Bundestag

Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums verabschiedet

06.05.2008
Im April wurde im Bundestag nach langem Ringen die Durchsetzungsrichtlinie zur Bekämpfung der Produktpiraterie verabschiedet. Rechtsanwältin Dr. Katharina Scheja erklärt Inhalte und Auswirkungen.

Die (effektivere) Bekämpfung der Produktpiraterie hat in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre breiten Raum eingenommen. Bundesregierung und insbesondere die Bundeskanzlerin haben seit Amtseinführung bei einer Vielzahl von Anlässen und öffentlichen Auftritten auf die Wichtigkeit dieser Aufgabe hingewiesen und ihre Entschlossenheit betont, gegen die rechtswidrige Ausbeutung von Patenten, know-how, Marken und Urheberrecht vorzugehen.

Dennoch blieb die Umsetzung der europäischen "Durchsetzungsrichtlinie" 2004/48/EG lange Zeit liegen und ist (erst) am 11.04.2008 durch den Bundestag verabschiedet worden - die Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten war eigentlich schon Ende 2006 abgelaufen. Trotz eines schon vor Amtsantritt der Regierung Merkel im wesentlichen fertigen Gesetzesentwurfes war der Entwurf praktisch über zwei Jahre hinweg in einem gesetzgeberischen Loch verschwunden.

Was beinhaltet der "Gesetzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" und vor allem: hat sich das Warten für die Rechteinhaber gelohnt?

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Neuregelungen des Entwurfs sollen in die verschiedenen Einzelgesetze zum Schutz geistiger Leistungen integriert werden und werden also im wesentlichen in das Patentgesetz, das Urheber-, Marken- und Gebrauchsmustergesetz übernommen werden. Teilweise sind die neuen Paragraphen wortgleich in allen diesen Gesetzen zu finden, teilweise bestehen aber auch Unterschiede. Nachfolgend sollen die Neufassung des Urhebergesetzes betrachtet werden, da dies (u.a.) für den Schutz von Software und Datenbanken die Vorgehensmöglichkeiten umreißt.

Die Kerninhalte der Durchsetzungsrichtlinie und des nun vorliegenden Gesetzentwurfes sind:

- bessere Beweiserlangung und -sicherung

- effizientere prozessuale Durchsetzung

Beweiserlangung

Das deutsche Recht kennt - anders als etwa das amerikanische - keine zivilrechtliche "Ermittlung" des Beweise (im Wege der "discovery" - also der dem Gegner auferlegbaren Verpflichtung zur Vorlage aller Korrespondenz, Unterlagen und Verträge durch den Zivilrechter). Die deutsche Zivilprozessordnung beruht vielmehr auf dem sogenannten "Beibringungsgrundsatz" wonach die beweisbelastete Partei - in der Regel der Kläger - seinen Anspruch beweisen und die erforderlichen Beweismittel vorlegen muss. Der bloße Verdacht einer Rechtsverletzung reicht zur "Ausforschung" des Gegners nicht aus. Die Opfer krimineller Produktfälscher sehen sich damit oft in Beweisproblemen.

In den letzten Jahren hat der deutsche Gesetzgeber insoweit die eine oder andere Erleichterung eingeführt - etwa die auch gegen Dritte mögliche Anordnung der Vorlage von Urkunden (§ 142 ZPO), hat aber keine grundsätzliche Abkehr von diesem Grundsatz vorgenommen. Auch der nun vorliegende Gesetzesentwurf bleibt auf dieser Linie, führt aber folgendes neu ein:

- erweiterte Auskunftsansprüche gegen Verletzer

- Auskunftsansprüche auch gegen Dritte

- Besichtigungsanspruch

Auskunfts- und Besichtigungsansprüche

Dem Rechtsinhaber stehen nunmehr unter bestimmten Umständen Auskunftsansprüche nicht nur gegen den Verletzer, sondern auch gegen unbeteiligte Dritten zu.

Gegen den Verletzer besteht Anspruch auf (unverzügliche) Auskunft über Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke (§ 101 E-UrhG). Zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen kann der Verletzte (bei in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzungen) auch die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen verlangen (§ 101 b E-UrhG) - auch dies ggf. im Wege der einstweiligen Verfügung. Dabei soll das Gericht geeignete Maßnahmen zum Schutz vertraulicher Informationen anordnen, die aber im Ermessen des Gerichts stehen und vom Gesetzgeber nicht vorgegeben werden.

