Permanente Bedrohung

Firmen unterschätzen kriminelle Hacker

25.07.2014
Die NSA-Affäre hat die Hackerattacken auf Großkonzerne aus den Schlagzeilen verdrängt. Dabei nimmt die Zahl der kriminellen Angriffe auf Unternehmen nicht ab - im Gegenteil.

Die Geschichte klingt nach einem Spionage-Film: Mit Hilfe von infizierten E-Mails und Webseiten wurden in Europa und den USA spätestens seit 2011 Energieunternehmen angegriffen und ausgespäht. Das Ziel war Software, mit deren Hilfe unter anderem Windturbinen oder Biogas-Anlagen gesteuert werden. Schäden wurden nicht bekannt.

Es hätte schlimmer ausgehen können. Denn Sabotage-Akte wären durchaus möglich gewesen, sagt Candid Wüest, Virenjäger beim weltgrößten Anbieter von Sicherheitssoftware Symantec. 20 Angriffe identifizierte Symantec allein in Deutschland. Dragonfly (engl: Libelle) tauften die Virenjäger die dahinter stehenden Hacker, bei anderen Anbietern wurde die Gruppe "Energetic Bear" genannt. Die Attacke trage Zeichen einer staatlich unterstützten Operation mit großen Ressourcen und hohen technischen Fähigkeiten.

Der Vorfall passt ins Bild: Die flächendeckende Internet-Überwachung durch US-Geheimdienste ist ein Jahr nach den ersten Enthüllungen immer noch ein Thema. "Die IT-Gefährdungslage für Unternehmen hat sich jedoch im Grundsatz nur wenig geändert", sagt Isabel Münch, Referatsleiterin Allianz für Cyber-Sicherheit beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn.

Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung die größere Bedrohung von Spionage-Attacken ausländischer Staaten ausgeht, sind es kriminelle Hacker, die den Sicherheitsexperten die meisten Sorgen machen. "Nach wie vor stellen Online-Kriminelle eine wesentliche Bedrohung für die Unternehmen da", sagt Münch. Prominentes und jüngstes Beispiel ist die EZB: Hacker nutzten eine Lücke auf einer Internetseite, um sich Zugang zu einer Datenbank mit 20 000 E-Mail-Adressen sowie Telefonnummern oder Post-Anschriften zu verschaffen.

Das größte Risiko gehe immer noch von gezielten Angriffen aus, sagt Münch. Dabei gehen die Hacker vor wie Einbrecher, die ihre Opfer erst ausspähen, Einfallstore suchen und sich dann Zugang verschaffen. Sie verschicken Inhalte mit auf den Empfänger zugeschnittenen Inhalten, diese sind mit Schadsoftware oder Trojanern gespickt.

Fast ein Drittel der deutschen Unternehmen verzeichnet laut Birkom Cyberangriffe
Foto: Photosani - shutterstock.com

Dabei hat die Debatte rund um den US-Geheimdienst NSA nicht unbedingt geholfen, sagt Sebastian Schreiber, Chef der Sicherheitsfirma Syss mit Sitz in Tübingen. "Einige resignieren und sagen, sie können sich ohnehin nicht schützen", sagt Schreiber. Nachdem bekanntwurde, in welchem Ausmaß die NSA es auf Verschlüsselungsmechanismen abgesehen hat, ließen Firmen ihre Absicherungsmechanismen schleifen, statt weiter zu investieren. "Das ist falsch", sagt Schreiber.

Die Syss-Mitarbeiter greifen Firmen selbst mit den Methoden von Hackern an, um so Sicherheitslücken aufzudecken. Was sie dort finden, klingt alarmierend. "Viele Unternehmen sind regelrecht bewohnt", sagt Schreiber und spricht von Großkonzernen, die seit fünf Jahren von ausländischen Hackern heimgesucht werden.

Von einem verlorenen Jahr will Isabel Münch dagegen nicht sprechen: "Die Nachfrage nach Sicherheitsmaßnahmen steigt." Das Bewusstsein für Angriffe sei inzwischen höher, heißt es beim Bitkom. Der Allianz für Cybersicherheit haben sich seit der Computermesse Cebit im März 124 weitere Firmen angeschlossen - 843 sind es inzwischen.

