Multichannel 2.0

Die Konsumerisierung des B2B-Commerce

09.07.2014 von Michael Hubrich
Der B2B-Handel bietet viele Möglichkeiten um Umsätze zu steigern, Kosten zu senken, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und eine langfristige Steigerung des Unternehmenswerts zu erzielen. Das Stichwort lautet: B2B-Omnichannel-Commerce.
Damit B2B-Omnichannel-Commerce effektiv betrieben werden kann, sollten alle Backend-Systeme, die Kundenbeziehungen unterstützen, vollständig integriert werden.
Foto: hybris

Wenn die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf zunehmend verwässern, geht es nicht nur um Work-Life-Balance-Modelle oder den Einsatz privater mobiler Geräte im Geschäftsalltag. Dann wird auch die Abgrenzung zwischen B2C und B2B durchlässiger und ein Thema wie Einkauf - oder genauer gesagt Einkaufserlebnis - für den B2B-Handel zum entscheidenden Zukunftsfaktor. Das veränderte Verhalten der Verbraucher, die sich an das B2C-Omnichannel-Commerce-Modell mit all seinen Vorteilen anpassen, greift zunehmend in den Geschäftskundenbereich über und Unternehmenskunden verlangen das gleiche Einkaufserlebnis auch von ihren B2B-Händlern. Eine "Konsumerisierung" des B2B-Handels ist in vollem Gange. Getrieben wird sie durch eine Reihe von Kunden-, Kosten- und Marktfaktoren wie dem Verlangen nach mehr Service und Komfort oder dem allgegenwärtigen Kosten- und Wettbewerbsdruck, dem die Unternehmen ausgesetzt sind. Gleichzeitig bietet sie dem B2B-Handel viele Möglichkeiten um Umsätze zu steigern, Kosten zu senken, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und eine langfristige Steigerung des Unternehmenswerts zu erzielen. Das Stichwort lautet: B2B-Omnichannel-Commerce.

B2C-Omnichannel-Commerce als Vorlage

Zahlreiche Funktionen, die für einen erfolgreichen B2C-Omnichannel-Vertrieb benötigt werden, spielen auch im Business-Bereich eine entscheidende Rolle. Durch automatisierte Abläufe und Self-Service-Funktionen lassen sich auch im B2B-Segment Informations- und Bestellprozesse effizienter gestalten und die Kundenbindung erhöhen, da Bestellungen flexibler getätigt und überwacht werden können. Dennoch offenbart der B2B-Bereich spezielle Herausforderungen: die in vielen Fällen deutlich komplexere Kontoverwaltung im B2B-Commerce ist da nur ein Beispiel und setzt die Fähigkeit zur Betreuung unterschiedlicher Benutzertypen voraus. Auch die umfangreichen personalisierten Self-Service-Workflows benötigen besondere Unterstützung bei Konfiguration und Betrieb. Zudem sind die B2B-Produkte selbst oft recht komplex und erklärungsbedürftig, inklusive spezifischer Leistungspakete, Preislisten und Lieferoptionen.

Gesucht: Leistungsfähige B2B-Commerce-Infrastruktur

Zur Bewältigung der Komplexität ist eine leistungsfähige B2B-Omnichannel-Commerce-Infrastruktur notwendig. Sie garantiert den Kunden bestmögliche Interaktion - von der anfänglichen Suche über Transaktionen bis hin zum Support und Service nach dem Kauf. Zudem ermöglicht sie die freie Wahl des Kanals, sei es über das Internet, Smartphone oder Tablet, über Telefon, E-Mail oder Fax. Ein solches B2B-Omnichannel-Commerce-System besteht idealerweise aus einer einzigen, zentralisierten Planungs- und Abwicklungsplattform. Um sicherzustellen, dass das System die für B2B-Commerce erforderlichen Hauptfunktionen erfüllt, sollten einige grundlegende Parameter berücksichtigt werden:

Echte Omnichannel-Integration

Alle Kanäle - einschließlich Online- und Versandhauskataloge, Call-Center und Filialen - müssen integriert und miteinander verknüpft werden, damit ein ganzheitliches Kundenerlebnis gewährleistet werden kann. Allein die Möglichkeit zur Unterstützung mehrerer Kanäle reicht nicht mehr aus. Entscheidend ist die Optimierung von Prozessen und Interaktionen mit Kunden auf allen Kanälen und Schnittstellen wie Online-Shops, Mobilgeräten oder Chats.

