Frontrange rüstet sich im Wettkampf gegen Microsoft

29.08.2002
Im Spannungsfeld zwischen Treue zum Plattformanbieter Microsoft und Konkurrenzkampf mit dem Anwendungsentwickler Microsoft balanciert Frontrange. Jetzt will der CRM-Spezialist eine Dotnet-fähige Suite anbieten, sich aber mit Branchenlösungen von den Redmondern abheben.

Die Fabel vom Hase und Igel zeigt, dass im Wettkampf nicht immer der vermeintlich Stärkere die Nase vorne haben muss. Wer sich im Gerangel um Anteile im Wachstumsmarkt für Kundenbeziehungsmanagement-Lösungen zwischen dem CRM-Novizen Microsoft und den etablierten Best-of-Breed-Anbietern durchsetzen kann, steht ebenfalls noch nicht fest.

Der in Colorado ansässige CRM-Spezialist Frontrange, ehemals Goldmine, möchte seine Chancen verbessern und vor den Redmondern eine CRM-Suite anbieten, die die Webservices-Plattform Dotnet von Microsoft unterstützt: "Microsoft nutzt Frontrange als Vorzeigehersteller, um zu zeigen, was Dotnet einem Independent Software Vendor ermöglicht", hebt Patrick Bultema, President und CEO bei Frontrange, hervor.

Microsoft hat Testversion bereits ausgegeben

Das dafür bereits im vergangenen September (siehe ComputerPartner 36/01, Seite 12) unter dem Codenamen "Orion" in Angriff genommene Softwarepaket soll in den USA im vierten Quartal dieses Kalenderjahres sowie international eventuell im ersten aber spätestens im zweiten Quartal 2003 verfügbar sein. Damit liegt Frontrange, zumindest was Ankündigungen anbelangt, gleichauf mit Microsoft. Wie dem CRM-Spezialisten nahestehende Kreise berichten, war bei Redaktionsschluss noch kein Beta-Release an Testunternehmen ausgeliefert. Microsoft hat da einen Vorsprung. Die Redmonder präsentierten eine Testversion ihrer CRM-Lösung bereits Mitte Juli und verschickten diese an ausgesuchte Unternehmen.

Das von Frontrange mit dem Entwicklungswerkzeug "Visual Studio" der Redmonder in der Programmiersprache C# erstellte Soft- warepaket soll zum einem die Funktionalität der bisherigen CRM-Anwendungen "Goldmine Sales und Marketing" sowie "Heat Service und Support" enthalten und zum anderen auf vertikale Märkte wie Finanzdienstleister oder Industrieunternehmen ausgerichtet sein. "Während Microsoft den breiten Markt adressiert, richten wir unsere neue CRM-Suite auf Branchen aus", betont Mathias Büttner, Marketing-Manager Central and Eastern Europe bei Frontrange. Einen Konflikt mit den 30 europäischen Value Added Resellern (VARs), davon 16 deutsche, die für den CRM-Spezialisten bislang die Lösungen an die individuellen Wünsche der Kunden anpassen, will Büttner nicht sehen: "Wenn der Kunde eine vertikalisierte Lösung zu ähnlichen Konditionen wie eine branchenunabhängige kauft, kann er mehr Geld in seine speziellen Wünsche investieren." Die Partnergemeinde in Deutschland begrüßt den Schritt des CRM-Herstellers grundsätzlich, fordert aber: "Customizing muss weiterhin möglich sein, nur einfacher und günstiger für den Kunden", erklärt beispielsweise Wolfgang Matheis, Geschäftsführender Gesellschafter des Frontrange-VARs Marathon Computer. Wenn die Anpassungen beim Kunden anstelle von einer Woche nur noch einen Tag dauern würden, könnte der Kunde das gesparte Geld in die Anbindung der kaufmännischen Software investieren. Fände kein Zusatzgeschäft statt, würden zumindest Kapazitäten schneller für andere Kunden frei werden.

SQL-Bundle mit Frontrange steht auf der Kippe

Die neue CRM-Suite kostet laut Frontrange-Chef Bultema zwischen 1.000 und 1.200 Dollar per Seat und soll in einem Concurrent-User-Modell angeboten werden. Bei dieser Angebotsmethode werden am Server beispielsweise zehn Lizenzen installiert, auf die bis zu zehn unterschiedliche Mitarbeiter eines Unternehmens gleichzeitig zugreifen können. Der Preis für die vom Funktionsumfang möglicherweise vergleichbare "CRM Professional Suite" von Microsoft beträgt 1.395 Dollar.

Bislang hat der CRM-Spezialist seine Lösungen wie Goldmine Sales und Marketing zusammen mit dem SQL-Datenbankserver der Redmonder vertrieben und gehört somit zu den größten Microsoft-Wiederverkäufern für dieses Produkt. Doch angesichts der künftigen Konkurrenzsituation hält sich Frontrange noch bedeckt, ob das auch so bleiben wird: "Das haben wir noch nicht entschieden", räumt Büttner ein.

Ebenfalls noch nicht entschieden ist laut Bultema, ob die durch die Übernahme von Bendata zu dem CRM-Anbieter gelangte Helpdesk-Lösung Heat die Webservices-Plattform von Microsoft unterstützen wird. Sowohl Heat als auch Gold-mine Sales und Marketing sollen aber weiterhin angeboten und auch weiterentwickelt werden. "Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden die Softwarepakete pa-rallel neben Orion existieren", versichert Büttner. Fest steht aber laut dem Marketing-Manager, dass künftig direkte Schnittstellen zu den Lösungen der in den jeweiligen vertikalen Märkten am stärksten vertretenen ERP-Anbietern entwickelt werden. Im Gegensatz zu Microsoft soll die CRM-Suite aber nicht im ASP-Betrieb (Application-Service-Providing) angeboten werden. "Mittelständische Unternehmen beziehen keine Soft- ware über dieses Modell", erklärt Frontrange-Chef Bultema dazu.

ComputerPartner-Meinung:

Frontrange und Microsoft haben durch ihre Unternehmenshistorie bedingt spezifische Vor- und Nachteile. Für Frontrange spre-chen die 13 Jahre lange Erfahrung im Markt für Customer-Relationsship-Management-Lösungen, ein welt- weit mit 2.000 VARs bestückter und für CRM-Lösungen kompetenter Channel, 1,2 Millionen Anwender und ein Migrationspfad von der Einsteigerlösung Goldmine 5.5, künftig Business Kontaktmanager, auf die Suiten für den gehobenen Mittelstand Goldmine Sales und Marketing, Heat sowie künftig Orion.

Microsoft entwickelt die Plattformtechnologie Dotnet sowie den im Mittelstand weit verbreitenden SQL-Datenbank-Server, kann seine CRM-Lösung sowohl tief in den eigenen, von weltweit 90 Millionen Anwendern genutzten, E-Mail-Client-Outlook integrieren als auch Schnittstellen zu den ERP-Lösungen von Microsoft Business Solutions anbieten.

Kunden, die auch umfangreiche Helpdesk-Funktionalität und Call-Center-Software benötigen, sind heute sicher noch besser bei Frontrange aufgehoben. Langfristig gesehen wiegen die Vorteile der Redmonder zumindest im unteren Marktsegment schwerer. Ob Microsoft alleine mit Branchenlösungen in Schach gehalten werden kann, ist fraglich. Der CRM-Primus Siebel hat diesen Weg im Enterprise-Markt bereits beschritten und verliert im Kampf gegen die Software-Generalisten, allen voran SAP, zunehmend Anteile im CRM-Markt. (hei)