Existenzangst befördert Ärger mit Kollegen

20.10.2006 von Veronika Renkes
Warum die Analyse eigener Verhaltensweisen und Reaktionen ein wichtiger Schlüssel zur Lösung von Konflikten ist, erklärt Wolfgang Strache im CW-Gespräch. Der Diplom-Psychologe arbeitet als Psychotherapeut, Supervisor und Coach in Bonn.

CW: Welches Betriebsklima fördert Ärger mit den Kollegen?

STRACHE: Anhaltender Druck, der zu Stressreaktionen der Beteiligten führt. Ineffiziente und indirekte Kommunikation, die nicht persönlich von A nach B geht. Und: Wenn anstelle konkreter Aufgaben Macht- und Statusfragen im Mittelpunkt stehen. All das führt zu einem Betriebsklima, in dem ständig Spannung, Angst und Stress herrschen.

CW: In welchen Situationen gedeihen Konflikte besonders gut?

STRACHE: Idealen Nährboden bilden drohende Kündigungen. In solchen Situationen konkurrieren die Mitarbeiter um die verbleibenden Arbeitsplätze. Ein Klima der Existenzangst fördert prinzipiell Stress und kann damit auch zu Konflikten führen.

CW: Was kann derjenige tun, der sich in solch einer geladenen Arbeitsatmosphäre bewegt?

STRACHE: Er sollte sich unbedingt genügend Ausgleich verschaffen. Das gelingt über gute und förderliche Kontakte zu Kollegen am Arbeitsplatz. Dazu gehört aber auch, sich genügend Pausen zum Durchamten zu nehmen und Freizeitaktivitäten nachzugehen, über die man wieder Kraft schöpfen kann.

CW: Kann man schon im Vorfeld erkennen, dass ein Kollege einen ins Visier nehmen wird?

STRACHE: Ja. Vor allem da, wo die üblichen kleinen Scherze immer stichelnder, ironisierender und sarkastischer werden. Dann besteht mit großer Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass es bald zu einem richtigen Krach kommt.

CW: Und wie sollte man sich dann verhalten?

STRACHE: Auf keinen Fall versuchen, diesen möglichen Konflikt auszusitzen. sondern ihn zunächst einmal in einer geschützten und ruhigen Atmosphäre direkt mit dem entsprechenden Kollegen anzusprechen. Man sollte nicht von Anfang an andere Kollegen mit einbeziehen, sondern erst einmal selbst versuchen, das Ganze von Angesicht zu Angesicht mit dem Konfliktpartner zu lösen. Erst wenn das zu keinem konstruktiven Ergebnis führt und der andere sogar seine konfliktfördernden Aktionen gegen sie weiter schürt, sollten Sie ihre Vorgesetzten und Kollegen mit einbeziehen. Die Strategie, nicht zu reagieren fördert die Tendenz des anderen, seinen Frust an der Stelle rauszulassen, an der kein Widerstand erfolgt.

CW: Was kann ich aber tun, wenn mich ein Affront kalt erwischt?

STRACHE: Wenn man kalt erwischt wird oder die Situation es nicht erlaubt, zu reagieren, sollte man sich klar machen, was passiert ist: Was habe ich wahrgenommen? Was geht mir nach diesen Vorwürfen alles durch den Kopf? Was sprechen sie bei mir an? Was lösen sie bei mir aus? In der Regel haben viele der eigenen Reaktionen nichts mit dem Kollegen zu tun, sondern vielmehr mit einem selbst - mit eigenen Ängsten, Erfahrungen, Enttäuschungen ... Also sollte es in einer solchen Situation heißen: Ruhe bewahren und die eigenen körperlichen und emotionalen Reaktionen genauer unter die Lupe nehmen. Ein Scherz unter Kollegen kann auch mal unter die Güterlinie gehen. Aber wenn es wiederholt ironisch, sarkastisch oder offen aggressiv zugeht, ist es dringend erforderlich, mal einen Schritt zurück zu gehen und zu beobachten, was da genau abläuft. Aber nicht nur den Kollegen ins Visier nehmen, sondern vor allem sich selber. Nur dann kann ich rational auf einen Affront antworten.

CW: Warum soll ich mich selbst unter die Lupe nehmen, wenn der andere mit der Aggression begonnen hat?

STRACHE: Ganz einfach: Erstens, um herauszufinden, was der eigene Anteil an der Konfliktsituation ist. Zweitens, um den Konflikt richtig einschätzen zu können: Vielleicht ist das Ganze ja nur halb so schlimm. Aber weil man gerade gestresst ist, reagiert man viel empfindlicher als man dies im Normalfall tun würde.