Fünf Ideen für den Omnichannel-Handel der Zukunft -
Echtes Autohaus virtuell besichtigen
Fiat setzt auf Live-Videoübertragungen, um potenzielle Kunden anzusprechen. Dabei präsentieren Mitarbeiter mit Headset und Webcam neue Modelle. Gleichzeitig blendet Fiat Informationen und Farbvariationen ein. Die Zuschauer können Probefahrten vereinbaren.
Über Barcodes Gutscheine für Freunde erstellen
Mit der mobilen Anwendung Jifiti können Nutzer in ausgewählten Geschäften Barcodes an Produkten einscannen und daraus Geschenkgutscheine herstellen. Diese lassen sich digital versenden. Der Empfänger kann damit das Geschenk im Laden abholen oder es online bestellen.
Laden markiert die auf Pinterest beliebtesten Waren
Die in Seattle ansässige Kaufhauskette Nordstrom markiert jene Produkte, die auf Pinterest am häufigsten gepinnt werden. Momentan verfügt Nordstroms Pinterest-Account über 4,5 Millionen Follower, so dass die Schilder die Meinung einer erheblichen Anzahl von Kunden repräsentieren.
Touchscreen mit endlosem Warenkatalog
Die britische Supermarktkette Tesco stellt in Filialen Touchbildschirme auf, auf denen Kunden mehr als 11.000 Produkte finden. Die Artikel lassen sich unter anderem nach Preis filtern. Kunden können die Produkte an einem Abholschalter mitnehmen oder sich nach Hause schicken lassen.
Nahtloser Kundendialog über mehrere Kanäle
Der Anbieter SapientNitro erlaubt mit dem System Connected Retail einen Kundendialog über mehrere Kanäle. Ein Sportartikelhändler ermöglicht Kunden mit Connected Retail, sich zuhause von einer virtuellen Shoppingassistentin online beraten lassen und einen Besuchstermin im Geschäft vereinbaren. Im Laden ist die Assistentin per Bildschirm an der Beratung beteiligt.

Eine zentrale Commerce-Plattform

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Möglichkeit zur schnellen Implementierung verschiedener Geschäftsmodelle in einer zentralen Lösung. Um wettbewerbsfähig zu bleiben benötigen Unternehmen ein System, das verschiedene Geschäftsmodelle wie B2B-, B2C- und B2B2C-Commerce sowie andere komplexe Beziehungen mit Leichtigkeit unterstützen kann. Unterschiedliche Geschäftsbedingungen, Preise, Produktkataloge und Aktionen können so für die einzelnen Kunden zentral verwaltet werden. Darüber hinaus müssen verschiedene Workflows wie die Registrierung oder Freigabe von Bestellungen im System integriert sein. Da sich auch der Customer Service im B2B-Bereich deutlich komplexer gestaltet, ist eine durchdachte Kontoverwaltung erforderlich, die eine konsolidierte Ansicht getätigter Aufträge aus verschiedenen Kanälen sowie des Bestellstatus ermöglicht. Ergänzend sollte die Möglichkeit zur Speicherung von Kundeninformationen wie Nutzer, Lieferadressen, Kostenstellen und Arbeitslisten bestehen.

Kauferlebnis wie im B2C-Handel

Marketing- wie auch Merchandising-Funktionen sind ein weiterer wichtiger Aspekt einer B2B-Omnichannel-Commerce-Lösung. Vor allem Benutzerfreundlichkeit und Komfort können ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im B2B-Geschäft sein. Online-Merchandising-Funktionen wie die erweiterte Suche und Navigation sowie Möglichkeiten zum Cross-/Up-Selling gewährleisten den Kunden das schnelle und einfache Suchen und Finden ihrer bevorzugten Produkte und Leistungen. Dazu bieten Segmentierung und Targeting, Personalisierung, Empfehlungen und vielschichtige Promotion-Aktionen Marktchancen, mittels derer die Verkaufszyklen verkürzt und die Rentabilität von Kundenbeziehungen erhöht werden können.

