Lange Zeit waren proprietäre Unix-Plattformen in den Rechenzentren im Vergleich zu Großrechnern eine kosteneffiziente und zuverlässige Alternative. Doch mittlerweile müssen sich die klassischen RISC-Unix-Systeme immer mehr gegen Standard-Server mit x86-Prozessoren behaupten. Schließlich bieten aktuelle Standard-x86-Server eine stetig wachsende Prozessorleistung bei geringerem Energiebedarf. Sie punkten darüber hinaus mit umfangreichen RAS-Features (Reliability, Availability, Serviceability) für höhere Ausfallsicherheit, geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten sowie einer höheren Flexibilität.
Dieser Trend spiegelt sich auch in der Entwicklung der weltweiten Umsätze mit Server-Betriebssystemen wider. Den Marktforschern von Gartner zufolge ging die Anzahl der weltweit verkauften Server im ersten Quartal 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,7 Prozent zurück. Die Umsätze im weltweiten Servermarkt fielen sogar um fünf Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2012. Interessant: Die Stückzahlen von x86-Servern blieben gleich, während sie 1,8 Prozent mehr Einnahmen generierten. RISC/Itanium-Unix-Systeme hingegen büßten 38,8 Prozent bei den Stückzahlen und 35,8 Prozent bei den Umsätzen ein. Dies sind untrügliche Zeichen dafür, dass immer mehr Unternehmen eine Migration von Unix-Systemen wie HP-UX, IBM-AIX oder Sun Solaris (jetzt Oracle) auf x86-Server mit dem quelloffenen Betriebssystem Linux planen.
Vielfältige Gründe für die Migration
Die Gründe für eine Migration sind vielschichtig. An erster Stelle steht „Kosten sparen“. Dabei haben Unternehmen nicht nur die Ausgaben für den Hardware-Kauf (CAPEX, CAPital EXpenditure) im Auge, sondern auch Lizenz-, Administrations- und Wartungskosten sowie die Ausgaben für Strom und Kühlung (OPEX, OPerational EXpenditure). Der Einsatz proprietärer Systeme bindet Ressourcen und erfordert einen vergleichsweise hohen administrativen Aufwand. Zudem besteht die Gefahr, sich mit einem proprietären System zu sehr von einem Anbieter abhängig zu machen. Weitere mögliche Motive für die Migration von Unix auf Linux sind das Auslaufen der Server-Mietverträge, erweiterte Business-Anforderungen bei gleichzeitigen Budget-Beschränkungen, Fusionen oder Zukäufe von Unternehmen oder der Ersatz von nicht mehr zeitgemäßer Software. Sehr häufig ist auch eine Server-, Anwendungs- und Rechenzentrums-Konsolidierung das Ziel, um die vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen, etwa mit Hilfe von Virtualisierung.
Andererseits will eine Migration von Unix auf Linux gut geplant sein. Am Anfang steht zunächst die genaue Analyse der Migrations-Umgebung, inklusive der fünf möglichen Migrationsszenarien. Überlegungen zu künftigen Einsatzszenarios helfen, Hürden bereits im Vorfeld zu erkennen und künftige Anforderungen zu antizipieren. Der Linux-Distributor Red Hat hat dazu einen Migrationsplan auf Basis von bewährten Prozessen entwickelt, der in fünf Phasen unterteilt ist. Er zeigt nicht nur das Potenzial einer Migration auf, sondern behandelt auch die Risiken, die mit verschiedenen Migrationsszenarien verbunden sind.
Fünf Migrationsszenarien
Bei jeder Betriebssystem-Migration gibt es fünf typische Szenarien, die es zu prüfen gilt:
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Szenario 1: Hier geht es um die Migration gleicher Funktionen von Unix auf Linux. Die Funktionen unter Unix sind dabei identisch mit denen unter Linux beziehungsweise sie arbeiten ähnlich (zum Beispiel pache und Sendmail). In diesem Szenario sind die Herausforderungen für die Migration gering.
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Szenario 2: Ein ähnlicher Fall ist die Migration von Infrastruktur-Anwendungen, die nicht direkt in den Ablauf von Geschäftsprozessen eingreifen, aber notwendig sind, damit die IT-Infrastruktur im Unternehmen funktioniert. Beispiele sind DNS, Mail oder Backup-Software. Diese Programme sollen nach der Migration auch unter Linux ähnlich gut funktionieren wie vorher unter Unix.
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Szenario 3: Manchmal beherrscht ein Unix-System Funktionen, die in einer Linux-Lösung nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Um dieselbe Funktionalität in der Linux-Umgebung zu erhalten, kann es daher notwendig sein, zusätzliche Infrastruktur-Anwendungen zu installieren. So ist beispielsweise bei der Migration von IBM AIX auf Red Hat Enterprise Linux eine externe Anwendung notwendig, um ein Bare-Metal-Betriebssystem-Recovery ausführen zu können.
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Szenario 4: Umgekehrt gibt es den Fall, dass eine unter Unix obligatorische Infrastruktur-Anwendung unter Linux nicht mehr benötigt wird, da die Linux-Distribution diese Funktion selbst integriert.
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Szenario 5: Die Migration einer funktionalen Business-Anwendung eines externen Anbieters von Unix auf Linux kann einfach sein, wenn sie für Linux zertifiziert ist. Komplexer wird es bei proprietären funktionalen Anwendungen, die ein Unternehmen selbst entwickelt hat.
