Der Faktor Mensch ist entscheidend

Experte mit Methodenkenntnis wichtiger als schickes Tool

15.10.2009
Warum 35 Prozent der Business-Intelligence-Projekte scheitern - und wie man es besser machen kann

Unternehmen investieren zunehmend in Business Intelligence (BI), doch nur 35 Prozent aller BI-Projekte sind erfolgreich. Der spezifische Daten- und Informationsbedarf werde durch die BI-Expertise nicht erfüllt, beanstanden viele Unternehmen. Wie man BI-Projekte erfolgreich durchführen kann und woran sie scheitern, haben wir Business-Intelligence-Experten aus dem BVSI gefragt.

Übergreifendes Berichtswesen unterstützt Firmenlenker

Entscheider werden mit einem Sammelsurium von firmeninternen Reports und Analysen oft regelrecht überschwemmt. Die Zahlen und Tabellen, die aus verschiedenen Abteilungen des Unternehmens eintreffen, sind manchmal inkongruent und bieten keinen echten Überblick. Eine unklare Datenlage erschwert aber den Firmenlenkern, umgehend zu reagieren und die richtigen Weichen zu stellen, wenn Unternehmensprozesse aus dem Ruder laufen. Ein übergreifendes Berichtswesen kann die Entscheider dabei unterstützen, auf geschäftliche Ereignisse adäquat zu reagieren.

Auf den Input kommt es an

Um die teils heterogenen Datensysteme der Unternehmen in den Griff zu bekommen, müssten BI-Implementierungen sorgfältig durchgeführt werden. So manche teuer erworbenen Produkte führen nicht zum erwünschten Erfolg, weil die fachliche Zusammenführung der BI-relevanten Daten nicht auf technischem Wege gelöst werden kann. "Hier fehlt meist die konzeptionelle Vorarbeit, welche Auswertebedürfnisse das Unternehmen überhaupt hat. Diese überführt der BI-Fachmann dann in ausgeklügelte Data-Warehouse-Modelle und stellt so den Unternehmen verlässliche Daten zur Verfügung", sagt BI-Experte Wolfgang Taag.

Leider scheitern BI-Projekte manchmal daran, dass mit Daten gearbeitet wird, die gar nicht die gewünschten Ergebnisse bringen können - frei nach der Devise: Man nimmt, was man hat, und bekommt nicht, was man braucht. "Für den Projekterfolg ist es aber entscheidend, den umgekehrten Weg zu gehen und zunächst die Anforderungen des Kunden nach neuen KPI zu analysieren, um dann korrekte Rückschlüsse auf die operativen Systeme zu ziehen", sagt BVSI-Vorstand und BI-Experte Dr. Dirk Bisping. Im ersten Schritt sollte deshalb genau analysiert werden, welche Daten das Unternehmen braucht.

Dabei setzt der erfahrene BI-Experte auf eine Doppelstrategie. Er arbeitet zunächst mit den vorhandenen Daten und ermittelt damit bestmöglich die vom Kunden gesuchten KPIs. "Gleichzeitig berät er den Kunden, wie dieser längerfristig seine Systemlandschaft ausbauen kann, um Zahlen zu erhalten, die mit dem jetzigen Berichtswesen noch gar nicht generierbar sind" erklärt Bisping.

Tool-verliebte Unternehmen

BI-Produkte werden nach Erfahrung von Experten manchmal unüberlegt eingekauft. Manche Einkäufer lassen sich bei Verkaufsshows zu Produkten hinreißen, die bunte und bewegte Bilder und Grafiken produzieren und ´selbstverständlich´ alle Daten der Welt verarbeiten können. Dabei wird leider meist verschwiegen, dass die notwendige Integration komplexer Unternehmensdaten zu einem sinnvollen BI-Datenmodell keines Falls trivial ist und nicht durch den Einsatz von Tools geleistet werden kann. "Die Unternehmen kaufen Tools, ohne sie mit den innerbetrieblichen technischen und fachlichen Gegebenheiten abzustimmen", sagt Taag.

Schwachstelle Qualitätskontrolle

Business-Intelligence-Experten haben die Aufgabe aus riesigen, oft unüberschaubaren und scheinbar kaum kompatiblen Datenmengen hoch verdichtete Kennzahlen zu erzeugen. Der BI-Experte muss viele Daten bündeln, zueinander in Beziehung setzen und passende Datenmodelle erstellen. "Bei diesen hochkomplexen Vorgängen können sich leicht Fehler einschleichen. Eine äußerst gründliche Qualitätskontrolle ist deshalb enorm wichtig. "Die Qualitätskontrolle kann bis zu 50 Prozent des gesamten Projekts einnehmen", sagt Bisping.

