Freiberufler: Geldanlage beim Finanzamt

26.08.2005 von Benno Grunewald
Viele Selbstständige in der IT-Branche zahlen Gewerbesteuer, obwohl sie es nicht müssten: Unter bestimmten Voraussetzungen haben sie nämlich einen Freiberuflerstatus. Warum es sich lohnt, die Einstufung zu ändern, erklärt Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald.

I. Hintergrund

Viele Selbstständige im IT-Bereich zahlen Gewerbesteuer, obwohl sie es nicht müssten. Sie tun dies, weil sie sich selbst als gewerblich betrachten, einen entsprechenden Hinweis bzw. Ratschlag erhielten oder das Finanzamt diese Auffassung vertritt.

Aus diesem Grunde legen viele Selbstständige gegen die jährlichen Gewerbesteuermessbescheide keinen Einspruch ein. Somit werden die Bescheide nach Ablauf der Einspruchsfrist von einem Monat rechtskräftig und damit offensichtlich nicht mehr änderbar.

Unter bestimmten Umständen können aber auch rechtskräftige Gewerbesteuermessbescheide noch Jahre später geändert oder aufgehoben werden. In einem solchen Fall führt dies nicht nur zur nachträglichen Anerkennung als Freiberufler mit allen damit verbundenen Vorteilen sondern auch zur Erstattung der bereits gezahlten Gewerbesteuer mit einer jährlichen Verzinsung von sechs Prozent durch das Finanzamt.

II. Sechs gute Gründe pro Freiberuflichkeit

1. Sie zahlen keine Gewerbesteuer

Trotz der ab 2001 möglichen teilweisen Verrechnung der Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer zahlen nur wenige Selbstständige tatsächlich keine Gewerbesteuer mehr. Besonders in Städten und Gemeinden mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von mehr als 330 Prozent wird auch nach 2001 Gewerbesteuer in der Regel zu zahlen sein. Als Freiberufler zahlen Sie keine Gewerbesteuer.

2. Sie unterliegen keiner Bilanzierungspflicht

Durch die mit der Gewerblichkeit verbundene Bilanzierungspflicht entstehen Ihnen ein zusätzlicher Aufwand und zusätzliche Kosten für den Steuerberater, da Sie wohl nur selten selbst eine Bilanz erstellen werden. Als Freiberufler müssen Sie nicht bilanzieren.

3. Sie müssen keine Buchhaltungspflicht beachten

Der Wegfall der Buchhaltungspflicht bedeutet ebenfalls die Vermeidung von Aufwand und Kosten für Sie. Als Freiberufler brauchen Sie keine Buchhaltung.

4. Sie zahlen keinen IHK-Beitrag

Als Gewerbetreibender sind Sie Zwangsmitglied in der IHK und müssen einen entsprechenden, von Ihrer örtlich zuständigen IHK festgelegten Jahresbeitrag zahlen, der durchaus im vierstelligen Bereich liegen kann. Als Freiberufler sind Sie nicht Zwangsmitglied der IHK und müssen auch nicht zahlen.

5. Sie unterliegen nicht der Soll-Versteuerung

Wenn Sie als gewerblich eingestuft werden, müssen Sie die Umsatzsteuer bereits bei Stellung der Rechnung bzw. bei Fälligkeit Ihrer Forderung abführen. Da Sie zu diesem Zeitpunkt die Einnahme aus der Rechnung aber noch nicht erhalten haben, heißt dies, dass Sie die Umsatzsteuer dem Staat vorfinanzieren und Ihre Liquidität eingeschränkt wird. Als Freiberufler müssen Sie die Umsatzsteuer erst an das Finanzamt weiterleiten, wenn diese mit dem Rechnungsbetrag auf Ihrem Konto tatsächlich eingegangen ist; daher "Ist"-Versteuerung genannt.

6. Bei nachträglicher Anerkennung erhalten Sie die bereits gezahlte Gewerbesteuer mit sechs Prozent Verzinsung zurück

Werden Sie vom Finanzamt rückwirkend als Freiberufler anerkannt und haben Sie schon Gewerbesteuer gezahlt, zahlt Ihnen die Stadt-/Gemeindekasse die Gewerbesteuer zurück und verzinst diese Beträge mit 0,5 Prozent pro Monat, was einem Jahreszins von sechs Prozent entspricht. Diese Verzinsung beginnt 15 Monate nach Fälligkeit der Gewerbesteuer.

Hierzu ein Beispiel: Sie haben im Jahr 2000 Gewerbesteuer in Höhe von 8.000,00 Euro gezahlt. Dann beginnt die Verzinsung mit dem 01.04.2002. Nach Ihrer Anerkennung als Freiberufler erhalten Sie die Gewerbesteuer am 01.10.2005 zurück. Dann bekommen Sie die Gewerbesteuer in Höhe von 8.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 1.840,00 Euro gleich 9.840,00 Euro erstattet. Sicherlich keine schlechte "Geldanlage".

III. Die rückwirkende Anerkennung als Freiberufler in der Theorie ...

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Abgabenordnung) sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft.

Voraussetzungen dieser Bestimmung sind demnach

1. Vorliegen von Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 AO

2. Die so genannte Rechtserheblichkeit dieser Tatsachen

3. Kein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen

Diese Voraussetzungen müssen vom Selbstständigen belegt werden.

IV. ... und in der Praxis

Der selbstständige IT-Berater war im Rahmen einer Routinenachfrage vom Finanzamt für die Jahre 2000 bis 2003 als gewerblich eingestuft worden. Dagegen legte der Selbstständige bzw. sein Rechtsvertreter Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren endete mit der Anerkennung als Freiberufler.

Da der Freiberufler bereits seit 1995 selbstständig im IT-Bereich tätig war, beantragte der Rechtsvertreter des Freiberuflers anschließend die Aufhebung auch der Gewerbesteuermessbescheide für 1995 bis 1999 mit den oben unter III. genannten Argumenten.

Dabei war inhaltlicher Kernpunkt dieser Argumentation, dass sich die Situation des Freiberuflers seit 1995 nicht entscheidend verändert hatte, sodass das Finanzamt auch bereits 1995 zum Ergebnis gelangt wäre, dass der Freiberufler nicht gewerblich sondern freiberuflich tätig ist.

Nach mehreren Schriftsätzen und Telefonaten ließ sich das Finanzamt schließlich überzeugen, hob auch die Gewerbesteuermessbescheide für 1995 bis 1999 ersatzlos auf und erkannte den Selbstständigen damit im vollen Umfang als Freiberufler an.

V. Ergebnis

Steuerbescheide sind nicht nur durch einen fristgerechten Einspruch (innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids) angreifbar, sondern können auch noch später geändert bzw. aufgehoben werden. Hierzu ist es erforderlich, die oben genannten "neuen Tatsachen" gegenüber dem Finanzamt glaubhaft zu machen. Sofern diese grundsätzlich Möglichkeit besteht, sollte der Selbstständige diese Chance prüfen beziehungsweise durch einen fachkundigen Steuerberater oder Rechtsanwalt prüfen lassen.

Er kann dabei nur gewinnen - denn im "schlimmsten" Fall bleibt alles, wie es ist; im besseren Fall aber erhält er seine bereits gezahlte Gewerbesteuer zuzüglich sechs Prozent Zinsen pro Jahr erstattet, muss auch künftig keine Gewerbesteuer zahlen und ist auch von allen sonstigen Belastungen der Gewerblichkeit befreit.