Veränderungen verkraften und steuern

Die Führungskraft als Change-Manager

29.10.2012
Wie Manager ihren Mitarbeitern die Unterstützung geben können, die diese für ihren Arbeitsalltag brauchen, und wie sie selber mit neuen Denk- und Verhaltensmuster fertigwerden, sagt Michael Reichl.
Wer seine Firma weiterbringen will, muss auch mal von der gewohnten Richtung abweichen.
Foto: Fotolia, Mankale

Wie verarbeiten und bewältigen Menschen Veränderungen? Das wissen Führungskräfte oft nicht. Deshalb fällt es ihnen schwer, ihren Mitarbeitern in Veränderungsprojekten die erforderliche Unterstützung zu gewähren.

Den Service verbessern, die Produktivität steigern, den Ertrag erhöhen - vor diesen Herausforderungen stehen heute fast alle Unternehmen. Entsprechend viele Veränderungsprojekte laufen in ihnen - oft parallel.

Die meisten Unternehmen steuern heute denn auch Veränderungsprozesse auf der strukturellen Ebene routiniert. Den Umgang mit deren Auswirkungen auf der kulturellen Ebene hingegen betrachten die Verantwortlichen oft als lokale Führungsaufgabe - also zum Beispiel als Aufgabe der Team-, Abteilungs- oder Niederlassungsleiter. Teilweise zu Recht! Denn zumindest in Großunternehmen kann die Unter-nehmensspitze die Belegschaft meist nur recht allgemein über die angestrebten Veränderungen informieren. Die Führungskräfte vor Ort hingegen müssen ihren Mitarbeitern vermitteln, warum diese nötig sind und was diese für ihren Arbeitsalltag bedeuten. Außerdem müssen sie ihren Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, dass die Veränderung möglich ist, und diese beim Entwickeln neuer Denk- und Verhaltensmuster begleiten.

Vielfach wird in Unternehmen der Umgang mit den Auswirkungen der Veränderungen jedoch nicht nur als lokale Führungsaufgabe betrachtet, sondern auch bagatellisiert. Das heißt, gemäß der Maxime "Die machen das schon" wird beim Planen der Projekte nicht mitbedacht: Wie bereiten wir die Führungskräfte auf diese Aufgabe vor? Somit sieht das Projektdesign zum Beispiel auch keine Veranstaltungen vor, bei denen die Führungskräfte vorab darüber informiert werden: Was ist geplant? Was kommt auf uns zu? Mit welchen Reaktionen müssen wir als Führungskräfte rechnen? Und: Wie sollten wir darauf reagieren?

Die Führungskräfte (mental) unterstützen

Die Folge: Die Führungskräfte sind rat- und hilflos, wenn die Mitarbeiter sie mit Fragen bestürmen und mit ihren Ängsten konfrontieren. Und sie fühlen sich im Stich gelassen. Also entwickeln sie selbst Widerstände gegen das Projekt - verständlicherweise! Denn wenn sie nicht wissen, wie Veränderungsprozesse verlaufen, können sie auch nicht einschätzen, welche Reaktionen zu erwarten sind. Und schon gar nicht können sie adäquat reagieren, wenn ihre Mitarbeiter das entsprechende Verhalten zeigen.

Folglich ist es wichtig, im Vorfeld von Veränderungsprozessen den Führungskräften zu vermitteln,

- wie solche Prozesse in der Regel verlaufen,

- welche Verhaltensmuster Mitarbeiter in den sieben Phasen eines Veränderungsprozesses meist zeigen und

- welches Führungsverhalten in ihnen zielführend ist.

Welches Verhalten ist wann angesagt?

Die sieben typischen Phasen eines Veränderungsprozesses lassen sich wie folgt beschreiben:

Phase 1: Erste Gerüchte über die geplanten Veränderungen verursachen Unruhe und Sorge in der Organisation - noch bevor diese offiziell verkündet wurden. In dieser Phase ist es wichtig, als Führungskraft mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen und mit ihnen Spielregeln für den Umgang mit der unklaren Situation zu vereinbaren.

Phase 2: Mit der offiziellen Bekanntgabe zum Beispiel der Umstrukturierung wird die Notwendigkeit der Veränderung definitiv. Hoffnungen und Befürchtungen werden geäußert, doch noch kaum jemand kann sich auf die Zukunftsvisionen einlassen. Zuhören, informieren und Verständnis zeigen sind, nun gefragt.

Phase 3: Nach dem ersten Schreck zeigen die Betroffenen Ärger und Wut. Die Folge sind Abwehrreaktionen, die zuweilen sogar zu mehr Produktivität führen. Denn die Mitarbeiter wollen zeigen, dass die Veränderung nicht nötig ist. Jetzt gilt es ihnen zu vermitteln, dass der Wandel trotzdem notwendig und unausweichlich ist.

Phase 4: Ist die Veränderung rational akzeptiert, setzen sich die betroffenen Mitarbeiter damit persönlich auseinander: Was bedeutet die Veränderung für mich? Welche Herausforderungen kommen auf mich zu? Kann ich sie bewältigen und wenn ja wie? Das können die Betroffenen in dieser Phase meist noch nicht einschätzen. Deshalb gilt es jetzt, sie beim Aushalten dieses Zustands der Ungewissheit zu unterstützen.

Phase 5: Der Tiefpunkt ist erreicht, wenn den Betroffenen klar wird: Es gibt kein Zurück. Damit das Neue auch emotional akzeptiert wird, ist es wichtig, das Alte zu würdigen. Die Mitarbeiter brauchen Zeit und einen Raum für ihre Trauer und das Abschiednehmen - zum Beispiel in Workshops und Einzelgesprächen.

Phase 6: Erst nachdem dieser Prozess vollzogen ist, richtet sich die Energie auf das Neue. Nun gilt es, Neugier zu wecken und den Mitarbeitern das nötige Wissen und Können zum Umgang mit dem Neuen zu vermitteln. Ermutigung und Geduld sind nun hilfreich; ebenso Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch.

Phase 7: Das Neue wird allmählich zur Normalität und erste Lernerfolge schaffen Selbstvertrauen. Die Folge: Die Leistung des Systems steigt über das ursprüngliche Niveau. Nun gilt es, den Prozess zu bewerten: Was lief nicht so gut? Was hat sich bewährt? Aus diesen Erfahrungen kann und sollte jeder Einzelne und die Organisation lernen, damit künftige Veränderungen noch besser bewältigt werden.

Selbstbewusstsein wird stärker

Wenn die Führungskräfte die typischen Phasen eines Veränderungsprozesses kennen, können sie ihre Mitarbeiter besser beim (mentalen) Bewältigen der neuen Herausforderungen unterstützen. Dadurch steigt auch ihr Selbstbewusstsein als Führungskraft. Zudem wächst ihre Fähigkeit, Veränderungsprozesse zu begleiten. Hierdurch erhöht sich wiederum die Kompetenz des Unternehmens, mit Veränderungen professionell umzugehen. Das zahlt sich bei Folgeprojekten aus. (oe)

Der Autor Michael Reichl ist Geschäftsführer des Trainings- und Beratungsunternehmens im-prove, Schwäbisch-Gmünd, das Unternehmen bei Change-Projekten unterstützt (www.im-prove.de).
Kontakt:
Tel.: 08165 4094884, E-Mail: kontakt_muc@im-prove.de