Erste Hilfe bei Ladendiebstahl

06.04.1998

KÖLN: Ein Einzelhändler, der einen Ladendieb ertappt hat, steht nicht selten vor dem Problem, was er in diesem Fall weiter tun darf und soll. Informationen zu den Rechten und Pflichten des Einzelhandels-unternehmers nach der Aufdeckung eines Landendiebstahls hat der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) unter dem Titel "Ladendieb entdeckt, was tun?" zusammengefaßt.

Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist die Zahl erfaßter Ladendiebstähle 1997 bundesweit um 3,2 Prozent auf 677.542 Fälle angestiegen. Die Zahl nicht statistisch erfaßter Delikte

beruht dagegen nur auf Schätzungen: Eine bundesweite Umfrage des HDE in 1997 ergab, daß rund 28 Prozent der Einzelhandelsunternehmen nicht jeden Ladendiebstahl anzeigen. 70 Prozent aus dem Grund, weil nach

ihren Erfahrungen die Strafverfahren gegen Ladendiebe eingestellt

wurden.

Eine Abgrenzung zwischen Ladendiebstahl und Betrug ist allerdings auch nicht immer einfach. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juli 1995 entschieden, daß ein Diebstahl vorliegt, wenn jemand im Einkaufswagen Waren versteckt, sie an der Kasse nicht aufs Band legt, die Verkäuferin nichts merkt und der Kunde nach dem Bezahlen Waren vom Band einpackt. Dies nehmen die Richter auch dann an, wenn an der Kasse gefragt wird, ob alle Waren vorgelegt wurden, und diese Frage wahrheitswidrig beantwortet wurde.

Auch bei Betrug gibt es kein Pardon

Nicht um einen Ladendiebstahl, sondern um einen Betrug handelt es sich, wenn der Kunde Preisschilder oder die Aufkleber mit Strich-Codes austauscht (Beschluß vom 24.7.1995 - 4 StR 243/95).

Rechtlich gesehen kommt in solchen Fällen zum Betrug eine Urkundenfälschung dazu, wenn es sich um eine feste Verbindung zwischen Ware und Preisschild gehandelt hat. Auch ein solcher Betrug und/oder eine solche Urkundenfälschung sollte unbedingt ebenso zur Anzeige gebracht werden.

Voraussetzung für die Strafbarkeit ist beim Ladendiebstahl die Wegnahme "in der Absicht, dieselbe (die Sache) sich rechtswidrig zuzueignen", das heißt, der Straftäter muß mit Vorsatz weggenommen und mit Zueignungsabsicht gehandelt haben. Dazu HDE-Rechtsexpertin Martina Lorenzen: "Damit bespielsweise die Ausrede, das Diebesgut sei versehentlich oder durch das dreijährige Kind in die Tasche geraten, vor Gericht keinen Erfolg hat, sollte der Zeuge des

Ladendiebstahls den Vorsatz belegen können." Zum Beispiel dadurch, daß er schildern kann, daß der Angeklagte sich vor der Wegnahme vergewissert hat, ob er nicht beobachtet wird.

Wann darf der Ladeninhaber in Aktion treten?

Aus Beweisgründen sollte mit dem Zugriff gewartet werden, bis der

Ladendiebstahl vollendet ist.

Vollendung der Tat ist beim Ladendiebstahl erreicht, wenn der Dieb

eine Sache weggenommen hat und damit den Gewahrsam des Ladeninhabers oder dessen Personal an der Sache gebrochen hat. Dies bedeutet nicht unbedingt, daß man warten muß, bis der Verdächtige die Kasse passiert hat. Vollendet ist die Wegnahme nach der Rechtsprechung

beispielsweise, wenn jemand:

- Sachen in den Geschäftsräumen versteckt,

- Waren in die Tasche steckt,

- zum Verkauf angebotene Lebensmittel ißt oder trinkt, ohne sie

dabei offen in den Einkaufswagen zu legen,

- Sachen im Einkaufswagen versteckt,

- Sachen unter seiner Kleidung verbirgt,

- Sachen in einem ordnungsgemäß gekauften Behältnis vor der

Bezahlung versteckt - zum Beispiel den Fotoapparat im Pampers-

Karton - und den Kassenbereich

verlassen hat.

Potentielle Ladendiebe sollten damit rechnen, von wachsamen Kunden entdeckt und gemeldet zu werden, was häufig durch eine Fangprämie gefördert wird. Sie liegt in der Regel bei 50 Mark und erhöht sich mit dem Wert des Diebesgutes. Der Dieb ist verpflichtet, das gestohlene Gut unverzüglich dem Eigentümer zurückzugeben. Kommt er einer entsprechenden Aufforderung jedoch nicht nach, kann ihm die Ware notfalls mit Gewalt abgenommen werden. Zu dieser Selbsthilfe sind der Besitzer und die Besitzdiener, das heißt, der Ladeninhaber, die Detektive und das Verkaufspersonal nach ññ 859, 860 BGB berechtigt.

Leibesvisitation ist nicht erlaubt

Dieses Recht umfaßt jedoch nicht die Leibesvisitation. Körperliche Durchsuchungen darf grundsätzlich nur die Polizei durchführen. Eine mitgeführte Tasche, eine abgelegte Jacke oder ein abgelegter Mantel des Diebes, die sich also nicht unmittelbar am Körper des Straftäters befinden, dürfen nur mit dessen ausdrücklichem Einverständnis durchsucht werden, es sei denn, es besteht ein konkreter Tatverdacht. Auch folgende Taschenkontrollklausel eines Supermarkts wird von der ständigen Rechtssprechung als unzulässig verworfen: "Jeder deponiert sein Einkaufsbehältnis (zum Beispiel Tasche, Korb, Beutel) im Auto oder in den dafür vorgesehenen Schließfächern. Ansonsten erklärt er sich bereit, seine Einkaufsbehältnisse an der Kasse zu öffnen."

Genauso wichtig ist es allerdings auch, daß sich der Ladeninhaber im Falle eines Irrtums richtig verhält. Denn ein ungerechtfertigter Verdacht kann auch für ihn Folgen haben. Lorenzen: "Sollte ein ehrlicher Kunde zu Unrecht als Ladendieb verdächtigt werden, ist es sehr wichtig, sich bei ihm ausdrücklich zu entschuldigen. Dies erfordert nicht nur die Höflichkeit, sondern bewahrt den Anschuldiger vor einer Anzeige wegen Beleidigung oder übler Nachrede."

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