Interview mit Expert-Vorstand Stefan Müller

"Die Guten investieren in schlechten Zeiten"

14.02.2014 von Matthias Hell
Trotz stagnierender Umsätze expandierte Expert im vergangenen Jahr so stark wie nie zuvor. Im ChannelPartner-Interview erklärt Vorstand Stefan Müller, warum die Verbundgruppe gerade jetzt in künftiges Wachstum investiert, wie sich der Elektronikfachhandel weiterentwickeln muss und welche zusätzlichen Schritte Expert nun im Online-Geschäft plant.
Expert-Vorstand Stefan Mueller
Foto: expert AG

Im Jubiläums-Jahr 2012 erzielte Expert ein Umsatzwachstum von ganzen 11 Prozent. Im vergangenen Jahr sah sich nun die gesamte Branche mit einer schwierigen Marktlage konfrontiert. Wie hat sich das Geschäft bei Expert 2013 entwickelt?

Dr. Müller: Es fällt natürlich schwer, nach einem Jubiläumsjahr wie 2012 noch einen draufzusetzen - umso mehr, da das zurückliegende Jahr bei allen Marktteilnehmern von einem Umsatzrückgang im TV-Geschäft geprägt wurde. Deshalb sind wir recht zufrieden damit, dass es uns im Kalenderjahr 2013 gelungen ist, unseren Marktanteil im Vergleich zum Wettbewerb zu halten. In unserem Wirtschaftsjahr 2013/14 liegen wir in der Umsatzentwicklung derzeit kurz vor 100 Prozent des Vorjahreswertes und gehen davon aus, dass wir am Ende bei deutlich über 100 Prozent landen werden. Angesichts der gesamten Branchensituation sind wir mit diesem Ergebnis durchaus zufrieden.

Expert hat allerdings 2013 so stark expandiert wie nie zuvor und insgesamt 37 Flächenmärkte neu eröffnet - 18 davon durch die Übernahme ehemaliger ProMarkt-Standorte. Stellt dieses große Wachstum in einer Zeit stagnierender Umsätze nicht eine große Herausforderung für Ihre Verbundgruppe dar?

Dr. Müller: Wie heißt es so schön: die Guten investieren in schlechten Zeiten. Deshalb gehen wir jetzt voran und tätigen die entsprechenden Investitionen. Dabei geht es uns übrigens nicht nur um den Fachmarktbereich. Bei den kleinen und mittleren Betriebstypen war unser Investment im vergangenen Jahr in Summe gesehen sogar stärker.

"Das Online-Geschäft stellt den Handel vor Herausforderungen"

Nicht zuletzt aufgrund der Online-Konkurrenz muss sich der Fachhandel weiterentwickeln, meint Stefan Müller
Foto: Expert

Würden Sie die stagnierende Marktentwicklung des vergangenen Jahres vor allem auf einmalige, außergewöhnliche Faktoren zurückführen oder sehen Sie hier eher eine strukturelle Entwicklung am Werk?

Dr. Müller: Das muss man differenziert sehen. Zum einen beobachten wir sicherlich eine strukturelle Verschiebung der Umsätze in Richtung Internet. Wenn wir zum Beispiel das TV-Geschäft betrachten, stellen wir fest, dass die Online-Umsätze in den letzten Jahren zulasten der stationären Umsätze ansteigen. Zum anderen gibt es aber auch Bereiche wie die Unterhaltungselektronik, wo das Online-Wachstum wieder aufgehört hat.

Würden Sie sich also auch der in traditionellen Handelskreisen verbreiteten Meinung anschließen, der Online-Handel substituiere nur die Versandhandelsumsätze von Früher und sei daher nicht weiter zu beachten?

Dr. Müller: Das Online-Geschäft hat in unserem Bereich bislang in der Tat erst die Ausmaße des einstigen Versandhandels erreicht. Doch ich würde schon sagen, dass Online darüber hinaus den Handel vor Herausforderungen stellt. Es gibt heute viele Kunden, die wesentlich besser informiert in den Handel gehen. Unsere Gesellschafter sehen sich vor die Aufgabe gestellt, den kontinuierlich wachsenden Kundenansprüchen gerecht zu werden. Dazu kommt noch der allgemeine Wettbewerb durch die Internet-Anbieter.

Hat sich Expert am Rande der diesjährigen Frühjahrstagung deshalb schwerpunktmäßig mit dem Thema "Erlebniswelten am POS" auseinandergesetzt?

Dr. Müller: Es ist schon so, dass wir uns am Point of Sale ein Stück neu erfinden müssen. Denn der POS ist heute nicht mehr ausschließlich das Ladengeschäft: er fängt früher an - in vielen Fällen bereits im Internet - und geht auch nach Kassenschluss weiter, wie etwa bei After-Sale-Services und -Support. Dieser Herausforderung, die im Wesentlichen durch den Begriff Multichannel charakterisiert wird, müssen wir begegnen, indem wir die neuen Kundenanforderungen - von der Homepage-Gestaltung über unsere Positionierung bei den Suchmaschinen bis hin zur Sichtbarkeit der von den Expert-Gesellschaftern angebotenen Leistungen im Netz - in unsere Handelsprozesse integrieren. Wir müssen die Kunden da abholen, wo sie heute unterwegs sind.

