Ein Rückblick

Die Höhepunkte aus 40 Jahren IT

01.12.2014 von Jan-Bernd Meyer
Unsere Schwesterpublikation Computerwoche hat in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag gefeiert. 40 Jahre mit atemberaubenden Entwicklungen der Informationstechnologie. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten und schönsten Highlights.

Am 9. Oktober 1974 erschien erstmals die "Computerwoche - Die aktuelle Wochenzeitung für die Computerwelt". Beim Blick auf 40 Jahre IT haben unsere Kollegen eine Zeitreise gemacht, die einem anmutet wie eine Fahrt in die digitale Steinzeit. Schon allein sprachlich zeigt sich beim Blick auf den Zeitstrahl – neudeutsch Timeline –, wie sehr sich die IT verändert hat.

Wer könnte heute noch etwas mit dem Begriff Mittlere Datentechnik (MDT) anfangen? Der Begriff Diskette erzeugt ratlose Blicke. Auch das OSI-Schichtenmodell dürfte nicht mehr jedem Menschen sogar aus der IT noch etwas sagen. Minicomputer. Mikrocomputer, ja sogar Workstation – alles Begriffe, die aus dem allgemeinen Bewusstsein mehr oder weniger verschollen sind.

Die Highlights aus 40 Jahren ITK-Geschichte -
1974: Die erste COMPUTERWOCHE kommt heraus
Ausgabe 1 beschäftigt sich bereits mit einem Dauerthema: Wie lassen sich die IT-Kosten verringern?
1975: Nixdorf begründet mit der Serie 88 seine Erfolgsgeschichte
Die neue Generation der Datenerfassungs- und -verarbeitungssysteme macht die Nixdorf Computer AG zum Vorzeigeunternehmen der deutschen IT-Industrie. 1980 kündigt das Unternehmen dann mit dem 8890 einen IBM-kompatiblen Rechner an.
1978: WordStar von MicroPro erscheint
Eines der ersten Textverarbeitungsprogramme erscheint für das Betriebssystem CP/M. Vorher gab es allerdings schon „Schreibautomaten“ von IBM, mit denen bereits Serienbriefe verfasst werden konnten.
1979: R/2 von SAP tritt seinen Siegeszug an
Die „betriebswirtschaftliche Standardsoftware“ lief nur auf Großrechnersystemen von IBM („MVS“, „VSE“) und Siemens („BS2000“). 1993 wird sie durch die Client-Service-Lösung R/3 abgelöst.
1979: Mit „Visicalc“ erscheint die erste Tabellenkalkulation
Dan Bricklin, Student an der Harvard Business School, hatte die Idee für das erste Spreadsheet. Es war der Programmtyp, der kaufmännische Berechnungen auf dem persönlichen Computer – zunächst auf einem Apple II mit 32 KB Hauptspeicher – möglich machen sollte. 
1980: Ethernet wird marktreif
Schon Jahre zuvor im Forschungslabor des Xerox Parc erfunden, benötigte der Vernetzungsstandard Starthilfe von Intel und Digital Equipment. Jetzt war der Datenaustausch von Geräten, die in lokalen Netzen (LANs) eingebunden waren, möglich. 
1981: Datenbanken werden relational
IBM kündigt „System R“ an, das erste Relationale Datenbank-Management-System (RDBMS). Beim Kunden wurde jedoch erst der weiterentwickelte Nachfolger „SQL/DS“ eingesetzt, zusammen mit der Abfragesprache SQL. 
1982: Commodore zeigt in Las Vegas den C64
Das Gerät wartet mit 64 KB Arbeitsspeicher und hochauflösender Grafik auf. Es entwickelt sich zum Verkaufsschlager; 30 Millionen Stück wurden abgesetzt – für zu Hause, aber auch für die Büros.
1983: ISO kürt OSI-Referenzmodell zum Standard
Sieben Schichten hat das „Open Systems Interconnection Model“, mit dem die Kommunikation über unterschiedliche technische Systeme hinweg ermöglicht und deren Weiterentwicklung begünstigt werden soll.
