Marktanalyse

Die PC-Markt-Achterbahn

28.11.2022 von Armin Weiler
Steile Anstiege und ebenso rasante Talfahrten, das kennzeichnete den PC-Markt der letzten Jahre und Monate. So hoffen die Protagonisten, dass es wie bei der Achterbahn nach dem Fall wieder aufwärts geht.
Auch wenn sich der PC-Markt derzeit sich anfühlt wie eine Achterbahn, macht die Abwärtsfahrt auf dem Rummel wesentlich mehr Spaß als im PC-Geschäftt.
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Das ständige Auf und Ab im PC-Markt verursacht selbst bei gestandenen Channel-Managern Schwindelgefühle. Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs haben auch die deutsche IT-Branche gehörig durchgerüttelt. So fühlte sich der eine oder andere wie in einer Achterbahn, nur dass die Abwärtsfahrt auf dem Rummel wesentlich mehr Spaß macht als im PC-Markt. Lieferengpässe auf der einen und Überkapazitäten auf der anderen Seite, Konsumzurückhaltung gegenüber Beschaffungs- und Modernisierungsdruck, machen den Markt für PCs, Notebooks und Zubehör äußerst volatil. Vorausschauende Marktplanungen auf Seiten der Hersteller, der Distributoren und der Partner sind auf dieser Grundlage nur schwer zu meistern.

Die derzeitigen Marktzahlen dämpfen den branchenüblichen Optimismus. Laut den Marktforschern von Context wurden im zweiten Quartal 2022 über 13 Prozent weniger PCs, Notebooks, Tablets und Workstations von der Distribution vertrieben als im Vorjahresquartal. Zumindest konnte der Fall durch gestiegene Durchschnittspreise beim Umsatz etwas abgebremst werden. "Da sich die Versorgungslage seit Anfang des Jahres deutlich verbessert hat, steht nun eher die Nachfrage und nicht so sehr das Angebot im Fokus", erläutert Marie-Christine Pygott, Senior Analystin bei Context. In vielen Ländern gebe es nun sogar ein Überangebot, insbesondere bei Computern für Verbraucher, Bildungseinrichtungen und Geschäftskunden.

Auch im dritten Quartal 2022 setzte sich dieser Trend fort, das bestätigen auch die Analysten von Gartner. Die weltweiten PC-Auslieferungszahlen sind im Vergleich zu der Vorjahresperiode um 19,5 Prozent auf 68 Millionen Stück zurückgegangen. Laut Gartner ist das der stärkste Markteinbruch, seit das Unternehmen Mitte der 1990er Jahre mit den Erhebungen zum PC-Markt begann. Außerdem ist das bereits das vierte Quartal in Folge, in dem ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen ist.

"In vielen Ländern gibt es nun ein Überangebot, insbesondere bei Computern für Verbraucher, Bildungseinrichtungen und Geschäftskunden ", Marie-Christine Pygott, Senior Analystin bei Context
Foto: Context

Das auf den Channel spezialisierte Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Canalys hat für Q3 weltweit gesehen aber auch einen Gewinner ausgemacht: Demnach konnte Apple bei Desktop-PCs und Notebooks immerhin ein leichtes Plus von 1,7 Prozent bei den Stückzahlen gegenüber dem Vorjahreszeitraum verbuchen. Am stärksten Federn lassen musste unter den Top Fünf Dell mit minus 21,2 Prozent sowie HP mit minus 27,8 Prozent. An der Reihenfolge der weltweit führenden PC-Hersteller im Vergleich zum Q3/2021 ändert sich dadurch aber nichts. Spitzenreiter ist nach wie vor Lenovo vor HP, Dell, Apple und Asus.

