Umsatzsteuer-Karussell

Focus sieht Devil als Drahtzieher, Staatsanwaltschaft nicht

07.01.2013
Das Wochenmagazin Focus erhebt in seiner jüngsten Ausgabe massive Anschuldigungen gegen den Braunschweiger Distributor Devil. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Augsburg reagierte eher verwundert auf den Beitrag.
Devil wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe
Foto: Devil

Das Wochenmagazin Focus weist in seiner jüngsten Ausgabe dem Braunschweiger Distributor Devil eine federführende Rolle in einem internationalen Steuerbetrüger-Ring zu. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Augsburg reagierte eher verwundert auf den Beitrag, der nur wenige Punkte aus den umfangreichen Ermittlungsakten herausgreift, diese aber sehr detailliert ausbreitet.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg, die bereits seit Juni 2012 laufen, erstrecken sich allerdings auf insgesamt mehr als 106 Personen in ganz Europa. Damals wurden europaweit über 100 Räumlichkeiten unterschiedlichster Firmen und Privatobjekte durchsucht, darunter Objekte in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, Sachsen, Berlin und Bayern. 30 Haftbefehle wurden erlassen und vollzogen, davon 11 im Ausland. Inzwischen sitzen noch 27 der Beschuldigten in Untersuchungshaft.

Ermittelt wurde gegen zahlreiche Gesellschaften im In- und Ausland wegen des Verdachts einer kriminellen Vereinigung, die zum Zweck der Steuerhinterziehung gegründet worden seien. Den möglicherweise entstandenen Schaden schätzen die Ermittler auf mehr als 120 Millionen Euro.

Einzelheiten zu den Sachverhalten wollte die Staatsanwaltschaft Augsburg gegenüber ChannelPartner weder im Juni 2012 noch aktuell bekannt geben. Allerdings betonte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, dass ausschließlich gegen Personen und nicht gegen Unternehmen ermittelt werde.

"Die Ermittlungen sind inzwischen fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen und es gibt im Hinblick auf die bereits im Juni 2012 bekannt gegebenen Sachverhalte keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse", erklärte Oberstaatsanwalt Matthias Nikolai gegenüber ChannelPartner.

Das Wochenmagazin Focus hatte in der heute erschienenen Ausgabe berichtet, der Braunschweiger Konzern (Devil, Anm. der Red.) gelte in den Augen der Ermittler als eines der zentralen Elemente in dem Geflecht aus Echt- und Scheinfirmen.

"Diese Informationen kommen nicht von uns", stellt Oberstaatsanwalt Nikolai auf Anfrage von ChannelPartner klar. "Woher sie stammen, können wir nicht nachvollziehen. Möglicherweise könnte sich ein Verfahrensbeteiligter dazu geäußert haben. Die im Focus-Beitrag dargestellten Sachverhalte werden wir aufgrund des Steuergeheimnisses weder bestätigen noch dementieren. In der detaillierten Art und Weise, wie hier die Sachlage geschildert wird, würden wir uns aber nie äußern." Obendrein lägen der Staatsanwaltschaft zu der im Focus-Beitrag erwähnten Russenmafia keine Erkenntnisse vor.

Das sagt Devil zu den Vorwürfen:

Das Unternehmen räumt ein, im Juni 2012 von einer Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Augsburg betroffen gewesen zu sein. Hintergrund der Durchsuchung waren Ermittlungen gegen ein europaweites, von Belgien bzw. England aus operierendes Umsatzsteuerkarussell.

"Aufgrund der Handelsströme und starken Vernetzung der Branche sind eine Vielzahl der deutschen ITK-Distributoren von den Ermittlungen betroffen. Die Ermittlungen richten sich derzeit gegen mehr als 100 Personen", so Devil.

Die Darstellung des Magazins Focus in seiner Ausgabe vom 07.01.2013 bilde den aktuellen Erkenntnisstand nicht ab. "Die Darstellung beruht offensichtlich aus einzelnen aus dem Zusammenhang genommenen Auszügen von Beschlüssen aus Mai/Juni 2012 ohne Berücksichtigung des aktuellen Verfahrensstandes", erklärte ein Devil-Sprecher. "Der in dem Bericht genannte Sachverhalt beruht im Wesentlichen auf dem Einkauf bei einem von mehr als 250 Lieferanten des Unternehmens."

Aus Sicht des Braunschweiger Distributors ist die Nennung des Unternehmens und insbesondere auch ihres Vorstandsvorsitzenden nur durch Vernachlässigung sorgfältiger Recherche erklärlich, da das Unternehmen keine herausgehobene Stellung gegenüber anderen betroffenen ITK-Distributoren hat.

Devil distanziere sich ausdrücklich von allen illegalen Aktivitäten, einschließlich der Steuerhinterziehung. "Die in dem Focus-Artikel geschilderten Machenschaften sind aus Sicht der Devil AG sowie ihrer Verantwortlichen verwerflich und nicht zu tolerieren", heißt es in der Presseerklärung.