Unterstützung aller B2B-Transaktionen

Der B2B-Verkaufsprozess erfordert aufgrund seiner Komplexität eine Vielzahl an Bestellfunktionen einschließlich automatisierter Nachbestellung, Erfassung mehrerer Produkte bzw. Großaufträge sowie Bestellabläufe und -genehmigungen. Entsprechende Lösungen müssen außerdem eine Vielzahl an Anforderungen hinsichtlich der Abwicklung erfüllen, wie die Integration von Beschaffungssystemen, Fakturierungs- und Kreditmanagement, ERP- und auch Lagerintegration. Komplexe B2B-Systeme setzen darüber hinaus leistungsfähige Berichts- und Analysefunktionen zur Verfolgung wichtiger Leistungsindikatoren und Identifizierung verbesserungsfähiger Bereiche voraus.

4 Tipps, wie man mit Multichannel den Verkauf ankurbeln kann -
Multichannel-Werkzeuge sinnnvoll einsetzen
Kanäle wie der eigene Onlineshop, Newsletter, soziale Netzwerke und die stationäre Filiale sollten konsequent miteinander verzahnt werden. Quelle: Prodware
Starke IT im Hintergrund
Unternehmen, die das Thema Crosschannel erfolgreich umsetzen möchten, müssen die Weichen in erster Linie mit einer optimalen IT-Infrastruktur stellen. Quelle: Prodware
Potential des stationären Handels nutzen
Geht es um Elektronik und Mode, kaufen Verbraucher ihre Produkte vorzugsweise im stationären Geschäft. Quelle: Prodware
Kanäle klug verzahnen
Mit der stetig wachsenden Zunahme an mobilen Endgeräten erwarten Kunden mehr denn je, Produktinformationen jederzeit und überall abrufen zu können und im besten Falle auch zu kaufen. Quelle: Prodware

Leistungsfähiges Content-Management

Damit klare und informative Produktdetails bereitgestellt werden können, sollten B2B-Omnichannel-Commerce-Systeme über umfangreichen Multimedia-Content verfügen. Was zählt ist die kanalübergreifende Verfügbarkeit von einheitlichen, präzisen und aktuellen Informationen zu Produkten und Services sowie die Möglichkeit, gezielt Inhalte für unterschiedliche Vertrags- und Handelsbeziehungen bereitstellen zu können. Für die Unterstützung des Vertriebs bietet sich auch die Bereitstellung von PDF-Katalogen für Vertriebsmitarbeiter und Käufer an. Ebenfalls wichtig ist eine Optimierung von Content-Management und -Prozessen. Das System muss strukturierten und unstrukturierten Inhalt auf einer zentralen Plattform zusammenführen, um Inhalte auf allen Kanälen nutzen zu können. Dabei sollte der Content-Autor auf unkomplizierte Art und Weise an der Erstellung von Inhalten mitarbeiten sowie Genehmigungsprozesse einfach verwalten können. Damit reduziert ein Unternehmen Zeit und Kosten, die üblicherweise mit der Produktion und Streuung gedruckter Materialien wie Katalogen und Broschüren einhergehen.

Vollständige Integration von Backoffice-Systemen

Damit B2B-Omnichannel-Commerce effektiv betrieben werden kann, sollten alle Backend-Systeme, die Kundenbeziehungen unterstützen, vollständig integriert werden. Dazu gehören unter anderem Fulfillment, Logistik, CRM, Finanzierung und Rechnungsstellung.

Effizientes Marketing

Funktionen zum Support von Marketingaktivitäten sollten mit Omnichannel-Lösungen ebenfalls bereitgestellt werden können. Indem kanalübergreifende Kampagnen geplant, ausgeführt, überwacht, erfasst und angepasst werden, kann das Unternehmen zusätzlichen Mehrwert erzielen.

Die Zukunft von B2B-eCommerce

Der B2B-Handel wird durch die Konsumerisierung verändert, da Geschäftskunden zunehmend das gleiche Angebot an Kanälen und Funktionen für ihr Kauferlebnis erwarten, dass sie aus dem Privatbereich kennen. Das stellt neue Anforderungen an den Handel, eröffnet jedoch ein enormes Geschäfts- und Wettbewerbspotential. Der Schlüssel zur Bereitstellung aller entsprechenden Tools und Funktionen sind B2B-Omnichannel-Commerce-Systeme. Werden bestimmte organisatorische und technische Voraussetzungen beachtet, unterstützen sie optimal komplexe Geschäftsbeziehungen über alle Kanäle hinweg und ermöglichen so ganzheitliche Kauferlebnisse von höchster Qualität. (rw)

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