Liefersituation hat sich entspannt

Die Ursachen sind vielfältig: "Die Umstellung von Windows 7 auf Windows 10 vor einigen Jahren, gefolgt von dem Investitionsboom in Client Produkte während der letzten drei Pandemiejahre haben die PC-Branche sehr verwöhnt. Nun ist das Nachfrageverhalten gedämpfter. Die steigenden Preise und die wirtschaftliche Ungewissheit tun ihr Übriges dazu", analysiert Santosh Wadwa, Head of Product Channel Sales, Central Europe bei Fujitsu. Seiner Ansicht nach gibt es aber auch gute Nachrichten, da sich die Liefersituation deutlich entspannt hat. Zudem sei die Auftragslage immer noch sehr gut und habe sich auf Vor-Pandemie-Niveau eingependelt. "Wir hatten durch die Pandemie einen Extra-Nachfrage, die sich nun wieder normalisiert", bestätigt Oliver Rootsey, Director Sales Channel/SMB bei Lenovo.

„Unsere Partner und Distributoren sind für uns wesentliche Marktbarometer“, Oliver Rootsey, Director Sales Channel/SMB bei Lenovo
Foto: Lenovo

Robert Perenz, Geschäftsführer bei Acer Deutschland, sieht im Endkundensegment neben des pandemiebedingten Booms mit vorgezogenen Kaufentscheidungen die derzeitige politische Lage als wesentlichen Faktor: "Das Konsumklima ist durch Krieg und Energiekrise sehr angespannt", stellt er fest. Für den Geschäftskundenbereich ist Hartmut Husemann, Director Commercial and Consumer Channel bei HP Deutschland, vorsichtig optimistisch: "Es gibt weiterhin einen klaren Investitionsbedarf", verzeichnet er. So gehöre die Ausstattung hybrider Arbeitsplätze in den allermeisten unternehmen mittlerweile zur Standard-IT-Ausstattung. Husemann verweist zudem auf Sicherheitslösungen, die in hybride Workplace-Modelle integriert werden müssen: "Das sind Investitionen, die keinen Aufschub dulden", weiß er.

Für Robert Laurim, Vice President & General Manager Channel bei Dell Technologies Deutschland, ist es jedoch nachvollziehbar, dass sich Unternehmen angesichts steigender Energiekosten und Inflation bei Investitionen zurückhalten. "Wir sind aber optimistisch, dass sich dies bald wieder ändern wird", macht Laurim Mut. Er verweist auf die Nachfrage nach Client-Systemen, die ohnehin regelmäßigen Zyklen unterliegen. "Dabei muss die industrieweit verhaltene Nachfrage, die wir hier aktuell erleben, auch im Kontext der Pandemie gesehen werden. Sie hat in den letzten zwei Jahren für einen außergewöhnlichen Boom bei Rechnern für Homeoffice und Homeschooling gesorgt", präzisiert der Dell-Manager. Deshalb dürfe man die aktuellen Zahlen nicht ausschließlich mit den Vorjahresquartalen vergleichen, sondern müsse den langfristigen Trend im Auge behalten.

„Unsere Lagerbestände verlaufen immer in Wellen, da die Beschaffung dem Bedarf folgt“, Konrad Seebauer, Vice Preseident Operations DACH & Endpoint Solutions Deutschland bei TD Synnex Germany
Foto: Tech Data

In der Distribution sieht man diesen Trend ebenfalls: "Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und der damit für uns allen sicht- und spürbaren Auswirkungen, gibt es einfach eine hohe Kaufzurückhaltung und nur noch notwendige Anschaffungen werden getätigt", meint Konrad Seebauer, Vice Preseident Operations DACH & Endpoint Solutions Deutschland beim aus der Fusion zwischen Tech Data und Synnex hervorgegangenen Broadliner TD Synnex. Dazu komme, dass in Deutschland eher konservativ und geplant gekauft und weniger spontan gekauft werde. "Zusammen mit den hohen Verkäufen während der letzten zwei Jahre ergibt dies einen massiven Rückgang des Marktes in diesem Bereich in kürzester Zeit", so Seebauer.

