Stolperfallen bei der Selbstständigkeit

Fünf Irrtümer – wo Informatiker aufpassen müssen

31.10.2012
Es gibt bestimmte Themen, die sowohl für Existenzgründer als auch für IT-Berater weitreichende steuerrechtliche Folgen haben. Peter Brenner stellt die sechs häufigsten Irrtümer vor.
Wer als freiberuflicher IT-Berater arbeitet, hat viele steuerliche Besonderheiten zu beachten.
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Irrtum 1: Gewerbesteuer entfällt durch Verrechnung

Falsch! In Abhängigkeit vom Hebesatz der Gemeinde und vom zu versteuernden Einkommen gibt es durchaus Fälle, in denen durch Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer keine zu zahlende Gewerbesteuer übrigbleibt. Das ist aber ab einem Hebesatz von 380 Prozent nicht mehr der Fall. Hinzu kommen die immer noch wenig bekannten finanziellen und zeitlichen Nachteile der IHK-Pflichtmitgliedschaft, doppelte Buchführung, Bilanzierungspflicht und buchhalterische Nachteile sowie ggf. Mitgliedschaft bei einer Berufsgenossenschaft.

Empfehlung: Eine Vorausberechnung der Gewerbesteuer sollte nicht nur die gegenwärtige, sondern auch die künftige finanzielle Entwicklung berücksichtigen.

Irrtum 2: Datenbankadministratoren sind zwingend Gewerbetreibende

Falsch! Ein neues Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln verunsichert zunehmend die Informatikerszene. Es ist das erste Mal, dass ein Gewerbeamt die Gewerbeanmeldung eines vom Finanzamt als Freiberufler eingestuften Informatikers vor einem Verwaltungsgericht durchgesetzt hat. Bislang haben sich die Gewerbeämter regelmäßig an die Beurteilung der Finanzämter bzw. Finanzgerichte gehalten. Es ist zu befürchten, dass in Zeiten leerer Kassen eine Lawine ins Rollen kommt und die Gemeinden neue Wege für Steuereinnahmen entdecken. Aber es gibt auch noch andere Tätigkeitsfelder, die gewerblich gefährdet sind. Diese gilt es mit dem eigenen Beratungsangebot abzugleichen.

Empfehlung: Die eigenen Beratungsfelder sollten kritisch hinterfragt werden.

Irrtum 3: Rückwirkende Anerkennung als Freiberufler ausgeschlossen

Falsch! Es ist ein Irrglaube, dass verfristete Steuerbescheide nicht mehr angreifbar sind. Kann ein Informatiker sogenannte neue Tatsachen vortragen, so kann er Bescheide angreifen, die auf einer Steuerklärung beruhen, die vor vier Jahren abgegeben wurde. Beispiel: Abgabe 2006 in 2008 = Erklärung neuer Tatsachen möglich bis 31.12.2012.

Empfehlung: Sofern Sie bereits Gewerbesteuer gezahlt haben, sollten Sie prüfen, ob Sie dies aufgrund neuer Tatsachen revidieren können.

Existenzgründung und Rentenversicherungspflicht

Irrtum 4: Existenzgründung unbürokratisch möglich

Falsch! Seitens des Finanzamtes ist zu klären, ob aufgrund der Tätigkeit, der Ausbildung und des ingenieurmäßigen Vorgehens eine Freiberuflichkeit vorliegen kann. Schwierig ist eine Anerkennung wegen verwirrend vieler Finanzgerichts- und BFH-Urteile. Finanzbeamte können nur sehr schwer die drei genannten Kriterien bewerten. Vergleichbares gilt sinngemäß für die Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht. Es ist besonders wichtig, auf korrekte vertragliche Formulierungen zu achten, damit die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) bei einer Überprüfung des Status zu einem positiven Ergebnis für den Informatiker kommt.

Weiterhin gilt: Eine Scheinselbstständigkeit belastet den Vertragspartner finanziell, die Rentenversicherungspflicht hingegen den Informatiker direkt.

Empfehlung: Spätfolgen durch nicht mehr zu berichtigende formale Fehler sind zu vermeiden. Von der Anmeldung beim Finanzamt über Rechnungsinhalte bis zur vertraglichen Gestaltung, zum Internetauftritt und zu weiteren Außendarstellungen ist von Anfang stringent auf eine freiberufliche Darstellung der Beratungsinhalte zu achten.

Irrtum 5: Rentenversicherungspflicht stellt kein Problem dar

Falsch! Sollte bei einem selbstständigen Informatiker eine Rentenversicherungspflicht vorliegen, bedeutet das Nachzahlungen an die DRB in Höhe von maximal ca. 24.000 Euro für vier Jahre rückwirkend. Eine Überprüfung durch die DRB ist jederzeit möglich.

Empfehlung: Vor Beginn einer selbstständigen Tätigkeit ist zu prüfen, welche Strategie im Einzelfall als Lösung infrage kommt. Es gibt für Existenzgründer weiterhin die Möglichkeit einer Freistellung für die ersten drei Jahre der Selbstständigkeit. Andere Möglichkeiten sind einzelfallabhängig zu prüfen. Grundsätzlich wichtig ist auch hier die strategische Ausrichtung des Unternehmens, um die relevanten Kriterien positiv zu erfüllen.

Es ist äußerst sinnvoll, bei einer Unternehmensgründung gerade die behördlichen Themen sehr sorgfältig zu gestalten. Sollte es trotzdem, auch weil viele Gründer nach dem Motto "wird schon gut gehen” starten, in Folge zu schmerzlichen finanziellen Forderungen seitens des Finanzamtes , der DRB, der IHK und der Berufsgenossenschaften kommen, gibt es verschiedenartige Möglichkeiten zur Rettung der Situation.

Besser als spätere Reparaturen ist z. B. die Nutzung eines von der KfW bis zu 90 Prozent geförderten Existenzgründungs-Coachings Deutschland. Im Rahmen dieses Programms werden die genannten Problemfelder positiv gestaltet und mithilfe von Testaten in Richtung Behörden abgesichert. Sollte eine Förderung zeitlich nicht mehr möglich sein, hilft die Erstellung eines Gutachtens, um die Finanzbehörde von der Freiberuflichkeit eines Informatikers zu überzeugen. Gleiches gilt sinngemäß für die Fragen der Scheinselbständigkeit und der Rentenversicherungspflicht. Auch die Einbeziehung eines fachlich versierten Juristen ist fallbezogen sinnvoll. (oe)

Der Autor Peter Brenner ist seit 1978 Informatiker und als Existenzgründungsberater / Coach sowie Sachverständiger im Bereich der Informatik tätig. Außerdem ist er Gründungs- und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik e.V. (BVSI, www.bvsi.de).
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Tel.: 0172 5470892, Fax: 02203-695854, E-Mail: PeterBrenner@t-online.de, Internet: www.svkanzlei.de