Kettenverträge

Die bittere Pille der Freiberufler

13.10.2015 von Ina Hönicke
Direkt an einen Auftrag heranzukommen, wird für IT-Freiberufler immer schwieriger, die Rolle der Personalvermittler immer wichtiger. Das kommt bei den IT-Profis unterschiedlich gut an.

"Als Freelancer bei großen Unternehmen direkt einen Auftrag zu bekommen, ist nahezu unmöglich geworden", erklärt Oliver Knittel, Inhaber von Insure-IT Assekuranz Consulting. Je größer das Unternehmen, desto wahrscheinlicher sei es, dass Personaldienstleister das Geschäft erledigen. Kettengeschäfte lehnt der erfahrene Freiberufler grundsätzlich ab. Seine Begründung: "Was soll von der Marge noch übrig bleiben, wenn so viele Beteiligten an der Vermittlungen verdienen wollen?"

Oliver Knittel, Insure-IT Assekuranz Consulting, wirft den Vermittlungsagenturen teilweise undurchsichtige Formulierungen vor.
Foto: Privat

Nebulöse Formulierungen der Agenturen sind ein Stolperstein

Auch wenn der Freelancer im Großen und Ganzen mit der Arbeit der meisten Agenturen zufrieden ist, hat er eine Reihe von Kritikpunkten. So regt sich Knittel beispielsweise über die unklaren Formulierungen bei den Ausschreibungen auf: "Vielfach hat man es mit einer Wünsch-Dir-was-Liste zu tun", wirft er den Vermittlern vor. Die Abkürzungen seien teilweise unklar formuliert. Der IT-Freelancer vermutet, dass Tätigkeitsbeschreibungen oft vom Einkauf oder von der Fachabteilung formuliert und an den Personalvermittler weitergereicht wurden.

Für ihn trennt sich hier die Spreu vom Weizen: "Ein guter Personalvermittler blickt auch bei diffusen Beschreibungen inhaltlich durch und weiß, wer von den IT-Selbständigen für die Position in Frage kommt. Das gelte sowohl für die fachlichen Qualifikationen als auch für die sozialen Fähigkeiten. Wie Freiberufler mit unverständlichen Formulierungen umgehen sollten, dafür hat Knittel drei Möglichkeiten parat: "Entweder lässt sich der Externe davon abschrecken oder er unterstützt den Personalvermittler mit seinem eigenen Know-how oder er klärt unklare Begriffe im direkten Gespräch mit dem Unternehmen."

Knittel sieht im Personalvermittler keinen Konkurrenten, der ihm die Aufträge wegschnappt, sondern den Dienstleister, der ihn im Vertrieb unterstützt. Sein Tipp: Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. "Ich nutze alle Vertriebskanäle und pflege die Kontakte zu Personalvermittlern und Unternehmen gleichermaßen. Damit fahre ich gut", betont der erfahrene Freelancer.

Personalvermittler haben große Qualitätsunterschiede

Kerstin Tammling, Arbeitsgruppenleiterin beim Deutschen Bundesverband IT für Selbständige e.V., kurz DBITS genannt, sowie freiberuflich im Projekt-, Lizenz- und Asset-Management tätig, stellt sehr wohl große Qualitätsunterschiede bei Personalvermittlern fest - vom "Durchreicher, der nicht qualifiziert, aber sehr bekannt ist, bis hin zu engagierten Vermittlern", sei alles dabei, beschreibt Tammling den Status quo. Ihrer Meinung nach wird es in puncto IT-Dienstleistung dann unangenehm, wenn weitere Vermittler zwischen dem Kunden und dem IT-Freelancer stehen. Jeder Vermittler wolle für seinen "Service", der zwangsläufig - je länger die Kette werde - immer weiter abnehme, eine Vergütung. "Hier sehe ich die IT-Selbständigen in der Pflicht", fordert Tammling. Der Freiberufler müsse das Konstrukt hinterfragen und seine Geschäftspartner (Vermittler) mit Umsicht aussuchen.

So sollte der Selbständige hellhörig werden, wenn ein nicht so bekanntes Vermittlungsunternehmen Positionen im Konzernumfeld anbietet. Das heißt ihrer Meinung nach nicht, dass kleine Vermittlungsagenturen keine direkten Lieferantenverträge mit großen Kunden haben können oder gar unseriös arbeiten. "Tatsache aber ist, dass einige Firmen, die in diesem Umfeld tätig sind, ihre Aufgabe darin sehen, IT-Freelancer einfach durchzureichen", warnt Tammling. Das Resultat: Der Kunde zahlt zum Beispiel einen Stundensatz von 100 Euro und erwartet dafür entsprechende Qualität. Letztlich aber bekommt er einen IT-Profi, bei dem nur 40 Euro Honorar ankommen. Die Freiberuflerin rät ihren Kollegen, die Aufträge sorgfältig zu prüfen und ein schlechtbezahltes Projekt auch mal abzulehnen.