1983: TCP/IP löst Arpanet ab
Das Transmission Control Protocol/Internet Protocol wird die technische Basis für die Kommunikation im Internet bilden.
1984: Tu nix mit Unix
Der kürzlich verstorbene damalige COMPUTERWOCHE-Chefredakteur Dieter Eckbauer veröffentlicht seine viel diskutierte – und gründlich missverstandene – Kolumne.
1985: Die Open Unix Group entsteht
Bull, ICL, Nixdorf, Olivetti, Philips und Siemens wollen in der später X/open genannten Vereinigung gemeinsam an einem offenen Betriebssystem arbeiten.
1987: IBM und Microsoft launchen OS/2
Gemeinsam wollten IBM und Microsoft einen Multitasking-fähigen DOS-Nachfolger entwickeln. Doch Microsoft beendet die Kooperation 1991, um sich ganz auf das eigene Windows zu konzentrieren. IBM stellt die Arbeiten an OS/2 erst 2005 ein. 
1989: ADV/Orga geht an die Sema Group
Das einstmals größte Softwareunternehmen Deutschland verschwindet sang- und klanglos. Es ist der Konkurrenz durch die rasant wachsende SAP nicht gewachsen.
1990: Siemens übernimmt Nixdorf
Am 1. Oktober 1990 übernimmt Siemens die Mehrheit von Nixdorf und eint das Unternehmen mit seiner IT-Sparte Daten- und Informationstechnik. Die so entstandene Siemens Nixdorf Informationssysteme (SNI) AG wird - vorübergehend – größter europäischer Computerkonzern.
1991: Erste PDAs und „Pen-Computer“ tauchen auf.
Die handlichen Geräte waren ihrer Zeit zu weit voraus. Wer hätte damals gedacht, dass Tablets, namentlich das iPad, knapp zwei Jahrzehnte später ein Riesenerfolg werden würden?
1992: Objektorientierung wird das neue Paradigma
Sowohl die Softwareentwicklung als auch die Datenbankorganisation orientieren sich immer häufiger am OO-Modell: Im Mittelpunkt stehen „Objekte“, denen Attribute zugeordnet werden.
1993: Das World Wide Web wird vorgestellt
An der Forschungseinrichtung CERN unweit von Genf stellt ein Forscher namens Tim Berners-Lee ein Hypertext-System zur komfortablen Nutzung des Internet vor, das wir heute als World Wide Web kennen. Bestandteile sind das Protokoll HTTP, HTML für die Dokumentenbeschreibung und URLs. 
1993: Microsoft will mit Windows NT ins Client-Server-Geschäft
„Nice Try“, so spotteten die Konkurrenten damals, als Windows NT nicht so recht zum Fliegen kommen wollte. Aber am Ende hat Microsoft seine Ziele doch erreicht.
1995: IBM kauft Lotus
Die Übernahme des Groupware-Spezialisten Lotus ist der wichtigste Meilenstein im Ausbau von IBMs Softwaregeschäft.
1995: COMPUTERWOCHE ist im Web
Als Fachmedium für IT-Manager ist es für die COMPUTERWOCHE beinahe selbstverständlich, ihre Leser auch online zu informieren.
1997: Computer schlägt Mensch
Der IBM-Rechner Deep Blue bezwingt Schachweltmeister Garry Kasparow.
1997: MP3 wird definiert
Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts einigen sich auf die Dateiendung MP3 für das von ihnen entwickelte Kompressionsverfahren MPEG Layer 3.
1998: Google durchforstet das Internet
Anfangs war es nur die beste Web-Suchmaschine, die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin entworfen hatten. Heute setzt der Konzern die Maßstäbe in der Internet-Ökonomie.
1998: Ende des Telefonie-Monopols
In Deutschland fällt das letzte TK-Monopol: Nach dem Geschäft mit Mobilfunk und den Datennetzen wird auch die Festnetztelefonie für den Wettbewerb freigegeben.
1999:COMPUTERWOCHE kürt den ersten Anwender des Jahres