Entsprechende Vereinbarungen müsse der BI-Freiberufler mit dem Kunden treffen, damit er das BI-Projekt "in time und budget" abschließe. Die Qualitätskontrolle werde aber bei der Projektplanung oft unterbewertet und dann reiche die Zeit nicht aus, um sie sorgfältig abzuschließen. Es sei daher empfehlenswert, den BI-Berater in die Projektplanung einzubeziehen, um einen realistischen Zeitplan aufzustellen.

Der Faktor Mensch ist entscheidend

Das Gros der BI-Projekte scheitert nicht an der Technik, sondern am Faktor Mensch. BIProjekte werden abteilungsübergreifend durchgeführt und eine ganze Anzahl von Controllern, CIOs und Abteilungsleitern sind involviert. Aber nicht jeder der Beteiligten ist an einer Datentransparenz wirklich interessiert. Möglicherweise "mauern" einzelne Abteilungen, oder Controller wollen ihre Berichte selbst an die Firmenspitze weiterleiten und zeigen sich wenig kooperationsbereit. Die Verantwortung für BI-Projekte sollte deshalb in der Hand von Projektsponsoren liegen, die möglichst weit oben in der Firmenhierarchie angesiedelt sind. "Nur wenn die Geschäftsführungsebene die BI-Projektleitung mit weit reichenden Privilegien ausstattet, kann das Projekt die geforderten Daten vollständig bereitstellen", sagt Taag.

Methodenkenntnis und soziale Kompetenz

Darum sollte der BI-Freiberufler nicht nur fachlich ein Experte sein. Er muss auch in der Lage sein, "alle Projektbeteiligten mit ins Boot zu bekommen", sagen. Bisping und Taag übereinstimmend. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit Datenverantwortlichen und Abteilungsleitern ist daher für einen erfolgreichen Projektverlauf unerlässlich. Denn ohne die Zahlen und innerbetrieblichen Prozesse zu kennen, kann der BI-Fachmann sein Projekt nicht erfolgreich durchführen. Dass der BI-Experte gegenüber den Mitarbeitern den richtigen Ton trifft, damit alle sich eingebunden fühlen, kann für den Projekterfolg schließlich sogar entscheidend sein.

Neben sozialer Kompetenz und ausgewiesener Methodenkenntnis muss der BI-Experte seine Tools natürlich aus dem Effeff kennen. Denn nicht nur ein gutes Konzept ist wichtig, anschließend muss er das Konzept "natürlich auch in Bits und Bytes gießen. Aber das Tool muss nicht das Erstbeste, es kann auch das Zweitbeste sein. Entscheidend ist die richtige Methodik", weiß Bisping aus Erfahrung.

Kompetenter BI-Experte ist wichtiger als das Tool

Denn um ein aussagekräftiges BI-Konzept zu erstellen, kommt es nicht in erster Linie auf das Tool, sondern auf die methodischen Fähigkeiten des BI-Experten an. Statt auf das teuerste Tool sollten die Unternehmen eher auf den kompetentesten BI-Experten setzen. Er "zeichnet sich vor allem durch seine Erfahrung aus, die er bei namhaften Unternehmen gesammelt hat.", sagt Taag.

Leider werde die von Unternehmen oft teuer eingekaufte Kompetenz der BI-Berater nicht immer beachtet. Die Kunden hören nicht auf uns und handeln gegen unsere Empfehlungen, sagen etliche BI-Berater. Auch dies ist ein kritischer Punkt, der zum Misserfolg eines BI-Projekts beitragen kann. Das Fazit kann lauten: Die ausgewiesene Methodenkompetenz des BI-Experten ist für die erfolgreiche Abwicklung eines Projektes wichtiger als ein schickes Tool. "80 Prozent macht ein gutes Data Warehouse - und nur 20 Prozent ein gutes BI-Tool", weiß Bisping.

Doch alle Kompetenz nützt dem Berater nicht, wenn seine Vorschläge nicht angenommen werden oder er keine Rückendeckung von der Geschäftsführung erhält. Das ist wohl einer der Hauptgründe dafür, dass so viele BI-Projekte scheitern.

Wolfgang Taag ist Informatiker und SAP/BW/BI-Experte.

Dr. Dirk Bisping ist Vorstand des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik BVSI e. V. und Business Intelligence Experte.

Kontakt:

Tel.: 04124-60 50 87, E-Mail: office@bvsi.de, Internet: www.bvsi.de