Randvolle Regale bei den Distributoren

Trotz dieser überfälligen Marktkonsolidierung wurde bei den Fertigern sehr optimistisch geplant. Hinter vorgehaltener Hand klagen Distributoren und Herstellern über randvolle Regale in den Logistikzentren. Den Vorwurf der zu blauäugigen Planung will sich aber keiner machen lassen. "Uns war völlig klar, dass die erhöhte Nachfrage nicht ewig anhalten wird, und haben uns entsprechend darauf vorbereitet", sagt Acer-Chef Perenz. Er sieht sein Unternehmen mit dem Netzwerk an "starken Partnern" und einem breit aufgestellten Produktportfolio für herausfordernde Zeiten gut gewappnet. "Dass das Auftragsvolumen nun, nachdem die Sonderfaktoren wegfallen, wieder auf ein Normalmaß gehen, wurde bei Fujitsu bereits in der Planung berücksichtigt", erläutert Satosh Wadwa.

„Der Investitionsboom in Client Produkte während der letzten drei Pandemiejahre haben die PC-Branche sehr verwöhnt“, Santosh Wadwa, Head of Product Channel Sales, Central Europe bei Fujitsu
Foto: Fujitsu

"Wir hatten stets eine realistische Sichtweise", beton auch HP-Manager Husemann. Er sieht sich durch Gespräche mit Partnern und Kunden darin bestätigt, dass es weiterhin "eine Notwendigkeit gibt, in eine passende Ausstattung der Mitarbeitenden für die hybriden Arbeitsmodelle zu investieren". Dazu kommen noch Investitionen für die zunehmende Digitalisierung sowie für Ergonomie bei Monitoren und Druckern und in Videokonferenz- Kommunikationslösungen.

Auch Dell-Channel-Chef Laurim ist von einer "kurz oder lang wieder anziehenden" Nachfrage überzeugt. Für ihn war nach den extrem starken beiden Vorjahren die aktuelle Entwicklung keine Überraschung. "Der PC ist und bleibt Kernstück jeder digitalen Strategie", bekräftigt er. Kein Unternehmen könne es sich leisten, die regelmäßigen Modernisierungen der IT-Landschaft auf die lange Bank zu schieben, denn das hemme Agilität und Innovation und führe so unter dem Strich zu höheren Kosten. "Gerade angesichts der steigenden Energiepreise können Unternehmen durch eine regelmäßige Modernisierung ihrer IT-Landschaft enorm Geld sparen", meint Laurim. Zudem sei Windows 11 mit den neuen Sicherheitsfeatures ein weiters starkes Motiv für Unternehmen, ihre Clients zu modernisieren. "Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wind wieder dreht", gibt sich der Dell-Manager optimistisch.

„Wir dürfen die aktuellen Zahlen nicht ausschließlich mit den Vorjahresquartalen vergleichen, sondern müssen den langfristigen Trend im Auge behalten“, Robert Laurim, Vice President & General Manager Channel bei Dell Technologies Deutschland
Foto: Dell Technologies

Um aktuelle und künftige Marktsituationen besser einschätzen zu können, ist eine enge Kommunikation zwischen den Markteilnehmern unabdingbar. "Unsere Partner und Distributoren sind für uns wesentliche Marktbarometer", bestätigt Oliver Rootsey von Lenovo. Man analysiere darüber hinaus im Team das Marktgeschehen regelmäßig, um sich auf Nachfrageänderungen schnell einstellen zu können.

So setzen auch die Distributoren auf intensive Kommunikation: "Eng mit den Herstellern und der Distribution zusammenarbeiten, um vorhandenes Business am Markt schnell aufzugreifen und gemeinsam umzusetzen", lautet der Ratschlag von TD-Synnex-Vice-President Seebauer. "Unsere Lagerbestände verlaufen immer in Wellen, da die Beschaffung dem Bedarf folgt", erklärt er. Aufgrund der langen Lieferzeiten über Seewege gebe es bei verändertem Bedarf jedoch eine hohe Latenzzeit. "Dieses Phänomen sehen wir gerade und davon ist natürlich die gesamte Branche betroffen", räumt er ein. "Wir erleben gerade zwei extreme Ausprägungen von Nachfrage in kurzer Zeit, besonders im Niedrigpreissegement", stellt Lenovo-Sales -Director Rootsey fest. Diesen Trend habe man bei Lenovo "bereits im Frühjahr" gesehen, und nur noch auftragsbezogene Waren ins Land geholt. "Wir unterstützen darüber hinaus unsere Distributoren mit Abverkaufsmaßnahmen, wo nötig", verspricht Rootsey.

