"Da frohlockt die Bottom Line!"

Englisch für Angeber

12.02.2010 von Winfried Gertz
Nicht nur Günther Oettinger hat ein Problem mit Englisch. Im Berufsleben versuchen viele mit einer kruden Mischung aus Deutsch und Englisch Kompetenz vorzutäuschen.

Wir suchen für sofort einen Front Office Assistant Manager im Face-to-face-Marketing." Wer beim Lesen dieser Stellenanzeige denkt, eine derart anspruchsvolle Aufgabe setze gewiss den Abschluss einer renommierten angelsächsischen Hochschule voraus, sieht sich getäuscht. Tatsächlich gesucht wird ein Mitarbeiter für eine Verkaufstheke, der dem Wunsch der Kunden nach einem heißen Käsebrötchen mit frittierten Kartoffelscheiben freundlich und umgehend nachkommen soll. Ein Verkäufer also, warum nicht gleich so?

Leben wir im "Plemplemland", wie der Münchner Kabarettist Günter Grünwald so trefflich unkt, oder ist die Hinwendung zum Englischen als derjenigen Sprache, die den privaten und beruflichen Raum dominiert, ebenso unabwendbar wie alternativlos? Zwei Drittel der Verbraucher verstehen englische Werbebotschaften nicht richtig, wie eine Studie der Kölner Agentur Endmark jüngst ermittelte.

Vom Knotenrechner mittelschnell (KMS) zum Server

Dass deutsche Nutzer mit der zum Standard erhobenen Sprache immer wieder auf Kriegsfuß stehen, lässt sich auch im beruflichen Bereich beobachten. Besonders heimgesucht ist neben der Finanzwelt die IT-Branche. "Als Softlab vor 38 Jahren an den Start ging", sagt Thomas Siegner, Marketing-Leiter des inzwischen in Cirquent umfirmierten Münchner Softwarehauses, "sprachen Mitarbeiter eher von Softlapp." Es gab sogar eine Phase, in der Englisch unbedingt vermieden werden sollte. Bei Siemens hießen Server "Knotenrechner mittelschnell" (KMS), beschreibt Siegner das andere Extrem.

Thomas Siegner, Cirquent: 'Es ist ein Krampf, alles übersetzen zu wollen.'
Foto: Softlab

Zwar hat sich die Englisch-Phobie inzwischen gelegt. Doch was an ihre Stelle getreten ist, strapaziert nicht nur die Nerven von Muttersprachlern. Nur wenige Klicks genügen, um im Netz eine Fülle von Videos zu finden, in denen sich Fach- und Führungskräfte auf Messen und Konferenzen der Lächerlichkeit preisgeben. "Wir bieten im Bereich Sophisticated Small Medium Business vertikale Lösungen an", sagt ein SAP-Manager etwa, "einfache, easy-to-use und simple Lösungen." Eine andere Fachkraft desselben Konzerns berichtet dem staunenden Publikum über "Fit for Growth, Employee Survey, Performance Feedback: Da frohlockt die Bottom Line."

Denglisch, das ungeschickt aus deutschen und englischen Fachbegriffen zusammengestellte Phrasenmenü, und nicht etwa Englisch ist die sprachliche Basis der Branche. "So einen schrecklichen Tschäinsch hatten wir noch nie", klagen Entwickler. "Das liegt nur an der miesen Jusebility", entgegnen ihre Bosse. "Die Pärformenz liegt weit unter dem Bänschmark."

Man ist unter sich; man nimmt an, der andere werde das Kauderwelsch schon irgendwie verstehen. Wahr ist auch: Denglisch täuscht Professionalität nur vor. "Das Imponiergefasel hat vor allem das Ziel, Dinge nicht beim Namen zu nennen", kritisiert Holger Klatte vom Verein Deutsche Sprache (VDS).

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Auf internationalen Konferenzen tun sich Deutsche oft schwer

Viele Firmen geben sich unter Verweis auf die Globalisierung einen internationalen Anstrich und lassen ihre Belegschaft englisch radebrechen. Dass es nur den wenigsten gelingt, sich aus Sicht muttersprachlicher Gesprächspartner angemessen auszudrücken, scheint geflissentlich ignoriert zu werden. Spätestens beim Kontakt mit Menschen aus London, Dublin oder New York zeigt sich das ganze Übel: "Wird auf Konferenzen englisch gesprochen und sind Muttersprachler dabei", sagt Klatte, "übernehmen sie das Kommando, weil die Deutschen nicht auf Augenhöhe sind. Das kann empfindliche Nachteile fürs Geschäft nach sich ziehen." Nicht auszudenken, man würde seinen englischen Geschäftspartner so um die Vertragsunterschrift bitten: "Sign on the Backside please." Auf dem Allerwertesten hat eine Signatur nichts zu suchen.

Lebenslauf und Vorstellungsgespräch in Englisch

Brigitte Hirl-Höfer, Microsoft: 'Jeder Mitarbeiter muss gutes Englisch sprechen.'

