Besonderheiten beachten

Gang zum Arbeitsgericht? Vorher informieren!

26.02.2010
Was beim arbeitsgerichtlichen Rechtsschutz wichtig ist, sagen Michael Henn und Christian Lentföhr.

Die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte ist in § 2 ArbGG für das Urteilsverfahren (§§ 46 - 79 ArbGG) und in § 2a ArbGG für das Beschlussverfahren (§§ 80 ff ArbGG bzgl. betriebsverfassungsrechtlicher Angelegenheiten) geregelt.

Z.B. sind die Arbeitsgerichte zuständig nach § 2 I Nr. 3 a) bzw. b) ArbGG für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis bzw. über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach Rechtsprechung des BAG reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus, wenn die Klage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist. Nach § 5 ArbGG sind "Arbeitnehmer" im Sinne des ArbGG auch z.B. Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen. Nach der Rechtsprechung des BAG sind die Arbeitsgerichte auch für Ansprüche aus faktischen Arbeitsverhältnissen zuständig.

Bei der Prozessfähigkeit Minderjähriger ist wie folgt zu unterscheiden: Gemäß § 46 II ArbGG i.V.m. § 52 ZPO besteht Prozessfähigkeit, soweit Geschäftsfähigkeit vorliegt. Bei Minderjährigen, die vom gesetzlichen Vertreter zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses ermächtigt sind, sind diese nach §§ 112, 113 BGB insoweit uneingeschränkt geschäftsfähig und prozessfähig. Da sich die Geschäftsfähigkeit nach § 113 BGB nicht auch auf Ausbildungsverhältnisse erstreckt, sind Minderjährige im Bezug auf ihr Ausbildungsverhältnis daher nicht prozessfähig.

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich über die Verweisungsnorm des § 46 II ArbGG aus den §§ 12 ff ZPO. In der Regel ist der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO bei Arbeitsverhältnissen der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat.

Beschleunigungsgebot

In § 9 I ArbGG ist eigens ein Beschleunigungsgebot für arbeitsgerichtliche Verfahren normiert. So muss z.B. gemäß § 47 I ArbGG eine Klage nur innerhalb einer Mindestfrist von einer Woche vor dem Termin zugestellt sein oder beträgt gemäß § 59 ArbGG die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil ebenfalls nur eine Woche.

Zunächst ist eine Verhandlung zum Zweck der gütlichen Einigung anzusetzen (Güteverhandlung) nach § 54 ArbGG. Bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis bzw. zur Frage, ob ein Ausbildungsverhältnis beendet sei, wäre bei Bestehen eines für den jeweiligen Ausbildungszweig gebildeten Ausschusses gemäß § 111 II 5 ArbGG zunächst ein außergerichtliches Güteverfahren zu versuchen.

Gemäß § 10 ArbGG sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern bzw. Zusammenschlüsse solcher Verbände parteifähig, auch wenn diese häufig nichtrechtsfähige Vereine sind.

Vor den Arbeitsgerichten kann die Partei gemäß § 11 I ArbGG den Rechtsstreit selbst führen oder sich von jeder prozessfähigen Person - außer den nach § 11 III ArbGG ausgenommenen Personen - vertreten lassen (z.B. Rechtsbeistände und Steuerberater). Dabei können sich die Parteien auch von befugten Vertretern von Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden vertreten lassen.

Vor dem Landesarbeitsgericht können § 11 II 2 ArbGG außer Anwälten auch noch Vertreter von Gewerkschaften oder Arbeitgebervereinigungen als Prozessbevollmächtigte auftreten. Gemäß § 11 II 1 ArbGG besteht uneingeschränkter Anwaltszwang vor dem Bundesarbeitsgericht.

Gemäß § 12a I ArbGG besteht im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren kein Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden Partei. Hierauf ist vor Mandatsabschluss gemäß § 12a I 2 ArbGG hinzuweisen. Der Ausschluss der erstinstanzlichen Kostentragung im Arbeitsprozess gilt analog auch für die materielle Kostentragungspflicht im außergerichtlichen Bereich für arbeitsrechtliche Streitigkeiten.

Streitwert

Der Streitwert einer Kündigungsschutzklage beträgt gemäß § 12 VII 1 ArbGG höchstens das Arbeitsentgelt eines Vierteljahres. Der Streitwert bzgl. wiederkehrender Leistungen beträgt nach § 12 VII 2 ArbGG grundsätzlich den Wert des dreijährigen Bezugs.

Erwähnenswerte Besonderheiten des in § 46a ArbGG geregelten Mahnverfahrens: Im Unterschied zu § 689 II ZPO ist bereits für das Mahnverfahren das für den Rechtsstreit im Urteilsverfahren zuständige Arbeitsgericht zuständig. Die Widerspruchsfrist i.S.d. § 692 I Nr. 3 ZPO beträgt gemäß § 46a III ArbGG nur eine Woche.

Der für die Berufung geltende Schwellenwert des Beschwerdegegenstands beträgt gemäß § 64 II ArbGG 600,00 EUR. Die Berufung gegen arbeitsgerichtliche Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann gemäß § 64 II ArbGG eingelegt werden, wenn die Beschwerdesumme überstiegen ist oder die Berufung im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen wurde. Bestandsstreitigkeiten (z.B. Kündigungsschutzrechtsstreit) sind unabhängig von Streitwert und Zulassung gemäß § 64 II Nr.c ArbGG berufungsfähig.

Ausschließlich nur unter der Voraussetzung der Zulassung kann gemäß § 72 ArbGG die Revision stattfinden.

Bisher fehlte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit, eine nachträgliche Zulassung der Revision mit einer Verfahrensrüge zu erreichen. Durch das Anhörungsrügengesetz wurden die Folgen einer Verletzung rechtlichen Gehörs und der Zugang zum Bundesarbeitsgericht neu geregelt: innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ist schriftlich bei dem konkreten Spruchkörper eine Rüge zu erheben, der das rechtliche Gehör versagt haben soll die Rüge muss die Verletzung des rechtlichen Gehörs und ihre Entscheidungserheblichkeit darlegen.

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de

Christian Lentföhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Mitglied im VdAA, c/o W. Schuster und Partner GmbH, Schuster, Lentföhr & Zeh, Tel.: 0211 658810, E-Mail: lentfoehr@wsp.de, Internet: www.esp.de