In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung können auch Dritte auf Auskunft über Herkunft und Vertriebswege in Anspruch genommen werden. Voraussetzung ist, dass diese entweder Plagiate in Besitz hatten, rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen haben oder Dienstleistungen erbrachten, die für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzt wurden (§ 101 E-UrhG). Es ist nicht erforderlich, dass diese "Dritten" Kenntnis von den rechtsverletzenden Aktivitäten hatten und diese bewusst unterstützten. Dieser Anspruch kann sich zukünftig (nicht nur aber auch) gegen Telekommunikationsdienstleister und Plattformanbieter wie etwa Ebay richten.

Weiterer wesentlicher Punkt ist die Festschreibung von Ansprüchen zur Sicherung von Beweismitteln - also im wesentlichen zur die Vorlage von Dokumenten oder die Besichtigung der möglicherweise rechtsverletzenden Gegenstände oder Einrichtungen beim Verletzer oder auch einem Dritten (§ 101 a E-UrhG). Das Gericht trifft hierbei im Zweifel Maßnahmen zum Geheimnisschutz. Nach bisheriger Gesetzeslage war die von der Rechtsprechung herangezogene Anspruchsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt.

Prozessuale Durchsetzung

Der Entwurf enthält hierzu wenig, was nicht bereits in der Rechtsprechungspraxis umgesetzt wurde. Neu ist (im Urheberrecht) das Erfordernis einer Abmahnung (§ 97 a E-UrhG). Durch das Gesetz bekräftigt wird die Möglichkeit, "vorbeugend" Unterlassung zu verlangen - also schon dann wenn eine Zuwiderhandlung noch nicht erfolgt ist, aber "droht" (§ 97 Abs. 1 E-UrhG). Des weiteren bekräftigt der Entwurf im Einklang mit der Richtlinie die Möglichkeit des vorbeugenden Rechtsschutzes im Wege der einstweiligen Verfügung (siehe etwa § 101 a Abs. 3 E-UrhG).

Resumee

Die veröffentlichten Entwürfe des Umsetzungsgesetzes waren bereits im Vorhinein juristisch und politisch umstritten. Die Wunschliste der Rechteinhaber ist immer noch nicht abgearbeitet. Bedauerlich ist, dass es auch weiterhin keinen "Strafschadensersatz" für vorsätzliche Rechtsverletzungen gibt, so dass (nur) eine hypothetische Lizenzgebühr entrichtet werden muss (zugleich besteht freilich in diesen Fällen nach wie vor zugleich ein Vernichtungsanspruch des Verletzten, so dass damit kein Anspruch auf weitere Nutzung besteht). Es ist auch fraglich, ob die Besserstellungen auch für den Bereich des know-how Schutzes gelten, der seine Grundlage in dem im Entwurf nicht angesprochenen und geänderten Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb hat.

Im übrigen beinhaltet die vorliegende Fassung einige Unklarheiten, die sich wohl erst mit der (gerichtlichen) Anwendung der Gesetze klären lassen werden. Dazu gehören z.B. die Bedeutung des Begriffs des "gewerblichen Ausmaßes" und die prozessuale Realisierung der Beweissicherungsansprüche. Zudem ist fraglich, ob die etwa zur Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten auch für zivilrechtliche Auskunftsansprüche verwendet werden dürfen. Gerade im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist hier ein weiterer Unsicherheitsfaktor zu ersehen. Die eingangs gestellte Frage, ob sich das Warten gelohnt hat, lässt sich daher mit einem klaren "jein!" beantworten?

Die Autorin: Dr. Katharina Scheja, Rechtsanwältin. Kontakt und weitere Informationen: Heymann & Partner, Rechtsanwälte, Taunusanlage 1, D-60329 Frankfurt am Main. Tel: +49 (69) 768063-57, Fax: +49 (69) 768063-15. E-Mail: K.Scheja@heylaw.de, Internet: http://www.heylaw.de (mf)