Nutzungsentzuge und weniger Gehalt

"Es gibt keinen Dienstwagen mehr ..."

07.02.2011
Dr. Christian Salzbrunn zum Widerruf einer Dienstwagenüberlassung aus wirtschaftlichen Gründen
Foto: Daimler

Viele Arbeitnehmer dürfen die ihnen vom Arbeitgeber überlassenen Dienstfahrzeuge auch zu privaten Zwecken nutzen. Diese private Nutzungsmöglichkeit ist damit Teil des vom Arbeitgeber zu zahlenden Gehalts, des dem Arbeitnehmer in Form einer Sachvergütung gewährt wird. Verlangt nun ein Arbeitgeber die vorzeitige Rückgabe des Dienstfahrzeugs, greift er damit automatisch einseitig in das bestehende Gehaltsgefüge ein. Um eine Rechtsgrundlage für den Nutzungsentzug zu schaffen, werden in vielen Arbeits- bzw. Dienstwagenüberlassungsverträgen regelmäßig Klauseln aufgenommen, die eine Widerrufsmöglichkeit der Dienstwagennutzung zugunsten des Arbeitgebers vorsehen.

Es dürfte nachvollziehbar sein, dass solche Widerrufsklauseln immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, weil sich viele Arbeitnehmer gegen einen solchen Nutzungsentzug und der damit verbundenen Gehaltsreduzierung zur Wehr setzen. In einem Urteil vom 19.12.2006 hatte das BAG im Hinblick auf diese Rechtsfrage bereits entschieden, dass ein Widerrufsvorbehalt bei einer Dienstwagenüberlassung unwirksam ist, wenn er aus beliebigen Gründen jederzeit erfolgen kann.

Der Widerrufsgrund - so die BAG-Richter - müsse vielmehr an einen Sachgrund gebunden sein, dessen Voraussetzungen und Umfang in der vertraglichen Regelung möglichst konkret beschrieben werden müssten. Zumindest sei die Richtung anzugeben werden, "aus der der Widerruf möglich sein solle" (BAG, Urteil vom 19.12.2006, Az.: 9 AZR 294/06). Als Reaktion auf dieses Urteil wurden daher in zahlreichen Arbeits- und Dienstwagenüberlassungsverträgen solche Widerrufsklauseln dahingehend verändert, dass der Arbeitgeber die Überlassung des Firmenwagens an den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen kann. Man erhoffte sich, damit die Vorgaben des BAG aus dem Urteil aus dem Jahr 2006 umgesetzt zu haben.

Nun hatte das BAG in einem Urteil vom 13.04.2010 über die "weiterentwickelten" Widerrufsklauseln zu befinden. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Einer Vertriebsmitarbeiterin wurde von ihrem Arbeitgeber ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt, das sie nach der Dienstwagenüberlassungsvereinbarung auch privat nutzen durfte. In dieser Vereinbarung war geregelt, dass der Arbeitgeber die Gebrauchsüberlassung aus "wirtschaftlichen Gründen widerrufen kann". Dies sollte wiederum "durch geeignete jährliche Maßnahmen" sichergestellt werden. Anstatt der zuvor prognostizierten 49.500 km Jahresfahrleistung fuhr die Mitarbeiterin tatsächlich aber nur rund 29.450 km im Jahr. Der Arbeitgeber widerrief die Überlassung des Dienstwagens mit der Begründung, dass die vergleichsweise geringe Nutzung des Dienstwagens unwirtschaftlich sei.

Klausel ist unwirksam

Hiergegen klagte die Vertriebsmitarbeiterin und bekam vom BAG in letzter Instanz Recht. Denn die Richter befanden die streitgegenständliche Klausel für unwirksam. Nach ihrer Ansicht verstoße eine Klausel, nach der eine Leistung aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden könne, gegen § 308 Nr. 4 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer sei durch eine solche Klausel unzumutbar beeinträchtigt, da er nicht erkennen könne, wann ein Arbeitgeber derartige wirtschaftliche Gründe als gegeben ansehe und damit den Dienstwagen und die Möglichkeit zur privaten Fahrzeugnutzung wieder herauszuverlangen könne. Denn es müsse immer gewährleistet sein, dass ein Arbeitnehmer sich im Vorfeld konkret darauf einstellen kann, was auf ihn zukommen kann.

Da im vorliegenden Fall für den Widerruf der Nutzung in der Klausel keine weiteren konkreten Kriterien benannt waren, konnte sich die Vertriebsmitarbeiterin nach Ansicht der Richter gerade nicht darauf einstellen, unter welchen genauen Bedingungen ein solcher Widerruf erfolgen würde. Der Arbeitgeber hatte vielmehr die Möglichkeit, faktisch einseitig in das Austauschverhältnis einzugreifen und dessen (Gehalts)-Bedingungen zu verändern. Eine solche Beeinträchtigung erkannten die Richter für den Arbeitnehmer als unzumutbar (BAG, Urteil vom 13.04.2010, Az.: 9 AZR 113/09).

Das BAG erschwert mit dieser neuen Entscheidung eine sachgerechte Formulierung von solchen Widerrufsvorbehalten in erheblicher Weise. Es wird damit erforderlich, die einzelnen Gründe, die zum Widerruf berechtigen sollen, im Vertragstext so konkret wie möglich aufzuführen. Andererseits ist es äußerst schwierig, alle potenziellen Gründe im Vorfeld genau vorherzusehen, so dass bei einer einzelnen Aufzählung aller Widerrufsgründe ein entscheidender Grund auch mal außer Betracht geraten kann, wodurch dann ein Widerruf unter Umständen letztlich wieder versagt bleibt.

Alternative: Betriebsvereinbarung

Immerhin lässt das BAG in seiner Urteilsbegründung im Wege der Zurückverweisung des Verfahrens an die Vorinstanz durchaus eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für solche Sachverhalte durchblicken: Betriebsvereinbarungen unterliegen nicht den strengen Regeln der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, sondern nur vorformulierte Bedingungen in Arbeitsverträgen. Besteht in einem Unternehmen also ein Betriebsrat, so kann zu dem Thema "Dienstwagenüberlassung" unter Umständen auch eine Betriebsvereinbarung getroffen werden, in der flexiblere Widerrufsvorbehalte als in Arbeitsverträgen bzw. Dienstwagenüberlassungsvereinbarungen verwendet werden können.

Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

Kontakt:

Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de