Als IT-Chef der Herlitz AG erhielt der spätere Bayer-CIO Andreas Resch die von COMPUTERWOCHE und Gartner gemeinsam vergebene Auszeichnung.
1999: Gründung von Fujitsu Siemens Computers (FSC)
Siemens bringt die eigenen sowie die von Nixdorf übernommen IT-Aktivitäten in ein Joint-Venture mit Fujitsu ein. Im Jahr 2009 steigt Siemens komplett aus.
1999: Der Blackberry 850 erscheint
Der kanadische Handy-Hersteller RIM war der erste Provider, der mit seinen Blackberrys E-Mails überall verfügbar machte.
2000: Der Millennium-Bug: Viel Wirbel um nichts
Gartner schätzt die finanziellen Folgen des Jahr-2000-Fehlers auf sagenhafte 600 Milliarden Dollar weltweit. Zum Jahreswechsel passiert dann aber so gut wie gar nichts. 
2001: Windows XP kommt auf den Markt
Das neue Betriebssystem Windows XP bricht mit der MS-DOS-Basis der Windows-Linie und bleibt weit über zehn Jahre das beliebteste Betriebssystem.
2003: Der Wettbewerb "CIO des Jahres" geht in die erste Runde
Peter Sany, damals CIO des Pharmaunternehmens Novartis, wird vor allem für sein Konzern-Grid als herausragender IT-Macher geehrt
2004: IBM verkauft die PC-Sparte
Der chinesische Anbieter Lenovo übernimmt das unprofitable PC-Geschäft von IBM und rückt zum weltweit drittgrößten Anbieter auf. Heute ist Lenovo die Nummer eins im PC-Markt.
2004: Facebook startet
Der Harvard-Student Mark Zuckerberg entwirft die Social-Media-Plattform Facebook. Er stellte Fotos von Studentinnen ohne deren Erlaubnis ins Internet und forderte Besucher auf, von jeweils zwei zufällig ausgewählten Fotos das attraktivere zu wählen. Zehn Jahre später ist er Milliardär.
2006: just setting up my twttr
Twitter-Gründer Jack Dorsey sendet den ersten Tweet.
2007: Apples iPhone erscheint
Smartphones gab es zuvor schon, doch Apple zeigt mit dem ersten iPhone, wie man sie besser bauen kann.
2008: Cloud wird Trend
Wann das Thema Cloud erstmals durch die Medien waberte ist nicht mehr genau nachvollziehbar. 2008 wird es zum allgegenwärtigen Trend.
2008: IT doesn't matter
Der US-Autor Nicholas Carr veröffentlicht seine Thesen zur Zukunft der IT-Abteilung. Die Kernaussage lautet: Sie wird überflüssig.
2009: Der PC-Markt bricht ein
Markiert das Jahr 2009 den Anfang vom Ende der PC-Ära? Nie zuvor hatte die Branche einen solch heftigen Markteinbruch erlebt.
2009: Sun versinkt im Oracle-Konzern
Als sich IBM für Sun interessiert, schnappt Oracle für 7,4 Milliarden Dollar zu und übernimmt den einstigen IT-Pionier.
2010: Die COMPUTERWOCHE kommt aufs Tablet
Die COMPUTERWOCHE-Redaktion erkennt früh das Potenzial des neuen Mediums. Noch im Erscheinungsjahr des iPad bedient sie dessen Nutzer mit Content.
2010: Apple bringt das iPad heraus
Apple setzt erneut Maßstäbe im Endgerätemarkt. Erst mit dem iPad gelingt den Tablets der Durchbruch und ebnet folgenden Android- und Windows-Varianten den Weg.
2011: Steve Jobs stirbt
Der Apple-Gründer und langjährige CEO erliegt einem Krebsleiden und hinterlässt einen Konzern auf dem Höhepunkt seines Erfolgs.
2012: Windows 8 erscheint
Was das 2010 vorgestellte Windows 7 nicht geschafft hat, soll nun das neue Betriebssystem nun schaffen: Das beliebte und betagte Windows XP endlich ablösen.
2013: Nokia verkauft die Handy-Sparte an Microsoft
Der einstige Handy-Marktführer Nokia hat das Smartphone-Geschäft verschlafen und sucht Hilfe bei Microsoft.

