Fristlose Kündigung

Erwerbstätigkeiten während der Krankschreibung

09.07.2008
Ein Mitarbeiter ist häufig krankgeschrieben und es besteht der Verdacht, dass der Mitarbeiter in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn erklärt die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers.

Viele Arbeitgeber waren schon einmal mit folgender Situation konfrontiert: ein Mitarbeiter ist häufig krankgeschrieben und es besteht der Verdacht, dass der Mitarbeiter in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Dies ist für den Arbeitgeber vor allem deswegen ärgerlich, weil er nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet ist, dem Mitarbeiter bis zu einer Dauer von sechs Wochen das Gehalt fortzuzahlen. Diese Verpflichtung besteht aber nur dann, wenn der Mitarbeiter unverschuldet arbeitsunfähig geworden ist, was bei einer anderweitigen Erwerbstätigkeit ja gerade nicht der Fall ist. Allerdings ist es in der Praxis für den Arbeitgeber äußerst schwierig, dem Mitarbeiter einen solchen Missbrauch einer Krankschreibung nachzuweisen. Denn einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ein hoher Beweiswert zugesprochen. Ihre "Richtigkeit" wird von den Arbeitsgerichten unterstellt, solange von Seiten des Arbeitgebers keine stichhaltigen Zweifel am Bestehen einer Krankheit vorgetragen werden können.

Aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Wie mit einem solchen Fall arbeitgeberseitig umgegangen werden kann, vermag ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitgerichts vom 03.04.2008 verdeutlichen. In dem zu beurteilenden Sachverhalt ging es um einen Arbeitnehmer, der seit dem Jahr 2000 als Kraftfahrer bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war. Ab März 2004 meldete sich der Arbeitnehmer mehrfach für eine längere Zeit arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Richtigkeit der Krankschreibungen und stellte Nachforschungen an, unter anderem durch die Zuhilfenahme von Detektiven. Die eingeleiteten Nachforschungen ergaben, dass der Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit ein Café betrieb, dort Gäste bediente, den Geschirrspüler leerte und ähnliche Tätigkeiten verrichtete. Nachdem der Betriebsrat des Unternehmens von Seiten des Arbeitgebers angehört wurde, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Hiergegen erhob der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage. Zunächst musste von den Gerichten die Ordnungsgemäßheit der erforderlichen Betriebsratsanhörung geklärt werden. Sodann stellten die Richter des BAG ausdrücklich fest, dass eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durchaus dann gerechtfertigt sein könne, wenn ein Arbeitnehmer während einer Krankschreibung einer anderweitigen Tätigkeit nachgeht. Denn diese anderweitige Tätigkeit könne ein stichhaltiges Indiz dafür sein, dass der Arbeitnehmer eine Krankheit nur vorgespielt hat. Zudem könne eine außerordentliche Kündigung im Falle einer anderweitigen Erwerbstätigkeit während einer Krankschreibung auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt werden, dass der Arbeitnehmer pflichtwidrig die Heilung seiner Krankheit verzögert hat (BAG, Urteil vom 03.04.2008, Az.: 2 AZR 965/06).

Da im konkreten Gerichtsverfahren zu dem Vorwurf der anderweitigen Erwerbstätigkeit während der Krankschreibung noch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen worden sind, hat das Bundesarbeitsgericht die Angelegenheit an das LAG München zurückverwiesen. Schon jetzt lassen sich aber folgende Erkenntnisse aus dieser BAG-Entscheidung herleiten: die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit und die Verrichtung einer anderweitigen Erwerbstätigkeit während der Krankschreibung kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Verletzungen des Arbeitsvertrages nachweisen

Bei konkreten Verdachtsfällen kann sich der Arbeitgeber notfalls der Hilfe von Detektiven bedienen, um derartige Verletzungen des Arbeitsvertrages nachweisen zu können. Die Detektive müssen bei ihren Ermittlungstätigkeiten aber darauf achten, dass die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer nicht verletzt werden. Zudem ist der Einsatz von Detektiven mit erheblichen Kosten für den Arbeitgeber verbunden. Diese Kosten können für den Arbeitgeber jedoch unter Umständen erstattungsfähig sein, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer solchen Überwachungsmaßnahme wegen einer vorsätzlichen vertragswidrigen Handlung überführt wird (BAG, Urteil vom 17.09.1998, Az.: 8 AZR 5/97).

Darüber hinaus kann sich der Arbeitgeber in solchen Fällen an die Krankenkasse des Arbeitnehmers wenden (sofern dieser gesetzlich krankenversichert ist) und die vom Arbeitnehmer behauptete Arbeitsunfähigkeit überprüfen lassen. Dabei muss der Arbeitgeber gegenüber der Krankenkasse nur Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers äußern, begründen muss er seine Zweifel nicht. Sofern die Krankenkasse diese Zweifel teilt, ist sie verpflichtet, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (kurz: MdK) zwecks Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einzuschalten, vgl. hierzu § 275 Abs. 1 Nr. 3 b SGB V (Sozialgesetzbuch Teil V). Dieser lädt dann den Arbeitnehmer zu einem entsprechenden Untersuchungstermin. Unter gewissen Umständen kann also auch auf einem solchen Wege ein Mitarbeiter wegen einer nur vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit überführt werden.

Kontakt und weitere Informationen:

Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Zu seinen Tätigkeits-schwerpunkten zählen das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht sowie die Themen Insolvenz und Inkasso. Kontakt und weitere Informationen: Telefon +49 (0)2 11. 1 75 20 89-0, Telefax +49 (0)2 11. 1 75 20 89-9, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de (mf)