Die besten Sicherheits-Tools im Überblick -
Secunia PSI
Der kostenlose Secunia Personal Software Inspector, kurz PSI, überprüft die installierten Anwendungen auf dem PC und kann veraltete Programme und Risiken aufzeigen.
Remove Fake Antivirus
Die Untersuchung mit Remove Fake Antivirus schließt verdächtige Prozesse, Registry-Einträge sowie Ordner und Dateien ein.
Microsoft Baseline Security Analyzer
Der Microsoft Baseline Security Analyzer liefert einen Bericht, der auflistet, an welchen Stellen es in Sachen Sicherheit hapert.
MAXA Cookie Manager Standard
Das kostenlose Programm MAXA Cookie Manager Standard erkennt und verwaltet die Cookies der gängigen Browser.
BoxCryptor
Das Verschlüsselungsverzeichnis von BoxCryptor wird über ein virtuelles Laufwerk in Windows eingebunden.
ArchiCrypt USB-Protect
Mit dem Tool lassen sich alle Arten von Laufwerken und Verzeichnisse komfortabel ver- und entschlüsseln.
Device Lock
Mit dem Sicherheits-Tool DeviceLock können Administratoren steuern, welche Benutzer Zugriff auf Schnittstellen wie USB, Bluetooth oder Firewire haben.
HashMyFiles
Windows bietet keine Bordmittel, um die Integrität von Daten anhand ihrer Hash-Werte zu prüfen. Die Freeware HashMyFiles füllt diese Lücke.
Maxa Crypt Portable
Wer digitale Informationen ohne großen Aufwand vor unbefugtem Zugriff schützen will, sollte einen Blick auf Maxa Crypt Portable werfen.
Lauschangriff
Um Ordner oder Laufwerke auf Löschungen, Umbenennungen, Kopieren oder Zugriffe zu überwachen, eignet sich das kostenlose Tool Lauschangriff.
Passwird Depot
Das Tool Password Depot speichert alle Kennwörter des Anwenders in einer internen Datenbank. Der Zugriff auf diesen Safe ist durch zwei Verschlüsselungsverfahren gesichert, sodass sich ein hoher Schutz ergibt.
Predator
Predator schützt Ihren PC vor Fremdzugriff. Ein gewöhnlicher USB-Stick dient als Schlüssel. Wird der Stick entfernt, sperrt sich der PC, und der Bildschirm schaltet auf dunkel.
Safey
Safey ist als portable Sicherheitssoftware für den Einsatz auf einem USB-Stick gedacht. Das Tool verschlüsselt Dateien und dient dabei selbst als Container, der die codierten Daten in sich aufnimmt.

Trotzdem gibt es Nachholbedarf: "Es tut sich eine Schere auf", stellt Marc Fliehe, IT-Sicherheitsexperte beim Branchenverband Bitkom fest. "Die, die ohnehin viel investiert haben, haben ihre Anstrengungen noch erhöht und den Schutz vor Wirtschaftsspionage ausgebaut." Kleine- und mittelständische Unternehmen, die nicht die finanziellen Mittel haben, hätten dagegen häufig noch erhebliche Defizite.

"Den größten Nachholbedarf sehen wir in produzierenden Unternehmen", sagt Isabel Münch. Angriffe auf Steuerungssysteme nach dem Muster des Computerwurms Stuxnet wie im Falle von "Dragonfly" haben zugenommen. Stuxnet griff Software zur Steuern von Zentrifugen in iranischen Urananreicherungsanlagen an. Die drehten sich so schnell, dass die Anlagen am Ende kaputt gingen. Inzwischen wird vermutet, dass der israelische Geheimdienst den Computerwurm entwickelte. "Wir hatten den Fall eines kommunalen Schwimmbads, das quasi aus dem Internet gesteuert werden konnte", berichtet Münch.

Die Täter zu fangen, ist nach wie vor die größte Herausforderung: Wer hinter der "Dragonfly"-Attacke steckt, ist noch nicht ausgemacht. Die Hacker, so fanden die Symantec-Experten heraus, arbeiteten üblicherweise irgendwo in Osteuropa in der Zeit von neun bis 18 Uhr. Ob sie allerdings nur Server dort gekapert haben oder tatsächlich von Russland aus aktiv waren, sei aus dieser Tatsache nicht abzuleiten, sagt Symantec-Virenjäger Wüest. (dpa/tc)