Die Strategie der Schnecke

20.01.2005
Sehr gründlich beschäftigt sich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) mit VoIP, Entscheidungen ziehen sich hin. Vielen Marktteilnehmern geht dieser Prozess nicht schnell genug. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Thomas Hafen

Sehr gründlich beschäftigt sich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) mit VoIP, Entscheidungen ziehen sich hin. Vielen Marktteilnehmern geht dieser Prozess nicht schnell genug.

Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Thomas Hafen

"Es geht nicht darum, ob das Telefonieren über IP kommt, sondern wie schnell dieser Prozess voranschreiten wird", sagt Matthias Kurth, Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP). Für viele Marktteilnehmer ist die Behörde eines der letzten Hemmnisse auf dem Weg zu VoIP. "Durch die harte Regulierung in Deutschland wird die klassische Vermittlungstechnik protegiert", meint Jens-Peter Jacobs, Vorstand des VoIP-Spezialisten Avodaq. "Es muss in Deutschland schnell Klarheit bei der Regulierung herrschen", fordert Frank Obermeier, Director Channel & Regional Sales bei Avaya. Immerhin gibt es auch Verständnis für die Lage der RegTP: "Der Regulierer ist in einer Zwickmühle", sagt Frank Sinde, Business Manager Voice Solutions bei Damovo, "er muss Wildwuchs verhindern, ohne die Entwicklung aufzuhalten."

Um den richtigen Mittelweg bemüht sich die RegTP mit Gründlichkeit. Im April 2004 startete sie eine Anhörung, 87 Punkte umfasste der Fragebogen, bis Mitte Juli waren 64 Stellungnahmen von Providern, Herstellern und Verbänden eingegangen. Erste Ergebnisse präsentierte Kurth Mitte Oktober 2004 auf einer Veranstaltung der Behörde.

Drei Themen sind es, das zeigte die Anhörung, die Regulierer und Markt vor allem umtreiben: Rufnummer, Notruf und Entbündelung. Zu Ersterem hat die RegTP schon Entscheidungen getroffen - nicht alle zur Zufriedenheit der VoIP-Anbieter. Sie dürfen seit Mitte Oktober 2004 keine Ortsnetz-Vorwahlen mehr an Teilnehmer aus anderen Regionen vergeben. Bis August dieses Jahres müssen alle nicht regelkonform zugeteilten Rufnummern abgeschaltet sein. Um flächendeckend arbeiten zu können, müssten Provider also Rufnummern aus allen 5.200 Ortsnetzen erwerben. Seit kurzem gibt es wenigstens eine Alternative, die "Nationale Teilnehmerrufnummer (NTR) 032", die ortsunabhängig vergeben werden kann. Erste Zuteilungen der 1.000er-Rufnummernblöcke sollen noch im Januar 2005 erfolgen.

Trotz der harten Entscheidung vom vergangenen Oktober signalisiert die Behörde Entgegenkommen in der Rufnummernfrage. So könnten sie beispielsweise in 100er-Blöcken statt wie bisher nur zu jeweils 1.000 Stück vergeben werden. Dies würde die Eintrittsbarriere für kleinere Provider deutlich senken. Außerdem will die RegTP den Anschlussbezug überdenken. Die Rufnummer wäre dann nicht mehr wie bisher mit dem physikalischen Telefonanschluss gekoppelt, sondern mit dem Wohn- oder Firmensitz des Kunden.

Unklar ist die Lage beim Notruf. Im Unterschied zum Festnetz ist der IP-Telefonanschluss mobil. Der Anwender kann das Endgerät inklusive Rufnummer mitnehmen oder einen Soft Client auf seinem Notebook nutzen. Anhand der Teilnehmerdaten lässt sich der Standort eines Hilferufenden deshalb nicht automatisch ermitteln, wie dies derzeit im Festnetz geschieht. Kurth will dieses Problem gelöst sehen. "Die Konsumenten erwarten einen funktionierenden Notruf." Er signalisiert aber auch: "Die Notrufanforderungen dürfen nicht den Erfolg von Voice over IP in Frage stellen." Etwas technisch Unmögliches zu fordern hieße, das technisch Mögliche zu verhindern, so der RegTP-Präsident weiter.

Wenig Hoffnung macht der oberste Regulierer dagegen, wenn es um die Entbündelung der "Teilnehmeranschluss-Leitung" (TAL) geht. Diese Trennung von Sprach- und Datendiensten würde ein VoIP-Angebot erst richtig attraktiv machen. "Der Markt und die Industrie fordern eine möglichst zügige Entbündelung", sagt Ulrich Müller-Albring, Gesamtvertriebsleiter bei AVM. Wer nämlich einen Breitbandanschluss auf T-DSL-Basis benutzt, hat automatisch auch einen Telefonanschluss mit Grundgebühr. Angesichts niedriger Call-by-Call-Tarife ist deshalb der Anreiz beim Kunden, in IP-Telefonie zu investieren, gering - die Telefonleitung ist ja da und kostet Geld. "Nacktes" DSL ohne Telefonanschluss können derzeit nur Carrier mit eigener Zugangs-Infrastruktur wie QSC oder Broadnet bieten.

Die Entbündelung wird jedoch kaum etwas an der Situation ändern, macht der RegTP-Präsident klar. Man prüfe zwar die Möglichkeit eines "Stand-alone-DSL-Bitstromzugang", aber dieser sei nicht unbedingt wesentlich billiger als die TAL: "In jedem Fall müssen die Kosten für die gesamte Teilnehmeranschlussleitung abgedeckt sein", warnt Kurth. Immerhin könnte die Entbündelung ein anderes Problem lösen: das der Portierung. Wer derzeit auf VoIP umsteigt, bekommt auf jeden Fall eine neue Nummer, da er den Telefonanschluss nicht kündigen kann. Was für Privatkunden lästig ist, ist für Geschäftskunden teuer. Obermeier sieht in solchen Problemen die letzten Hürden für VoIP: "Der Kunde will sich nicht um Fragen wie Vorwahlzuteilung und Rufnummernportierung kümmern müssen."

Meinung des Redakteurs

Die Regulierungsbehörde macht beim Thema VoIP ihre Sache nicht schlecht. Nur bei der TAL-Entbündelung ist schnelles Umdenken erforderlich, wenn die IP-Telefonie wirklich den Massenmarkt erobern soll.