Oder die Unternehmen: Erinnert sich noch wer an Digital Equipment? Eine legendäre Firma, die später von Compaq (noch ein Begriff?) gekauft wurde. Tandem Computers - ebenfalls eine starke Technikmarke. Auch gekauft von Compaq. Die gekauft wurde von Hewlett-Packard (HP). HP immerhin - die gibt es noch, obwohl sie bereits vor 75 Jahren im kalifornischen Palo Alto gegründet wurde. Wer kann mit dem Namen Tandy noch etwas anfangen? Altair? Commodore, okay so grad noch. Atari. Triumph Adler war tatsächlich auch einmal ein PC-Anbieter. Osborne, Kaypro - erste Anbieter von tragbaren Computern, die wie Hartschalenkoffer anmuten würden - zumindest von der Größe. Oder Nixdorf! Ein Stern am deutschen Computerhimmel. Eine einzige Erfolgsgeschichte. Aufgekauft von Siemens. Aber auch Siemens-Nixdorf ist längst Geschichte.

Kennt einer noch die heftigen Diskussionen um Bus-Systeme in PCs? Micro-Channel-Architecture als großer Gegenspieler aus dem Hause IBM gegen die Standardbus-Systeme von Intel? Schnee von gestern. Die Entwicklungen im Speichermarkt kann man plastisch an einem Beispiel verdeutlichen: zugegeben bereits 1956 - also 18 Jahre vor der ersten CW - brachte die IBM mit der 305 Ramac das erste magnetische Festplattenlaufwerk auf den Markt. Das gute Stück war Kleiderschrankgroß, wog schlappe 500 Kilogramm, die Platten hatten den Durchmesser von Familienpizzen im Freisinger Freibad (= 60 Zentimeter) - dafür konnte sie allerdings gigantische Mengen an Daten speichern: fünf Megabyte! Heute hängen sich Kiddies 140 Gramm schwere iPods um den Hals, die die 6.400-fache Kapazität besitzen.

Hewlett-Packard, IBM, Apple

Ja, es gibt Firmen, die gab es vor 40 Jahren und es gibt sie noch immer. HP eben. IBM natürlich. Apple ist wohl das Unternehmen, das mit seiner Firmengeschichte das Glamouröse, das Spannende, auch die Abgründe dieser IT-Branche am besten karikiert. Gegründet an keinem besseren Tag als dem 1. April im Jahre 1976, steht das Unternehmen paradigmatisch für das, was die IT ausmacht. Angefangen damit, dass die Benutzeroberfläche revolutionär war, weil eben nicht mnemotechnisch kryptische Befehle in die DOS-Zeile getippt werden mussten. Aber wirklich von Apple war die Entwicklung nicht, sondern bei Rank Xerox abgeschaut. Kennt die Firma noch wer außer IT-Historiker?

Der erste Apple-Rechner mit dieser Benutzerführung, der Lisa, hatte allerdings noch keine Fortune. Was am Preis von 10.000 Dollar gelegen haben könnte. Legendär und ein wirtschaftlicher Erfolg wurde der 1984 präsentierte Macintosh. Apples Gründer und Kopf Steve Jobs erlebte aber auch seinen Rauswurf aus seiner eigenen Firma - und seinen Wiedereinstieg Jahre später. Nur Lazarus' Comeback war spektakulärer. Apple selbst musste durch das ein Jahr vorher (4. April 1975) gegründete Microsoft in den 80er Jahren einmal gerettet werden mit einer Finanzspritze. Ausgerechnet der Erbfeind Microsoft. Heute ist Apple das wertvollste Unternehmen. Der Welt. Weit vor allen anderen Firmen und um Längen vor alten (IBM, HP, Microsoft, Oracle etc.) und neuen (Google, Facebook etc.) IT-Unternehmen.

Und heute? Prägen Begriffe wie soziale Medien, Crowdfunding, Blogs, Big Data, Cloud, Mobility nicht nur die Unterhaltung von IT-Fachleuten und Geeks, sondern auch die Gespräche - und die Leben - von Abermillionen Menschen da draußen. IT ist allumfassend geworden. Autos fangen an zu sprechen und fahren am liebsten selbst. Kühlschränke bestellen im Internet. Staubsauger arbeiten, während Herrchen oder Frauchen die Füße auf den Tisch legen. Roboter dienen in der Altenpflege. Und die Menschen fragen sich ernsthaft, wann Computer ihnen zu sagen anfangen, was sie zu tun haben.

Vielleicht werden sich künftig intelligente Systeme Videos auf einem wie immer gearteten Youtube-Channel ansehen über die IT aus dem Jahr 2014. Sie werden sich dann wahrscheinlich genauso ratlos amüsieren über die Steinzeittechnik, wie junge Leute heute, die irritiert vor "revolutionären Systemen" aus den 80er-/90er-Jahren sitzen. Deren Reaktionen sagen alles über die unfassbare Technikentwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte.

In 40 Jahren werden künstliche Systeme sich auf die Schenkel klopfen und beim Anblick von Smartphones, Tablets und USB-Sticks wiehern vor Lachen. Vorausgesetzt, künstliche Systeme wiehern. Heute und jetzt aber schauen wir zurück auf 40 Jahre ITK-Geschichte.

Die Reaktionen der jungen Leute auf damals revolutionäre Systeme sagen alles über die unfassbare Technikentwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte. Doch nicht nur die Technik hat sich in den vergagenen Jahrezehnten deutlich verändert: Wir schauen zurück auf 40 Jahre ITK-Geschichte.