IT-Freelancer sollten bei der Auswahl ihrer Projekte Vorsicht walten lassen und nicht alle angebotenen Aufträge auf der Stelle annehmen.
Foto: Kostenko Maxim_shutterstock

Zwischenhändler verschlechtern die Situation

Thomas Matzner, Berater für Systemanalyse, und schon lange im Geschäft, fragt sich: "Warum hat der immer wieder erwähnte Fachkräftemangel letztendlich so wenig Einfluss auf die Art der Vermittlung sowie das Honorar?" Seiner Meinung nach glauben die Kunden, dass sie die Leistung Externer zurzeit besonders billig bekommen können. "Fest steht, heute schlägt die Stunde der Zwischenhändler", erklärt Matzner. Er räumt ein, dass er diese Zuspitzung der Projektsituation in letzter Zeit bei der Akquisition am eigenen Leibe erlebt hat. "Wenn selbst Ex-Kollegen von früher einem kein Projekt vermitteln können, weil alles über den Einkauf und Zwischenhändler läuft, dann hat sich die Situation gegenüber früher verschlechtert", sagt er.

Der IT-Freelancer ist überzeugt, dass dadurch die Qualität der Personalauswahl sinkt. "Weder die so genannten Recruiter der Zwischenhändler noch deren Auftraggeber, die Einkäufer, haben ein tiefergehendes Verständnis für das Leistungsangebot des Freelancers", beschreibt Matzner den Status quo. Hinter vorgehaltener Hand sei zu hören, dass die Agenturen von vornherein nur den billigsten Freelancer in der Datenbank suchen. Da sei es kein Wunder, dass sich IT-Freiberufler häufiger als in den vergangenen Jahren nach einer Festanstellung umsehen würden.

"Erschwerend hinzu kommt, dass Freiberufler schon per se als Scheinselbständige verdächtigt werden", meint der IT-Freelancer. Dabei würde es keine Rolle spielen, ob der Externe mehrere Kunden hat, nicht weisungsgebunden ist und auch alle anderen Vorgaben erfüllt. "Dieses Bild ist schlecht für das Geschäft, und ob die Pläne der Bundesregierung daran etwas ändern, wage ich zu bezweifeln", betont Matzner.

Insgesamt aber fällt das Fazit positiv aus, was die Zusammenarbeit mit den Vermittlungsagenturen angeht. So meint der freiberufliche Softwareentwickler Christian Müller: "Wenn die Mitarbeiter einer Agentur ein Unternehmen gut betreuen, wissen sie viel besser als ich, was der Konzern wirklich benötigt, unabhängig von dem, was auf dem Papier steht. Davon kann ich nur profitieren."

