Linux auf dem Stick

Die nützlichsten Distributionen

29.09.2023 von Hermann Apfelböck
Zweitsysteme auf USB eignen sich als mobile Allzwecksysteme, als sichere Surfsysteme oder als Reparatur- oder Backup-Dienstleister. Für die erstgenannten Einsatzgebiete ist Geschwindigkeit Pflicht, aber auch generell darf es gerne schnell gehen.
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Gesucht wird das schnellste und beste Linux auf USB als Allzweck-Zweitsystem. Was wir in diesem Beitrag empfehlen werden, sind dann allerdings nicht die typischen Minimalisten oder Live-Spezialisten, die sich als Kandidaten scheinbar aufdrängen. Denn das Ergebnis sollte mehrheitstauglich und halbwegs komfortabel ausfallen - und das wirft diverse typische Mobil-Spezialisten aus dem Rennen.

Zur Info: Alle aufgeführten USB-Bootzeiten wurden mit einem 64-GB-Stick Sandisk Ultra 3.20 gemessen, allerdings auf einem älteren PC mit USB 3.0 (Gen1). Die Leistung kann auf ganz moderner Hardware besser ausfallen als hier gemessen, schlechter nur mit USB 2.0.

Aussortiert: Spezialsysteme für Bastler

Es gibt einige bekannte Minimalisten, die sich auf den Livebetrieb als Zweit- oder Servicesystem spezialisiert haben. Ursprüngliche Zielsetzung von Live-Pionieren wie Knoppix und Puppy war allerdings eine Lösung für eine extreme Mangelsituation, die eigentlich aus der Zeit gefallen ist: Das System sollte mit CD-Kapazität zurechtkommen, die Nur-Lesbarkeit dieses Mediums muss mit virtuellen Dateisystemen im RAM kompensiert werden und dabei noch mit wenig RAM auf alter Hardware auskommen. Das sind Mangelbedingungen, die auf moderner Hardware und auf heutigen USB-Sticks eigentlich hinfällig sind. Minimalisten wie Porteus, Slax, Slitaz, Sparky, Tiny Core, Trisquel Mini oder Watt-OS setzen diese Techniken dennoch im Sinne einer Spezialisierung fort.

Klein, schnell und eingebaute Persistenz: Puppy-Livesysteme können technisch überzeugen, sind aber nicht pflegeleicht und lassen (deutschsprachige) Software vermissen.

Aus diesem Grund sortieren wir außer Knoppix alle oben genannten Kandidaten aus, obwohl ein Slax ein USB-Schnellbooter ist (10 bis 12 Sekunden) und ein Puppy Linux wieselflink im Alltagsbetrieb arbeitet.

Es gibt aber noch weitere Gründe: Slitaz und Tiny Core sind Reduktionsrekorde ohne echte Alltagsrelevanz. Slax, Puppy Linux und Porteus sind allenfalls für Bastler relevant: Allein schon, deren nicht-hybride ISO-Images (nur auf CD/DVD-bootfähig) auf USB zu befördern, nötigt zu manuellen Schritten (Slax) oder zum Umweg über eine CD oder eine virtuelle Maschine (Puppy, Porteus).

Weiterführende Anpassungen des Livesystems sind entweder kompliziert (Slax, Porteus) oder inhaltlich unbefriedigend: Die Puppy-Systeme bieten für ihr eigenes Paketformat wenig Software und diese praktisch nur englischsprachig.

Bei etlichen weiteren Minimalisten wie Sparky, Trisquel oder Watt-OS ergeben sich keine offensichtlichen Vorteile gegenüber einem Debian oder Derivaten wie MX Linux und Q4-OS.

Livesysteme: Ubuntu oder Knoppix?

Unetbootin und Ubuntu live mit Persistenz: Das ist besser als ein pures Livesystem, aber kaum optimal. Kleine Ubuntus sind regulär auf USBStick installiert schneller und flexibler.

Ein pures, unveränderliches Livesystem taugt nicht als Zweitsystem. Erst eine Persistenzoption für eigene Dateien, Anpassungen und Nachinstallationen macht das Zweitsystem attraktiv. Die Auswahl solcher anpassungsfähiger Livesysteme wäre trotz der oben aussortierten Live-Spezialisten enorm, weil jedes Ubuntu-basierte ISO-Installationsmedium über das Tool Unetbootin mit Persistenz auf USB geschrieben werden kann. Sie müssen dazu im Unetbootin-Fenster neben der Option "Platz um Dateien zwischen Neustart zu erhalten" nur eine MB-Angabe eintragen. 2000 bis 8000 MB sind je nach Kapazität des USB-Sticks sinnvolle bis großzügige Werte. Unetbootin meldet dann beim Aktionsschritt 3 ("Installiere Startverwalter") zusätzlich die Aktion "Erstellen der Persistenz".

