Fall Lion Electronics: Staatsanwaltschaft wirft IT-Herstellern mangelnde Kooperation vor

02.10.2007
Der Prozess gegen Erwin Deutsch, Geschäftsführer der Lion GmbH nahm ein unerwartetes schnelles Ende. Der Firmenchef hat Berichten der Rhein-Zeitung zufolge die Schuld auf sich genommen. Die Justiz war verwundert über die geringe Kooperationsbereitschaft der IT-Hersteller.

Der Prozess gegen Erwin Deutsch, Geschäftsführer von Lion Electronics und zwei seiner Mitarbeiter wegen Betrug, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung, der im Juli dieses Jahres vor dem Landgericht Koblenz begann, nahm ein unerwartet frühes Ende. Wie die Rhein-Zeitung berichtet, war der Firmenchef in ausführlichen Gesprächen geständig. Daraufhin wurde er dem Zeitungsbericht zufolge wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Zusätzlich steht ihm eine Geldstrafe in Höhe von knapp 890.000 Euro bevor.

Das zusätzliche Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 930.000 Euro wurde aufgrund einer außergerichtlichen Einigung mit der Finanzbehörde vorläufig eingestellt.

Laut dem Bericht der Rhein-Zeitung habe Deutsch in der letzten Verhandlung seinen Verteidiger Felix Rettenmaier die Aussage: "Im Großen und Ganzen sind die Vorwürfe wahr" verlesen lassen. Damit übernahm der Firmenchef die volle Verantwortung und entlastete damit seine Mitarbeiter. Dabei ging es um 7,4 Millionen Euro an Werbekostenzuschüssen, die Lion zwischen 1997 und 2002 von Intel und AMD mit gefälschten Rechnungen für angeblich geschaltete Werbeanzeigen kassiert hatte.

Justiz nimmt geschädigte Hersteller hart ins Gericht

Der Prozess ist mit dem Urteilsspruch juristisch abgeschlossen. Für die Justiz blieben jedoch viele Fragen, die im Laufe des Verfahrens aufgekommen sind, offen. Denn, wie der zuständige Staatsanwalt Gilbert Deurer der Rhein-Zeitung gegenüber äußerte, hätten die vom Gericht benannten geschädigten IT-Hersteller wie HP, Oki, Epson und Canon kaum zur Aufklärung beigetragen. "Ein befremdliches Verhalten", so Deurer. Die Betrugsfälle zulasten von Canon und Epson sind aus Desinteresse der Geschädigten fallengelassen worden, so der Staatsanwalt weiter.

Im Gespräch mit ChannelPartner betonte Hewlett-Packard, vom Gericht als einer der Geschädigten benannt, dass nach intensiven internen Rechnungsprüfungen schon vor dem eigentlichen Prozessbeginn geklärt worden sei, dass das HP in keiner Weise geschädigt worden sei. Diese Tatsache habe man der Staatsanwaltschaft zwar frühzeitig mitgeteilt, der Name sei jedoch trotzdem nicht aus der Berichterstattung genommen worden.

Gegenüber der Rhein-Zeitung äußerte sich Jörg Zeller, der Verteidiger einer Mitarbeiterin von Lion, wie folgt: "Es hätte im Verfahren durch eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme aufgeklärt werden müssen, ob diese WKZ für die Angeklagten überhaupt strafrechtlich relevant gewesen sind. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Vertragspartner darauf vertraut hätten, dass die Werbung tatsächlich durchgeführt würden, die WKZ also nicht als versteckte Rabatte einvernehmlich abgesprochen worden wären. Laut Zeller wäre denkbar, dass diese Hersteller dem Vertragspartner Lion wettbewer- oder kartellrechtlich unzulässige und daher versteckte Rabatte gewähren wollten. (bw)