„Uns war völlig klar, dass die erhöhte Nachfrage nicht ewig anhalten wird, und haben uns entsprechend darauf vorbereitet“, Robert Perenz, Geschäftsführer bei Acer Deutschland
Foto: Acer

Bei Acer sieht man schon eine deutliche Verbesserung im Jahresverlauf. "Dennoch bieten wir unseren Partnern und Distributoren weiterhin attraktive Konditionen sowie Projektrabatte innerhalb unseres Acer Fast Lane Programms", bekräftigt Robert Perenz. Darüber hinaus setzt der Acer-Chef auf die Förderung des Abverkaufs durch "effektive Marketing-Aktionen".

Fujitsu-Manager Wadwa berichtet von "zahlreichen Aktionen", die der Distribution helfen sollen, die Produkte zu verkaufen. Als Beispiele nennt er Verkaufsprogramme und Produktpromotionen. Dabei setzt er auch auf Partner, die zwar im Channel-Portal registriert sind, aber keinen Bonusvertrag haben. Das "Rising Stars Programm" soll interessante Vorteile bieten und wird zu hundert Prozent über die Distribution abgewickelt. "Damit können sich auch kleinere Partner attraktive Rabatte in der Zusammenarbeit mit Fujitsu sichern und die Distribution erfährt so nochmals ein starkes Abverkaufsinstrument", meint Wadwa. Zudem habe man eine große Vertriebsmannschaft, die vor Ort beim Kunden hilft, die Produkte über den Channel und damit über die Distribution zu verkaufen. "In Summe investieren wir jährlich 1,5 bis zwei Millionen Euro in Prozesse und Tools, damit die Zusammenarbeit unserer Partner mit uns einfacher wird. Davon profitiert auch die Distribution", bekräftigt er.

Optimismus zum Jahresende

So geht die Branche trotz aller Unwägbarkeiten vorsichtig optimistisch ins Jahresendgeschäft und in die mittelfristige Zukunft. So rechnet Konrad Seebauer von TD Synnex mit steigendem Umsatz im Vergleich zu den letzten Monaten. Dieser könnte eventuell aber unter dem Vorjahr liegen.

“Bei Geschäftskunden sehen wir weiterhin eine solide Nachfrage“, Hartmut Husemann, Director Commercial and Consumer Channel bei HP Deutschland
Foto: HP

Acer-Chef Perenz verweist auf den "perfekten Zeitpunkt" für Endkunden, in neue Hardware zu investieren. "Aktuell sind die Preise noch sehr attraktiv, diese werden aufgrund von Inflationseffekten und Wechselkurse allerdings kurzfristig ansteigen", prognostiziert er. Zudem gebe es noch "Restbudget" der kommunalen Träger. Im Consumer-Segment sieht HP-Channel-Direktor Husemann nach wie vor Bedarf für neue Hardware bei der Ausstattung mit einem persönlichen Notebook nach dem Motto "eine Hardware pro Haushaltsmitglied". Bei den Geschäftskunden rechnet er weiterhin mit einer "soliden Nachfrage", die sich nicht nur auf leistungsstarke Notebooks und Desktop-PCs, sondern auch auf Geräte wie Docking-Lösungen, Monitore, Drucker und Kommunikationslösungen erstreckt. "Im Daten- und Multi-Cloud-Zeitalter gibt es dafür noch enormes Potenzial. Das wollen wir gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern nutzen", lautet daher auch das optimistische Fazit von Dell-Manager Robert Laurim für den Channel.

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