Das Denglisch-Unwesen kann IT-Firmen nicht einerlei sein. "In Einstellungsgesprächen", sagt IBM-Sprecherin Cornelia Reichenberger, "stellt sich heraus, ob jemand korrektes Englisch spricht oder nicht." Denselben Weg, um fremdsprachlich sattelfeste von denglisch palavernden Mitarbeitern zu trennen, wählt auch Microsoft. Jeder Mitarbeiter müsse "gutes Englisch" sprechen, so Personalleiterin Brigitte Hirl-Höfer. Wer für internationale Rollen vorgesehen sei, habe meist nichtdeutsche Vorgesetzte und müsse daher viel Englisch reden. "In solchen Fällen findet auch das Interview in Englisch statt."

Dass IT-Firmen beim Recruiting rigide die Spreu vom Weizen trennen, beobachtet auch Julian Simons, Karrierecoach bei Jobtalk; zum Teil sogar schon vor dem Vorstellungsgespräch oder Assessment Center: "Immer öfter verlangen Arbeitgeber einen Lebenslauf in Englisch." Manchem Bewerber drohe eine böse Überraschung. Wie einer Absolventin, die sich bei der Daimler-Gruppe beworben hatte. Ohne Vorwarnung führten die Personaler das Gespräch auf Englisch. "Schließlich hatte die Kandidatin im Lebenslauf angegeben, dass sie die Sprache beherrscht", erläutert Simons. Doch sie versagte, der Job war futsch.

Fremdsprachlich dilettiert wird bis in höchste Management-Positionen. So testet Simons potenzielle Führungskräfte - mit bescheidenem Ergebnis: "Viele fachlich kompetente Personen scheitern schon an einfachen Fragen."

Kulturelle Kompetenzen wichtig wie Fremdsprachen

Gut fahren Unternehmen, wenn sie auf Einstellungstests setzen, auf die sich Kandidaten gezielt mit Online-Vorbereitungskursen wie etwa dem Toefl (Test of English as a Foreign Language) oder dem Toeic (Test of English for International Communication) vorbereiten können. Noch wichtiger indes ist es, auch die Sprachqualität der Stammbelegschaft im Auge zu behalten. Unterstützung bieten Anbieter wie Berlitz und das Wall Street Institute, die Muttersprachler als Trainer in die Unternehmen schicken.

Sie sorgen dafür, dass die Kursteilnehmer nicht nur die Fachsprache beherrschen. "Sie sollen auch ein Gefühl für die Sprache, die Sprachmelodie, die gängigen Redewendungen und die Art der Kommunikation entwickeln", wie Teri Erhardt, bei der Sprachschule Berlitz zuständig für Qualitätssicherung, versichert. "Wichtig ist es zudem, Sprachbarrieren abzubauen. Hier setzen wir an, denn mit unserer Methode trainieren die Mitarbeiter situationsgerechtes Englisch-Sprechen und richtiges Hörverstehen. So wird das Gelernte fortdauernd gefestigt, und die Mitarbeiter verlieren auf diese Weise schnell ihre Sprachhemmungen. Außerdem geben wir den Mitarbeitern und der Unternehmensleitung wöchentlich Feedback über den Lernfortschritt der Teilnehmer. Das unterstützt ihre Disziplin und gibt ihnen gleichzeitig Sicherheit", erklärt Achim Gniffke, Operations Director Germany Wall Street Institute.

Dieter Schoon, Itelligence: 'Wir trainieren den Fachexperten so lange, bis er sattelfest ist.'

Beim SAP-Dienstleister Itelligence in Bielefeld ist das längst an der Tagesordnung, und zwar unter einer Bedingung: "Wenn jemand Experte ist, dann trainieren wir ihn online und im Crash-Kurs, bis er sattelfest ist", erläutert Personalchef Dieter Schoon. "Diese Maßnahmen sind uns viel Geld wert." Freilich wird in dem expandierenden Unternehmen, das rund um den Globus SAP-Projekte betreibt, nicht immer nach dem Trainer gerufen. Falle es einem Mitarbeiter schwer, sich angemessen auszudrücken, ständen ihm Kollegen schnell zur Seite. "Egal ob sie Belgier, Deutsche oder Muttersprachler sind", so Schoon.

Nicht minder wichtig sind Schoon die kulturellen Kompetenzen seiner Kollegen. Schließlich müssen sie regelmäßig in Teams, deren Mitglieder aus aller Herren Länder kommen, an einem Strick ziehen und sich mit sprachlich wie kulturell fremden Kunden verständigen. Laut Schoon lassen sich Barrieren durch langsames und verständliches Sprechen überwinden. "Dabei gilt immer: Erfolgreich kommuniziert, wer zuhören kann."

Auch ohne Oxford-Englisch kann man auf den Punkt kommen

Niemand bestreitet, dass Englisch als Lingua franca im internationalen Geschäftsleben den Ton angibt. Daran wird sich vorläufig nichts ändern, obwohl Mandarin zahlenmäßig mit weltweit 867 Millionen Sprechern die englische Sprachgemeinschaft inzwischen um ein Viertel überragt. Bleibt alles wie gehabt - lieber Kauderwelsch als richtiges Englisch? Es komme nicht darauf an, Oxford-Englisch zu sprechen, sagt Schoon. "Entscheidend ist, auf den Punkt zu kommen."