"Wall Street Journal"

EU schiebt Kartellklage gegen Google an

02.04.2015 von Thomas Cloer
Seit fünf Jahren ermittelt die EU-Kommission jetzt schon wegen möglicher Wettbewerbsverstöße gegen Google. Jetzt kommt neuer Schwung in die Sache.

Das "Wall Street Journal" berichtet unter Berufung auf Insider, die Brüsseler Wettbewerbshüter wollten "in den nächsten paar Wochen" gegen Google aktiv werden. Die schon jahrelange Ermittlung der Kommission war zwischendurch mehrfach ins Stocken geraten und hatte massive Lobbyarbeit von sowohl Google als auch dessen Gegnern induziert.

Die Kommission habe mehrere Unternehmen um Erlaubnis gebeten, ihre bislang vertraulichen Beschwerden gegen Google teilweise veröffentlichen zu dürfen. Unter anderem wurden Firmen aus den Bereich Shopping, lokale Suche und Reisen um entsprechende Einwilligungserklärungen gebeten, berichteten verschiedene Informanten des "WSJ".

Kartellrechtsexperten werten das als deutliche Anzeichen dafür, das eine formale Kartellklage in Arbeit sei. Diese wäre das größte Verfahren der EU seit dem vor einem Jahrzehnt begonnenen juristischen Feldzug gegen Microsoft, das bis zum Jahr 2012 insgesamt 1,7 Milliarden Euro an die Union zahlen musste.

Das "Journal" weist ausdrücklich daraufhin, dass es im Falle von Google auch jederzeit zu einem Vergleich kommen könnte, bei dem der kalifornische Internetriese so weitreichende Konzessionen machen könnte, dass die Sorgen der Kommission ausgeräumt wären, Google würde seine dominierende Marktpositionen auf dem Europäischen Markt missbrauchen.

Zu diesem Schluss war die Kommission in einer "vorläufigen Sicht" im März 2013 bereits in allen vier seinerzeit untersuchten Punkten gekommen. Google seinerseits hat alle diesbezüglichen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Erst in der vergangenen Woche hatte Googles Generaljustiziar in Berlin eine "schmerzvoll lange Liste erfolgloser Google-Produkte" - darunter Google+ und Street View in Deutschland - als Beweis dafür angeführt, dass die Wettbewerbsgesetze doch wie gewünscht funktionierten.

Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat in der Vergangenheit schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass sie rechtliche Klarheit durch ordentliche Verfahren ausgedealten Vergleichen in jedem Fall vorzieht. Vestager plane "den Fall in relativ kurzer Zeit voranzutreiben", zitiert das "Wall Street Journal" eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle.

Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia hatte drei Mal vergeblich versucht, eine Einigung mit Google zu erreichen, zuletzt im vergangenen Jahr. Anders als Vestager sah der Portugiese in der sich schnell wandelnden Internet-Landschaft einen Vergleich als geeigneter an als einen potenziell langwierigen Prozess. Speziell über das dritte Scheitern hatten sich große Medienkonzern wie Axel Springer und auch der Eigentümer des "WSJ", die News Corp. von Rupert Murdoch, beschwert. Aus ihrer Sicht treibt Google seine Nutzer systematisch immer stets nur auf die eigenen Web-Properties.