Optimal sind Live-Ubuntus allerdings nicht, weil sie aufgrund eines standardisierten Checks des Livemediums nicht sonderlich schnell booten. 40 Sekunden sind auch bei kleinem Lubuntu oder Xubuntu für jeden Start einzurechnen. Aus Leistungsgründen sind Ubuntu-Distributionen daher eher ein Fall für ordentliche Installation auf USB.

Noch ein zweiter Grund spricht gegen Live-Ubuntu auf USB: Es gibt dabei keine Möglichkeit, das USB-Medium durch Verschlüsselung zu schützen.

Live-Klassiker Knoppix mit Persistenz: Die Overlay- Partition ermöglicht dem Livesystem Desktop- Anpassungen, Installationen und Deinstallationen.

Das Debian-basierte Knoppix ist der Live-Klassiker schlechthin und ein "No-Brainer". Wem der relativ einfache LXDE-Desktop nicht zu schlicht ist, kann mit Knoppix definitiv nichts falsch machen. Deutschsprachig, mit exzellenter Hardwareerkennung, opulenter Softwareausstattung und anspruchslosem LXDE-Desktop ist Knoppix erste Wahl für ein Zweit- oder Surfsystem.

Mit USB-Bootzeiten von 20 Sekunden zum eingabebereiten Desktop gehört Knoppix zu den schnellen Livestartern, wenngleich er mit Spezialisten wie Slax oder Porteus nicht ganz mithalten kann.

Im laufenden Betrieb und beim Start von Programmen ist die Knoppix-Leistung durchschnittlich, aber jederzeit agil. Knoppix hat aber zusätzlich den unschätzbaren Vorteil, dass weder der LXDE-Desktop viel Eingewöhnung fordert noch Software nachinstalliert werden muss. Knoppix hat wirklich alles an Software und Tools am Start.

Der Download von einem der Mirrorserver unter www.knopper.net/knoppix-mirrors beträgt für die aktuellste Version 9.1 circa 4,4 GB. Achten Sie in der Liste der ISO-Dateien auf "-DE" im Dateinamen ("Knoppix_V9.1DVD-2021-01-25-DE.iso"). Das hybride ISO-Abbild kann mit den üblichen Tools auf USB-Stick kopiert werden.

Für häufige Nutzung ist die Persistenzoption unentbehrlich, die bei Knoppix "Overlay-Partition" heißt. Dazu müssen Sie aber aus einem bereits laufenden Knoppix ein zweites erstellen. Das maßgebliche Tool "Flash Knoppix" finden Sie unter "Knoppix -› Knoppix auf Flash kopieren". Nach Auswahl des Zieldatenträgers folgt die "Installation auf FAT32 mit zusätzlicher Overlay- Partition". Die Abfrage zur Größe der Overlaypartition können Sie auf einem USB-Stick einfach mit "OK" übernehmen. Dann erhält die Overlaypartition auf dem Stick die komplette Restkapazität, die das eigentliche Knoppix-System übriglässt. Eine letzte Frage betrifft den optionalen Verschlüsselungsschutz der Overlaypartition. Es handelt sich um die einzige Möglichkeit, einen USB-Stick mit Knoppix systemweit zu schützen, weil Knoppix als Livesystem keine Benutzerverwaltung hat. Die Verschlüsselung schützt neben dem Knoppix-System auch die persönlichen Daten auf dem USB-Stick.

Mit Overlaypersistenz erlaubt Knoppix Anpassungen aller Art, auch Nachinstallationen und Entfernen überflüssiger Pakete. (De-)Installationen sind wahlweise über apt im Terminal zu realisieren oder auch über Synaptic.

USB-Installation: Schnelle Kandidaten

USB-Installationen: Systempartition und Bootloader müssen als Ziel den USB-Stick erhalten. Mehr ist bei der Partitionierung nicht nötig, wenn die Installation im Bios-Modus erfolgt.

Jedes Linux lässt sich regulär auf USB-Stick installieren. Ein installiertes mobiles Linux auf USB oder SD-Karte ist genauso updatefähig, ausbau- und anpassungsfähig wie auf Festplatte. Anders als beim Livesystem (mit oder ohne Persistenz) ist hier ein USB-Stick mit mindestens 32 GB Kapazität zu empfehlen, besser größer.

Die Installation geschieht typischerweise im Livesystem, dessen ISO-Image Sie zunächst herunterladen, kopieren und dann im Bios-Modus starten. Bei der Partitionierung während der Installation müssen Sie dann den USB-Datenträger als Zielpartition für das System angeben, zweitens unbedingt auch als Zielort für den Bootloader. Die Vorgehensweise ist für die empfohlenen Systeme anschließend noch genauer beschrieben.

