "übertrieben reingehängt"? Hat das "Reinhängen" gereicht? Wie bewertet mein Feedbackgeber den Erfolg? Und, und, und. So kann ein sehr interessantes Gespräch entstehen, und man wird viel über sich erfahren.

Beim Annehmen von "positivem" Feedback gilt es noch eine zweite Hürde zu nehmen. Es gilt, sich klar zu machen, dass das diese Form des Nachfragens keine schlafenden Hunde wecken wird. Warum? Ganz einfach: Die Hunde schlafen nicht!

Resonanz-Feedback will positiver Wirkung ein großes Gewicht geben. Der Feedback-Empfänger nimmt Feedback, das er als positiv empfindet, nicht nur an, sondern er unterstützt den Feedbackgeber dabei, es zu präzisieren.

Fazit: Resonanz zulassen

Um mit Feedbacks so umzugehen, dass ein Nutzen entsteht, gilt es also, etwas über Kränkungen zu wissen und über den eigenen Umgang damit. Das Begreifen von Feedback als Austausch unterschiedlicher Perspektiven (und niemals der "Wahrheit") erfordert schlicht neben dem Verstehen auch Übung. Es gilt, dem Feedbackgeber mit einer angemessenen Milde gegenüberzutreten, was Formulierungen betrifft. Man darf und sollte darüber reden können, vor allem, wenn man gelernt hat, die direkte Widerstandslust im Griff zu haben.

Zum Buch: Chris Wolf, Heinz Jiranek: Feedback. Nur was erreicht, kann auch bewegen, BusinessVillage 2014, ISBN: 978-3-86980-279-4, 24,80 Euro

Die Verfasser:
Chris Wolf arbeitet als Diplom-Psychologin seit über 15 Jahren in Beratung und Training. Themen aus Marketing, Führung, Verkauf und Kommunikation mit Patienten/Angehörigen sind dabei das Thema. Feedback spielt in ihrer Beratungs- und Trainingsarbeit eine essenzielle Rolle und Struktur und kulturelles Umfeld solcher Äußerungen sind ihr ein Herzensanliegen.
Heinz Jiranek, Diplom-Psychologe, Inhaber und Geschäftsführer von ifb-Jiranek - Institut für Betriebspsychologie, arbeitet seit 30 Jahren für verschiedene Kunden am Thema Kommunikation, Führung und Coaching. Auch durch seine berufliche Herkunft als Therapeut geprägt fokussiert er immer auf die Wirkung und nie auf das Rezept, nicht auf Verhaltensdrill, sondern auf den zwischenmenschlichen Prozess.