Die Geschichte von Google
Der Investor
Mit einer Investition von 100.000 Dollar durch den Sun-Gründer Bechtolsheim beginnt die Geschichte von Google - der Investor verdient dadurch knapp zwei Milliarden.
Backrub
Die in Standford entwickelt Suchmaschine Back Rub ist Vorläufer von Googles Suche. Die Hand im Logo ist übrigens die von Larry Page - der das Foto mit einem Kopierer erstellte.
Hypermodern
Die heutigen Data Center sind weit moderner. Hier wurde eine finnische Papierfabrik an der Ostsee zum Rechenzentrum umgebaut, zur Kühlung kommt Meerwasser zum Einsatz.
Endloses Betastadium
Die erste Version der Google-Website bezeichnet Google noch als "Beta", was auch für viele weitere Projekte wie Google Mail übernommen wird. Die Suchmaschine ist aber bereits früh ein ausgereiftes Angebot.
Die Väter des Erfolgs
Serge Brin und Larry Page lernen sich in Standford kennen, sie gründen 1998 Google. Seit 4. April 2011 ist Page CEO von Google, ein Posten den er ab 2001 an Eric Schmidt abgegeben hatte.
Zwei weitere wichtige Köpfe: David Cheriton...
Der Stanford-Dozent David Cheriton vermittelt den beiden Firmengründern den Kon-takt zu Bechtolsheim und andern Investoren. Auch er ist durch die Investition in Google heute Milliardär.
... und Eric Schmidt
Der Infomatiker und Manager Eric Schmidt kommt 2001 zu Google. Nach Stationen bei Sun als CTO und Novell als CEO übernimmt er den Posten des CEO bei Google. Am vierten April 2011 wechselt er in den Verwaltungsrat von Google.
Ab an die Börse
Der Börsengang am 19. August 2004 ist für Google ein großer Erfolg. Ende 2013 er-reicht sie erstmals einen Stand von 1000 Dollar, was einem Firmenwert von 327 Milli-arden entspricht.
Es geht nur in eine Richtung...
Seit der Gründung von Google sind Umsatz und Gewinn kontinuierlich gestiegen. Auf-fällig sind die Umsatzsteigerungen der beiden letzten Jahre, obwohl hier durch den Kauf von Motorola hohe Verlusten entstanden.
Alle wollen zu Google
Bei der Frage nach dem beliebtesten Arbeitgeber ist Google auch in Deutschland im-mer auf einem der ersten Plätze. Grund dafür ist ein Ruf als innovativer Markführer, der sich gut um seine Mitarbeiter kümmert.
Männerdomäne
Die Anzahl der Frauen bei Google ist eher gering, 70 Prozent der knapp 48.000 Ange-stellten (und 83 Prozent der Entwickler) sind männlich. Auch Minderheiten sind nur schwach vertreten, was von Google als Problem angesehen wird.
Wettbewerber Facebook
Facebook ist zwar keine Suchmaschine, die Plattform von Mark Zuckerberg hat aber eine Nutzerzahl von 1,23 Milliarden und ist als Anbieter von Werbeplatz eine echte Bedrohung für Google - sinkt doch der Stückpreis für Werbung und ist das Mobilge-schäft noch im Aufbau.
Kreativer Freiraum
Google macht immer wieder mit coolen Büro-Fotos auf sich aufmerksam, hier etwa mit einem als Iglu gestalteten Besprechungsraum.
Venedig-Feeling
Wahlweise kann eine Besprechung in einer Gondel abgehalten werden.
Die alles beherrschende Suchmaschine
Google ist als Suchmaschine Marktführer, Konkurrenten wie Bing, Yahoo und DuckDuckGo haben da wenig Chancen. Vor allem bei der Suche nach deutschen Seiten ist ihnen Google klar überlegen.
Spielchen für Zwischendurch
Die Suchmaschine bietet viele versteckte Funktionen wie „zerg rush“: Gibt man den Befehl in der Suchleiste ein, zerschießen kleine Buchstabe alle Suchtreffer auf der Website.
Immer ausgefeiltere Angebote
Eine Neuerung bei der Google-Suche ist der so genannte Knowledge Graph - sucht man beispielsweise Informationen zu einem Film, sind diese im rechten Seitenbereich zu sehen. Dabei greift Google auf fremde und eigene Quellen zurück.
Google Plus
Google Plus ist eine direkte Antwort auf Facebook, Google soll etwa tausend Angestellte auf dieses Projekt angesetzt haben.
Google Maps
Seit 2005 gibt es den Dienst Google Maps, der immer mehr Funktionen erhält. Beein-druckend sind die hoch aufgelösten Satellitenfotos, das Schwesterprodukt Google E-arth ist mittlerweile in Google Maps integriert. Interessant für Android-Nutzer: In einigen Städten werden auf Android-Geräten bereits Daten öffentlicher Verkehrsmittel angezeigt.
Das eigene Tablet
Googles Tablet Nexus 7 ist eines der erfolgreichsten Android-Tablet. Vor allem in Deutschland ist Android sehr erfolgreich und erreicht bei Smartphones bereits einen Marktanteil von über 75 Prozent.
Der ewige Kampf ums Straßenbild
Nur dank einer ganzen Flotte an Kamera-Fahrzeugen konnte Google Streetview anbieten. Das Angebot stieß aber unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes bald auf Kritik. In Österreich ist Streetview seit kurzem sogar verboten.
Google Glass
Wenig Begeisterung bei Datenschützern löst Google neues Produkt Google Glass aus. Die in den so genannten Google-X-Labs entwickelte Brille kann Informationen im Sichtfeld des Benutzers einblenden, die integrierte Kamera wird aber zum Hauptthema und sorgt für einige Verbote - unter anderem in britischen Kinos.
Die Zukunft: Ab auf die Straße
Selbstfahrende Autos sind schon länger ein Thema für Google, im Mai 2014 präsentiert das Unternehmen einen ersten Prototyp. Dank Laser-Scanner und vieler Sensoren soll es äußerst sicher sein. Laut Brin sei es schließlich Verschwendung, wenn Autos ungenutzt herumstünden. Selbstfahrende Autos könnten einfach neue Passagiere aufnehmen.

Zuletzt habe es keine Gespräche zwischen Google und der Kommission mehr über einen Vergleich gegeben, schreibt das Blatt weiter. Sollte es zu einem Verfahren und einer Verurteilung kommen - die Kommission agiert in solchen Fällen als Strafverfolger, Richter und Jury in einem -, drohte Google im schlimmsten Fall eine Geldstrafe in Höhe von zehn Prozent seines Jahresumsatz. Der betrug zuletzt 66 Milliarden Dollar. Gegen eine Entscheidung könnte Google vor dem EU-Berufungsgericht in Luxemburg in die Berufung gehen. Die dortigen Richter haben in der Vergangenheit aber nur sehr selten eine Entscheidung aus der Kommission revidiert.