Die neue HP: "Kulturelle Differenzen und Siegermentalität"

25.07.2002
Der Graben der Kulturen in der neuen HP wird breiter: nach der Bekanntgabe der Details zum Stellenabbau zeigten sich die Hewlett-Packard-Mitarbeiter zufrieden, die Compaq-Vertreter reagierten hingegen mit einer erneuten Kampfansage an das Management.

Es gibt Menschen, die können sogar schlechten Botschaften noch etwas Gutes abgewinnen: "Die Zeit des Wartens ist vorbei, wir wissen endlich, woran wir sind", sagte ein Mitarbeiter der Böblinger HP-Zentrale gegenüber ComputerPartner, nachdem das Unternehmen vergangene Woche Details zum kommenden Stellenabbau veröffentlichte. "Alle sind positiv überrascht, dass jetzt doch nur 1.100 Leute gehen müssen", so der Vertriebsspezialist. Denn nach Bekanntgabe der Fusion mit Compaq hatte Hewlett-Packard Entlassungen im großen Stil angekündigt. In Deutschland rechnete man mit der Streichung von bis zu 1.800 Stellen.

An diesen Spekulationen habe man sich bewusst nie beteiligt, sagt HP-Betriebsrätin Petra Mesenig. Das Ziel, möglichst großen Stellenabbau zu vermeiden, habe man erreicht und würde nun "in Anbetracht der ernsten Lage kurz durchatmen". Die Interessenvertreter der HP-Belegschaft sind zufrieden: Mit dem Abbau von rund 1.100 Stellen stehe HP Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarn "relativ gut da", so Mesenig. Man habe sich mit der Geschäftsleitung auf einen "vernünftigen Interessenausgleich und Sozialplan" geeinigt. Nun wolle man vor allem darauf achten, dass der Stellenabbau "sauber und fair abgewickelt wird".

1.074 von insgesamt 8.500 Arbeitsplätzen des fusionierten Unternehmens werden in den nächsten Monaten über Altersteilzeit und ein freiwilliges Abfindungsprogramm eingespart. 52 Prozent (560 Stellen) entfallen dabei auf HP, 48 Prozent (514 Stellen) auf Compaq. Am meis-ten sind die Bereiche Enterprise System Group und HP Services von den Kürzungen betroffen (siehe Tabelle). Verschont werden hingegen die Fertigung von Großrechnern und Speichersystemen, die Softwareentwicklung, das europaweite Outsourcing-Geschäft und wesentliche Teile des Bereichs Drucker und Bildbearbeitung. Auch die strategisch wichtigen IT-Dienstleistungen werden kaum berührt.

Für die erfolgsverwöhnten HP-Mitarbeiter ist die Situation besonders schwierig, einen Stellenabbau in dieser Größenordnung haben sie noch nie erlebt. Das weiß auch Deutschland-Geschäftsführer Heribert Schmitz. Er hofft auf Verständnis bei der Belegschaft: "Ein Stellenabbau ist nicht einfach", schreibt er in einer internen Mail, die ComputerPartner vorliegt. "Auch in Deutschland müssen wir unseren Beitrag dazu leisten, damit das neue Unternehmen HP mit wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen gestärkt aus der Integration hervorgehen kann." HP strebe eine faire Umsetzung des Stellenabbaus in Abstimmung mit den Mitbestimmungsgremien an: "Bitte unterstützen Sie uns, dass wir dieses Ziel bestmöglich erreichen", so Schmitz weiter.

Compaq-Vertreter sprechen von Kahlschlagpolitik

Auf Verständnis seitens der Compaq-Fraktion hofft das Firmenoberhaupt jedoch vergeblich. Während für die HP-Mitarbeiter bereits ein Interessenausgleich und Sozialplan verabschiedet wurde, muss mit den Compaq-Vertretern noch verhandelt werden. Und die geben sich kämpferischer als je zuvor: "In dieser Kahlschlagpolitik der Geschäftsleitung sind keinerlei Überlegungen erkennbar, wie durch intelligentes Management so viele Jobs wie möglich im Unternehmen gehalten werden können", beklagt Christian Brunkhorst, Vorsitzender des Compaq-Betriebsrates. "Eine ernste Prüfung von Alternativen durch das Management hat es nicht gegeben. Unsere Vorschläge wurden ohne Diskussion vom Tisch gewischt."

Compaq ist mit 2.600 Mitarbeitern deutlich kleiner als HP Deutschland (5.900 Beschäftigte, jeweils inkl. Europazentrale) und damit stärker von den Streichungen betroffen. In die Compaq-Quote sollen allerdings auch geplante Restrukturierungsmaßnahmen eingeflossen sein, die bereits vor der Fusion beschlossen wurden. Dennoch sehen die Compaq-Vertreter ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Es drohe die Gefahr des Beginns einer Abwärtsspirale, so Walter Rosenberg, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Compaq-Betriebsräte: "Die verbleibenden Beschäftigten sollen den Umsatz stabil halten. Weniger Umsatz bedeutet aber weitere Kostensenkungen." Und die hätten vor allem weiteren Personalabbau zur Folge. "Kaputtsparen" nenne man das, sagt Rosenberg.

Das sieht auch Sybille Wankel, bei der IG Metall zuständig für Compaq, so. Das Management setzte die von IG Metall und Betriebsräten geforderte Integration der Firmen und damit die geschäftliche Zukunft von HP in Deutschland aufs Spiel, wenn es "echte Verhandlungen" mit den Compaq-Vertretern als gleichwertige Partner weiter verzögere, so Wankel. "Die meisten Großfusionen scheiterten an kulturellen Differenzen und Siegermentalität".

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung:

Dass die Compaq-Vertreter wütend sind, ist verständlich, schließlich sind sie vom Stellenabbau am stärksten betroffen. Dennoch ist das auch für die Mitarbeiter sicher keine Überraschung. Der Stellenabbau hat aber nichts damit zu tun, dass man die Compaq-Crew loswerden oder austauschen will, sondern mit dem Thema Wettbewerbsfähigkeit. Das werden wohl beide Fraktionen noch einsehen müssen. (mf)