"Wir haben keine Ware vom missing trader gekauft"

Nach derzeitigem Kenntnisstand waren Vorlieferanten von einzelnen Lieferanten der Devil AG sowie gegebenenfalls einzelne ausländische Kunden des Unternehmens in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden.

"Die Devil hat zu keinem Zeitpunkt Ware von irgendwelchen "missing tradern" gekauft", betont das Unternehmen. "Bei dem betroffenen Lieferanten handelte es sich um ein seit langen Jahren am Markt aktives Unternehmen, bei dem keinerlei Anhaltspunkte für eine Einbindung in Karussellgeschäfte vorlagen."

Devil überprüfe mehr als 240 Lieferanten regelmäßig in einer über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehenden Weise.

"Keine Dreh- und Angelscheibe"

Bereits aus der Relation der von dem Lieferanten der Devil AG über mehrere Jahre an diese verkauften Ware im Verhältnis zu dem Umsatz der Devil AG sowie der von dem Focus-Artikel genannten Schadenssumme bei diesem Lieferanten von ca. 5 Millionen Euro im Verhältnis zu einem Gesamtschaden von bis zu mehreren hundert Millionen Euro zeige sich, dass die Devil AG kein "Eckpfeiler des Betrugssystems" (Focus-Artikel) sein kann.

Aufhebung strafprozessualer Maßnahmen gegen Devil

Der Vorwurf, dass die Devil AG "IT-Kleinteile an ausländische Scheinfirmen weiter-transferiert habe", hat sich nicht bestätigt, heißt es in der Presseerklärung des Distributors. Keiner der ausländischen Kunden der Devil AG habe sich als Scheinunternehmen herausgestellt. Devil habe auch zu keinem Zeitpunkt "Computerkomponenten oder Spielkonsolen zum Schein gehandelt" oder "manipulierte Umsatzsteuererklärungen beim Finanzamt eingereicht". Alle Warenbewegungen des Braunschweiger Distributors sdeien ausnahmslos in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise dokumentiert.

Der zitierte Vorwurf, "zu Unrecht Vorsteuern in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro geltend gemacht zu haben", ergibt sich allein aus der - strafprozessual erforderlichen - Konkretisierung des Beschlussinhaltes, der das verantwortliche Organ der Gesellschaft benennt. Insbesondere hat die Staatsanwaltschaft Augsburg auch keinen dringenden Tatverdacht gegen den Devil-Vorstandsvorsitzenden Axel Grotjahn, bejaht.

Die Devil AG war in dem Strafverfahren durch die Anordnung eines dinglichen Arrestes sowie die Beschlagnahme diverser Waren betroffen. Der dingliche Arrest wurde im Juli 2012 durch das Oberlandesgericht München durch Beschluss aufgehoben. Die bei der Durchsuchung beschlagnahmte Ware wurde aufgrund Beschlusses des Landgerichts Augsburg wieder herausgegeben. Es bestehen damit keine strafprozessualen Maßnahmen gegenüber der Devil AG mehr.

Vorkehrungen gegen die Einbindung in ein Karussellsystem

Devil habe außerdem umfangreiche Vorkehrungen gegen die unwissentliche Einbindung in ein Betrugssystem getroffen. Sie umfassen unter anderem die umfangreiche Markierung von Waren und Erfassung von Seriennummern. "Die Devil AG kann aufgrund dieser Sicherungssystem ausschließen, dass - wie für ein Umsatzsteuerkarussell typisch - Ware von ihr mehrmals angekauft wurde", so das Unternehmen.

Auch ist durch diese Maßnahmen auszuschließen, dass, wie von dem Nachrichtenmagazin Focus fälschlich berichtet, "Karussellware im Nettowert von 36 Millionen Euro über den Braunschweiger Konzern nach Österreich pendelte". Von dem betroffenen Lieferanten angekaufte Waren wurden an insgesamt mehr als 4000 verschiedene Kunden veräußert.

Ein Devil-Mitarbeiter in U-Haft

Derzeit befinden sich 27 Verdächtige noch in Haft, zwei betroffene Mitarbeiter des Konzerns wurden bereits im Sommer 2012 aus der Haft entlassen

Ein einzelner Mitarbeiter des Einkaufs der Devil AG (und nicht, wie fälschlich berichtet, der "Verkaufsleiter"), befindet sich derzeit noch in Untersuchungshaft. Dieser Mitarbeiter war für den Einkauf bei dem betroffenen Lieferanten zuständig. Devil hat das Arbeitsverhältnis mit diesem Mitarbeiter im Rahmen einer Verdachtskündigung beendet.

Ob tatsächlich eine eventuelle Nähebeziehung dieses Mitarbeiters zu einem in das Umsatz-steuerkarussel verwickelten Lieferanten existierte, sei derzeit nicht zu beurteilen. Der Verteidiger des Mitarbeiters hat eine Stellungnahme angekündigt, die bisher nicht vorliegt. Die DEVIL AG möchte sich auch mit Blick auf die Unschuldsvermutung nicht an eventuellen Spekulationen beteiligen.

(rb)