Lünendonk: Die wichtigsten Freiberufler-Vermittler 2015
Die zehn größten Freiberufler-Vermittler ...
... hat Lünendonk in der Studie "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern in Deutschland" im Jahr 2014 ermittelt - gemessen an ihren Umsätzen.
Gute Aussichten für Vermittlungsagenturen
Wer einen von derzeit etwa 92.000 IT-Freiberuflern auf dem deutschen Markt vermittelt, hat gut lachen ...
Zwei Drittel der Umsätze werden mit Freiberufler-Vermittlung generiert
Externes Third Party Management und Zeitarbeit spielen dagegen nur eine geringe Rolle.
Platz 10: top itservices ...
...2013 noch nicht in den Top Ten, hat 2014 mit der Vermittlung von IT-Freiberuflern einen Umsatz von 48,5 Millionen Euro erzielt und hat damit Platz 10 des Rankings ergattert. Der Gesamtumsatz des Unternehmens betrug 73,7 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter konnte gegenüber 2013 fast um 100 auf nun 783 Angestellte gesteigert werden.
Platz 9: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 57 Millionen Euro Umsatz und damit zwölf Millionen mehr als 2013 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 51 auf 61 im Jahr 2014.
Platz 8: Westhouse Consulting ...
... ist unter anderem auf die Vermittlung von SAP-Freiberuflern spezialisiert. 2014 konnten die großen Umsatzzuwächse der Vergangenheit nicht wiederholt werden, mit der Freiberuflervermittlung erwirtschaftete Westhouse Consulting 65 Millionen Euro (2013: 62 Millionen Euro). Der Gesamtumsatz stagniert bei 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl wuchs von 87 auf 103.
Platz 7: 1st solution consulting
Mit 65,3 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahr 2014 hat 1st Solution den Wert des Vorjahres deutlich gesteigert (46,6 Mio). Auch der Gesamtumsatz konnte in diesem Zeitraum von 23 Millionen auf 82 Millionen Euro zulegen. 1st solution beschäftigt 74 Mitarbeiter und somit nur geringfügig mehr als 2013 (68).
Platz 6: Questax Gruppe
Questax, hervorgegangen aus der ehemaligen Quest Softwaredienstleistung und der krisengeschüttelten Reutax, kommt auf 68,2 Millionen Euro Umsatz durch Freiberuflervermittlung und beschäftigt 120 Mitarbeiter. Der Gesamtumsatz beträgt 75,8 Millionen Euro.
Platz 5: Solcom Unternehmensberatung
Die Solcom Unternehmensberatung hat mit der Vermittlung von IT-Freiberuflern 79 Millionen Euro und damit etwa zehn Millionen Euro mehr umgesetzt als im Vorjahr. Auch die Zahl der Angestellten ist um zehn auf 120 angewachsen.
Platz 4: SThree
Im Vorjahr noch auf Platz fünf, hat sich die Freiberufler-Vermittlung SThree an Solcom vorbeigeschoben: Das Unternehmen beschäftigt 25 Mitarbeiter mehr als noch 2013 (505). Die Gesamtumsatzsteigerung um 32 Millionen auf 173 Millionen wird nur vom Erstplatzierten des Rankings übertroffen. Der Umsatz mit der Rekrutierung und Vermittlung von IT-Freelancern weist mit 97,6 Millionen Euro ebenfalls ein deutliches Plus von 11,4 Millionen gegenüber dem Vorjahr aus.
Platz 3: Allgeier Experts
Bronze geht wie im Vorjahr an Allgeier Experts: Das Unternehmen erzielte mit der Vermittlung von Freiberuflern 183,2 Millionen Euro Umsatz, was einem Plus von 22 Millionen Euro entspricht. Gleichzeitig ging die Mitarbeiterzahl von 437 auf 418 zurück. Der Gesamtumsatz sank von 239,4 Millionen auf 228,6 Millionen Euro.
Platz 2: Gulp Information Services
Die Top Drei der IT-Freiberufler-Vermittlungen bleiben dieses Jahr unter sich: Auch Gulp, im Bild Geschäftsführer Michael Moser, macht da mit Silber keine Ausnahme und untermauert die "Vizemeisterschaft" mit einem Mitarbeiterzuwachs von 47 neuen Beschäftigten gegenüber 2013 (180), einem Umsatzplus von 31,6 Millionen Euro (2013: 268,3 Millionen Euro) sowie der Steigerung des Gesamtumsatzes auf 313,3 Millionen Euro (2013: 278,4 Millionen Euro).
Platz 1: Hays
Praktisch der FC Bayern der IT-Freiberufler-Vermittlungen ist Hays, hier im Bild Vorstandschef Klaus Breitschopf. Das Unternehmen setzte 2014 mit der Rekrutierung und Vermittlung von IT-Freelancern sagenhafte 781,20 Millionen Euro um, was im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 70,6 Millionen bedeutet. Auch die Mitarbeiterzahlen sind wesentlich höher als bei der Konkurrenz, 2014 arbeiteten 1400 Beschäftigte für Hays (2013: 1.300). Der Gesamtumsatz wurde auf 1,350 Milliarden Euro und im Vergleich zu 2013 um 250 Millionen Euro gesteigert.
Wachstumskurs setzt sich fort
Die Markt für Freiberuflervermittlung wird immer größer: Die Anzahl der freiberuflichen IT-Experten in Deutschland ist 2014 auf 92.000 angewachsen (2013: 87.500). Die Umsätze konnten gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent gesteigert werden und liegen nun bei neun Milliarden Euro (2013: 8,4 Milliarden Euro).
Freiberufliche Security-Spezialisten haben gute Karten ...
... laut Studie profitieren sie vom Sicherheitsbedürfnis der Firmen. Ihre Honorare steigen besonders stark.
Welche Skills Firmen nachfragen
Projekt- und Qualitätsmanagement-Kompetenz ist die am häugsten nachgefragte Fähikgkeit. Auf Platz zwei und drei folgen Security und SAP.

Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige

Der Deutsche Bundesverband Informationstechnologie für Selbständige e.V. (DBITS e.V.) versteht sich als die berufsständische Vertretung aller selbständigen IT-Unternehmer in Deutschland. Er setzt sich eigenen Angaben zufolge für die Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit von selbständigen IT-Unternehmern ein. Unter anderem will er sich mit Themen beschäftigen, die die Selbständigkeit in der IT-Branche erleichtern.