Bei der Wahl der Distribution gibt es keine prinzipiellen Beschränkungen. Aber im Sinne eines möglichst schnellen Bootvorgangs und einer agilen Systemnutzung gibt es besser und schlechter geeignete Distributionen.

Kleine Ubuntus: Im Gegensatz zum Livebetrieb booten auf USB installierte Ubuntus recht flott zum Desktop. Schnellster Starter ist das Ubuntu-basierte Bodhi Linux, das in 13 Sekunden zum Desktop lädt. Bodhi ist auch im Betrieb und bei Programmstarts überragend schnell, lässt aber bequeme Konfigurationszentralen vermissen und hat einen gewöhnungsbedürftigen Moksha-Desktop. Unsere Ubuntu-Empfehlung ist daher das unkomplizierte Lubuntu, das - installiert auf USB 3.x - nach 21 Sekunden am Log-in ist.

Für die Lubuntu-Installation benötigen Sie das ISO-Image von https://lubuntu.me/downloads/ (2,5 GB). Das hybride ISO-Abbild kann mit den üblichen Tools (Etcher, Gnome-Disks, USB-Imager et cetera) auf einen USB-Stick kopiert werden. Damit booten Sie einen Rechner, laden das Bios-Bootmenü (Esc, F8, F9, seltener F10, F11, F12) und dort den Stick im Bios-Modus (ohne "Uefi"). Das Livesystem bietet dann die Installation mit dem Tool Calamares an, die Sie auf einen zweiten und eigentlichen USB-Stick absolvieren.

Der beim Setup wesentliche Punkt "Partitionen" muss also oben bei "Speichermedium" auf den USB-Stick verweisen. Über "Manuelle Partitionierung" löschen Sie dann eventuell vorhandene Partitionen des Sticks und erstellen auf dem nun "freien Platz" eine primäre Ext4-Partition mit Einhängepunkt "/". Die unscheinbare Option "Verschlüsseln" sorgt bei Bedarf für Vollverschlüsselung des Sticks. Zurück im Hauptdialog muss ganz unten die Option "Installiere Bootloader auf" unbedingt ebenfalls auf das USB-Laufwerk gesetzt werden, damit das USB-System später an jedem Rechner starten kann.

Hinweis: Andere Ubuntus wie Xubuntu oder Bodhi Linux verwenden einen anderen Installer (Ubiquity). Die Vorgehensweise unterscheidet sich dort deutlich, die prinzipielle Vorgehensweise ist aber entsprechend. Die Abbildung auf dieser Seite zeigt den einschlägigen Installer-Dialog.

Q4-OS bei der USB-Installation: Die Distribution mit klassischem Trinity-Desktop hat sich optisch modernisiert und ist schneller und schlanker als jedes Ubuntu.

Q4-OS ist mit Debian-Unterbau und Trinity-Desktop schnell und anspruchslos. Für einen reinen Livebetrieb ist es nicht ideal, weil es nach der Auswahl der deutschen Lokalisierung die nötigen Pakete stets erst aus dem Internet nachlädt und damit kaum unter einer Minute zu starten ist. Es ist aber ein idealer Kandidat für die reguläre Installation auf USB. Dazu muss das hybride Download-ISO erst auf einen USB-Stick kopiert und im Livesystem Q4-OS, das im Bios-Modus gestartet werden muss, auf einen zweiten und endgültigen USB-Stick installiert werden.

Die Installation erledigt hier ein eigener, aber Calamares-ähnlicher Installer, wobei unter "Software" am besten "Q4OS-Desktop" mit vollständiger Programmausstattung zu wählen ist. Unter "Partitionen" muss ganz oben unbedingt das richtige Speichermedium aktiviert werden, wobei Sie dann alles Vorhandene "Löschen" und mit "Erstellen" die Systempartition mit Einhängepunkt "/" anlegen. Eine Partitionsverschlüsselung mit Luks ist hier ebenfalls vorgesehen. Nach "OK" muss noch der Bootloader im Dialog ganz unten auf das USB-Laufwerk gesetzt werden.

Nach der Installation holen Sie die deutsche Lokalisierung nach, was das System selbst anbietet. Danach startet der "Desktop- Profiler", um die Softwareausstattung zu komplettieren.

Das installierte System startet auf USB-3.0-Stick in 15 Sekunden und belegt nach der Anmeldung für System und Desktop knapp 400 MB RAM. Der Desktop Trinity basiert auf dem eingestellten KDE 3 und wirkte lange Zeit reichlich retro. In den jüngsten Versionen (aktuell 4.10) hat sich die Oberfläche optisch gründlich modernisiert, und eingängig, übersichtlich sowie anpassungsfähig war sie schon immer. Die Arbeitsfläche ist eine klassische Dateiablage, das Menü ähnelt dem Stil älterer Windows-Versionen und die Systemleiste ("Kontrollleiste") enthält mit Schnellstarter, Fensterliste und Indikatoren die typischen Elemente.