"Expert fehlt im Internet die Produktkompetenz, die wir stationär haben"

Expert-Vorstand Stefan Mueller

Während sich Expert in den von Ihnen genannten Bereichen online sichtlich weiterentwickelt hat, ist Ihr Warenangebot im Netz weiterhin auf einige Dutzend Aktionsartikel beschränkt. Sind es nicht in erster Linie attraktive Produkte, mit denen sich Kunden im Internet am besten adressieren lassen?

Dr. Müller: Zunächst ist unsere Online-Strategie nichts Statisches, sondern etwas, das wir laufend neu anpassen. Bisher haben wir dabei vor allem auf zwei Säulen aufgebaut: zum einen haben wir uns darauf fokussiert, unsere Fachmärkte mit ihrem Leistungsangebot lokal in den dafür relevanten Online-Kanälen abzubilden. Dafür haben wir in den letzten Jahren unter anderem mehr als 200 Internetseiten für die Händler vor Ort ins Netz gebracht. Zum anderen haben wir uns beim Online-Verkauf ausschließlich auf überregionale Aktionsprodukte beschränkt und es geschafft, dass dabei inzwischen mehr als 80 Prozent der Expert-Händler mitmachen. Auf diesem Weg ist es uns auch gelungen, das Thema ‚Verkaufen im Internet‘ immer besser zu verstehen.

Was im Online-Auftritt von Expert noch fehlt, ist die Produktkompetenz, die wir im stationären Handel haben. Diese auch im Internet darzustellen, ist der nächste Schritt in unserer Online-Strategie, den wir jetzt auch auf der Frühjahrstagung mit unseren Geselleschaftern besprochen haben. Wir werden in Zukunft mit dem gesamten Produktspektrum ins Netz gehen, allerdings nicht um dieses online kaufbar zu machen. Wir wollen den Kunden die Möglichkeit geben, sich über das gesamte Fachmarktsortiment auf der Website ihres Expert Händlers zu informieren. Darüber hinaus können sich die Kunden bei Interesse deren lokale Preise und die Verfügbarkeit der Produkte online anzeigen lassen.

Greifen Sie für diese Weiterentwicklung Ihres Online-Angebots auf die Erfahrung von Media-Saturn und anderen stationären Händlern zurück, wonach die Abholung von online bestellten Waren bei den Kunden besonders beliebt ist?

Dr. Müller: Das betrifft nicht nur Media-Saturn, auch wir verzeichnen bereits eine Abholquote von 48 Prozent. Wir haben von der ersten Minute an darauf Wert gelegt, dass Online-Angebote bei den Händlern abholbar sind und darüber hinaus Retouren bei jedem Händler zurückgegeben werden können. Diese Online-/Offline-Verknüpfungen funktionieren bei uns sehr sauber.

Beobachten Sie bei Ihren Gesellschaftern inzwischen eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Online oder müssen Sie hier noch immer viel Überzeugungsarbeit leisten?

Dr. Müller: Wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten. Aber es ist nun einmal so, dass bei uns die Gesellschafter im Mittelpunkt stehen und das gilt auch für den Aufbau unserer Internet-Strategie. Wir haben die Ausbauschritte immer unseren Gesellschaftern zur Abstimmung vorgelegt und sind froh, dass sie geschlossen hinter unserer Online-Strategie stehen.

"Expert wird auf lange Sicht sein Kerngeschäft im stationären Handel haben"

Zwei Jahre nach dem Start ist der Expert-Onlineshop immer noch sehr überschaubar, soll aber bald deutlich erweitert werden

Dennoch gibt es einzelne Expert-Gesellschafter, die mit eigenen Online-Aktivitäten ein deutlich höheres Tempo vorlegen. Führt das nicht zu internen Konflikten?

Dr. Müller: Wir sind mit diesen Gesellschaftern ständig in Diskussion und sind sehr zuversichtlich, dass wir in dieser Hinsicht schon bald wieder stärker zusammenfinden. Aber es gehört auch zu Expert, dass jeder Gesellschafter in seiner Entscheidung frei ist.

Denken Sie, dass es mit den Anpassungen, die Expert in den letzten Jahren an seinem Geschäftsmodell vorgenommen hat, gelingen wird, auch in 10 Jahren noch für die Kunden relevant zu bleiben? Natürlich erwartet niemand, dass die Handelsumsätze zu 100 Prozent ins Netz abwandern. Aber für viele Ihrer Gesellschafter könnten auch geringere Verschiebungen bereits gravierende Folgen haben…

Dr. Müller: Grundsätzlich sind wir uns sicher - Expert wird auch auf lange Sicht sein Kerngeschäft im stationären Handel haben. Wir glauben daran, dass wir mit unserem Handelsmodell auch in 10 Jahren noch gute Umsätze und Erträge erzielen und weiterhin für die Kunden attraktiv sein werden. In den Fachmärkten, so wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, werden wir auch in Zukunft gemeinsam mit der Industrie die neuesten Trends und innovative Produkte adäquat darstellen können.

Einige Ihrer Wettbewerber, die sich wie Expert in Richtung Multichannel entwickeln, haben in den letzten Jahren zusätzlich auf den Einstieg bei erfolgreichen Online-Händlern gesetzt. Ist eine solche zweigleisige Strategie auch für Sie vorstellbar?

Dr. Müller: Es gibt keinen Monat, in dem wir nicht ein bis zwei Angebote auf dem Tisch haben, in den klassischen Online-Handel zu investieren. Bisher haben wir davon Abstand genommen, weil wir glauben, dass sich damit nicht wirklich Geld verdienen lässt - und mit diesem Wissen sind wir auch nicht alleine. (mh)