Einsatzszenarien für Linux-Server prüfen
Zudem sollten die Unternehmen, die eine Migration von UNIX auf Linux beabsichtigen, überlegen, in welcher Form sie zukünftig die Linux-Server nutzen wollen. Abhängig vom Einsatz-Szenario können sie dann die optimale IT-Infrastruktur aufbauen und Kosten sparen. Grundsätzlich gibt es vier Einsatz-/Betriebsszenarien:
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Konsolidierung: Rechenvorgänge und Workloads, die bisher auf einer größeren Anzahl nicht komplett ausgelasteter Unix-Systeme liefen, werden auf weniger x86-Systeme mit virtuellen Servern konsolidiert. Dieses Einsatzszenario ist typisch für Umgebungen, in denen Virtualisierung als strategisch wichtig angesehen wird. Die Vorteile sind niedrigere Hardware-Betriebskosten, geringerer Platzbedarf im Rechenzentrum sowie bessere Lastverteilung und dynamische Zuordnung von Ressourcen unter den virtuellen Servern. Allerdings kann es zu höheren Kosten beim Einsatz proprietärer Virtualisierungstechnologie und zu einer größeren Abhängigkeit von einem Anbieter kommen. Open-Source-Lösungen können hier Abhilfe schaffen.
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Verteilung: Workloads, die vorher auf einem großen Unix-System liefen, werden auf mehrere kleinere x86-Systeme mit Linux verteilt. Damit lassen sich Hardware-Ressourcen auf kompakten Einheiten über mehrere Rechenzentren verteilen und skalieren. In diesem Szenario spielen Blades eine wichtige Rolle. Vorteile sind hier eine höhere Leistung durch neue x86-Hardware-Technologien, geringere Kosten für die Skalierung von Hardware-Ressourcen und höhere Flexibilität beim Einsatz der Ressourcen. Andererseits können bei mangelhafter Planung die Betriebskosten steigen.
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Aggregation: In diesem Szenario werden viele Unix-Systeme unterschiedlicher Größe auf eine einzige große, hochverfügbare Hardware-Plattform mit Linux übertragen. Das ist typisch für Unternehmen, die eine Menge Geld in eine spezifische Hardware-Plattform investiert haben und diese nun für die Zusammenfassung der Systeme nutzen wollen. Vorteile sind wie bei der Konsolidierung reduzierte Hardware-Betriebskosten sowie geringerer Platzbedarf im Rechenzentrum. Allerdings sind ohne vorherige Investitionen in die Plattform höhere Hardwarekosten möglich.
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Cloud Migration: Die Arbeitslast der bestehenden Unix-Systeme wird auf Linux-Systeme übertragen, die in einer Cloud-Umgebung laufen. Das kann eine interne Private Cloud, eine Public Cloud oder auch eine Hybrid Cloud sein. Vorteile: In der Cloud lassen sich die Ressourcen je nach Bedarf schnell nach oben oder unten skalieren, in der Public Cloud entstehen keine Hardwarekosten. Mögliche Nachteile: Bei einem Ausfall der Public Cloud oder schwankender Internet-Verbindung haben die Unternehmen keinen Zugriff auf die Systeme. Zudem entstehen Fragen nach Sicherheit und Compliance, da die Daten nach außen gegeben und nicht mehr intern gespeichert werden.
Linux-Server für den Mittelstand
Strategischer Migrations-Plan mit fünf Phasen
Die folgende Tabelle zeigt idealtypisch einen strategischen Plan für die Migration von Unix auf Linux mit fünf Phasen:
Phase |
Beschreibung |
Ergebnisse |
Typische Dauer |
I: Analyse der Infrastruktur-Anwendungen und Aufbau einer Standard-Architektur |
Analyse der bestehenden Solaris/AIX/HP-UX Infrastruktur, Anwendungen und Administrationsfunktionen (Ist-Zustand); daraus entstehen Vorschläge für ähnliche Funktionen in einer Enterprise Linux-Umgebung. Aufbau einer Standard-Architektur (SOE, Standard Operating Environment) auf Basis von Enterprise Linux (Soll-Zustand) |
Report mit Empfehlungen zu Infrastruktur-Anwendungen Aufbau einer Standard-Architektur High-Level Infrastruktur |
3 - 5 Wochen |
II: Analyse der funktionalen Anwendungen |
Analyse weiterer technischer und geschäftlicher Details wie Server-Größe, Service Level Agreements (SLAs), Zyklen der Server-Erneuerung, Qualifikations-Lücken, Training, IT-Prozesse, IT-Governance etc., um die Voraussetzungen in der Organisationsstruktur und die Migrationsrisiken zu prüfen |
Report über die Risiken der Migration Report über die bestehenden Voraussetzungen für die Migration in der Organisation |
2 – 8 Wochen (sehr variabel, abhängig von der individuellen Situation und Komplexität der Anwendungen) |
III: Analyse der Voraussetzungen und der Risiken |
Analyse weiterer technischer und geschäftlicher Details wie Server-Größe, Service Level Agreements (SLAs), Zyklen der Server-Erneuerung, Qualifikations-Lücken, Training, IT-Prozesse, IT-Governance etc., um die Voraussetzungen in der Organisationsstruktur und die Migrationsrisiken zu prüfen |
Report über die Risiken der Migration Report über die bestehenden Voraussetzungen für die Migration in der Organisation |
3 – 5 Wochen |
IV: Strategische Planung der Migration |
Kombination der Ergebnisse der Phasen I bis III und Erstellung einer detaillierten Roadmap für die Migration mit Übersicht der erforderlichen Tätigkeiten und Kostenschätzung für das gesamte Migrations-Projekt |
Kostenschätzung für das gesamte Migrations-Projekt Strategischer Fahrplan für die Migration |
3 – 5 Wochen |
V: Umsetzung der Migration |
Externe Dienstleister können mit Workshops, Trainings und Services bei der Migration helfen |
Migration der Server |
TBD |