Unser Favorit bei der Installation auf USB: MX Linux mit Fluxbox garantiert einen überaus agilen Programmalltag auf USB-Stick.

MX Linux: Diese Distribution nutzt auf Debian-Basis entweder den klassischen XFCE-Desktop (1,7-GB-ISO) oder den besonders schlanken Fenstermanager Fluxbox (1,4-GB-ISO), der sich lediglich einige XFCE-Anleihen wie den Xfce4-Appfinder leistet (als Menüersatz). Die Fluxbox-Variante ist für ein mobiles Zweitsystem eine schlanke Wahl, XFCE die komfortablere. Die eine oder andere englischsprachige Beschreibung oder Menübezeichnung muss man bei MX Linux aber in beiden Desktops in Kauf nehmen.

Auch für MX Linux muss zunächst das hybride Download-ISO auf einen USB-Stick kopiert werden. Mit dem Livesystem von MX Linux, das im Bios-Modus gestartet werden muss, wird es dann auf den zweiten und endgültigen USB-Stick installiert.

Das Setup verläuft einfach und linear, wenngleich ein paar Fragen mehr gestellt werden: Im Bootmenü des Livesystems wählen Sie zunächst mit F2 die Sprache "Deutsch" und mit F3 die Zeitzone "Berlin". Dann starten Sie den obersten Eintrag "MX- 21.2". Eventuelle Fragen nach der Grafikkarte quittieren Sie ohne Auswahl mit Eingabetaste, starten zum Desktop des Livesystems und klicken auf den Installer-Link am Desktop.

Als "Art der Installation" verwenden Sie "Normale Installation" und wählen dann im Drop-down-Feld darunter sorgfältig den USB-Stick, der das Installationsziel ist. Beachten Sie darunter die Option "Verschlüsseln", die System und Stick durch Luks-Datenträgerverschlüsselung schützt. Während der Installer dann bereits kopiert, werden die Daten für den Erstbenutzer, die Sprache und die Zeitzone, ein root-Kennwort, ein Computername sowie die Samba-Arbeitsgruppe abgefragt. Der Vorgang ist etwas umständlicher als bei Ubuntu & Co., aber letztlich einfacher, als diese Einstellungen später im laufenden System zu suchen.

Nach ordentlicher Installation auf USB 3.0 beträgt die Startzeit zur Desktopanmeldung etwa 18 Sekunden. Der RAM-Bedarf liegt unter 500 MB. Alle Programme, auch größere Brocken wie Browser oder Libre- Office-Komponenten, sind frappierend reaktionsschnell. Die Fluxbox-Variante von MX Linux ist tempomäßig mit Bodhi Linux vergleichbar, dabei aber deutlich pflegeleichter.

Systemoptimierung: Ausmisten und erweitern

Für ein ordentlich auf USB installiertes Linux-System gibt es nur eine nennenswerte Einschränkung: Installieren Sie besser keine proprietären Treiber, wenn das System auf unterschiedlicher Hardware funktionieren soll. Ansonsten haben Sie alle Möglichkeiten, Software zu installieren, Software zu entfernen sowie das System zu optimieren.

Software installieren und beseitigen: Alle hier empfohlenen Kandidaten verwenden das Debian-Paketformat und lassen sich über den apt-Paketmanager erweitern und entschlacken. Folglich können Sie in allen genannten Systemen in der üblichen Manier etwa mit

sudo apt install filezilla

Software ergänzen und Unnötiges mit sudo apt remove […] entsorgen.

Autostarts und Dienste: Um den Desktopstart und den Speicherbedarf zu optimieren, suchen Sie die "Startprogramme" auf. Wenn eine solche Zentrale fehlt, hilft auch direkte Dateibearbeitung unter "/etc/xdg/ autostart" und "~/.config/autostart". Komponenten, die Sie auf einem Mobilsystem nicht benötigen (Datensicherung, Blueman, Orca, Welcome …) deaktivieren Sie per Mausklick in der Zentrale oder durch Umbenennen auf Dateiebene.

Wer noch einen Schritt weiter gehen will, kann die gestarteten Dienste durchforsten:

sudo apt install filezilla

Dieser Befehl (statt systemctl) funktioniert sowohl unter systemd als auch ohne systemd - so etwa unter MX Linux. So sind die Dienste Cups (Drucken), Whoopsie (Fehlerreport), Apport (Fehlerprotokoll) oder Apparmor (Sicherheitserweiterung) auf einem Mobilsystem vermutlich entbehrlich. Einen Dienst stoppen Sie mit

sudo service --status-all

und entfernen ihn später mit

sudo service whoopsie stop

komplett, sofern er sich dauerhaft als überflüssig erweist.

(PC-Welt)