Gewährleistung: Wie man das Risiko minimiert

10.03.2005 von Thomas Feil

Fragen der Gewährleistung spielen in der Praxis für den IT-Handel eine große Rolle. Im Bereich des Business-to-Business gelten neben den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch noch die Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB). Dieses Gesetz hält für manchen Kunden Überraschungen bereit. Die Kenntnis der Untersuchungs- und Rügepflichten beim Handelskauf gehört zu der Grundausrüstung des IT-Handels bei der Diskussion um die Gewährleistung.

Unverzügliche Anzeige von Mängeln

Für Kaufleute sind die Regelungen des Handelskaufs gemäß §§ 373 ff. HGB anzuwenden. Ist ein Kaufvertrag für beide Seiten ein Handelsgeschäft, sehen die §§ 377, 378 HGB besondere Obliegenheiten des Käufers vor, falls die Ware zwar pünktlich, aber nicht ordnungsgemäß geliefert wird (Untersuchungs- und Rügepflicht). Nur unter Berücksichtigung dieser Vorschriften kann ein Kaufmann als Kunde seine Gewährleistungs- oder Nichterfüllungsansprüche erhalten. Beachtet ein Kunde diese gesetzlichen Obliegenheiten nicht, muss er tatsächlich erhebliche Nachteile in Kauf nehmen.

Sobald der Verkäufer seine Ware abgeliefert hat, diese somit in den Machtbereich des Käufers gelangt ist und der Käufer die tatsächliche Möglichkeit der Untersuchung hat, ist die Ware auf Mängel zu untersuchen.

Allein die Kenntnis von Mängeln der Ware ist jedoch noch nicht wirklich ausreichend. Der Käufer erhält seine Gewährleistungsrechte allein durch die rechtzeitige Rüge der Mängel gegenüber dem Verkäufer.

Offene und versteckte Mängel

Die Regelungen des HGB unterscheiden zwischen offenen und verdeckten Mängeln. Ein offener Mangel ist bereits mit der Untersuchung der abgelieferten Ware erkennbar, ein versteckter Mangel wird erst später offenkundig. Diese Differenzierung ist in der Praxis von großer Bedeutung, da bei Versäumung der Rüge eines offenen Mangels die Ware in Ansehung des Mangels als genehmigt gilt (§ 377 Abs. 2 HGB). Mängelansprüche entfallen dann.

Nicht nur reine Sachmängel, also die Fehlerhaftigkeit der Ware, sind im Rahmen der Untersuchungs- und Rügepflichten zu beachten. Erfasst werden von der Untersuchungs- und Rügepflicht auch Mengenfehler (Quantitätsmangel) und die Lieferung einer anderen Ware als die bestellte (Aluidlieferung).

Umfang und vertragliche Abänderung

Der § 377 HGB ist ein so genanntes "nachgiebiges Recht". Durch Einzelvertrag oder Handelsbrauch kann die Rügepflicht verschärft, genauer beschrieben, gemildert oder aufgehoben werden. Inwieweit die Untersuchungs- und Rügepflichten allerdings im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verändert werden dürfen, ist umstritten.

Der Umfang der Untersuchungspflicht ist je nach Lage des Einzelfalls zu bemessen. Die geschuldete Untersuchung muss so lange und gründlich durchgeführt werden, dass ein zuverlässiges Urteil über die Mängelfreiheit der Ware möglich ist. Bei umfangreichen Lieferungen wird zumeist die Überprüfung anhand von Stichproben ausreichend sein. Wichtig ist, dass diese in angemessener Zahl und Streuung durchgeführt und dokumentiert werden.

Mögliche Mängel der Ware

Der Umfang der Untersuchungspflicht richtet sich nach der Beschaffenheit der Ware. Fehlt dem Käufer die erforderliche Sachkunde zu einer ausreichenden Untersuchung, dann ist er gehalten, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Sollte die Mangelfreiheit nur durch Inbetriebnahme der Sache möglich sein, dann ist auch eine solche Inbetriebnahme im Sinne von § 377 HGB als erforderlich anzusehen.

Entscheidend ist die rechtzeitigkeit der Rüge

Entscheidend ist, dass der Käufer nicht nur untersucht, sondern auch rechtzeitig rügt. Die Rechtzeitigkeit der Rüge wird in den meisten Fällen davon abhängen, ob die Ware unverzüglich nach der Ablieferung untersucht worden ist. Unverzüglich in diesem Zusammenhang bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern". Wird bei der Untersuchung ein Mangel offenbar, so hat der Käufer dies dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen. Dies bedeutet, dass bereits geringe, bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang vermeidbare Lässigkeiten in der Erfüllung der Rügepflicht zu einem Erlöschen der Mängelrechte führen können. Es geht zwar bei der rechtzeitigen Rüge in den meisten Fällen nicht um Stunden, aber Verzögerungen um einige Tage können schon die beschriebenen nachteiligen Folgen nach sich ziehen. Wenn beispielsweise eine Lieferung von Monitoren zunächst 14 Tage beim Kunden nicht untersucht wird und erst am 15. Tag ein offensichtlicher Mangel dem Verkäufer mitgeteilt wird, so ist dies nicht mehr rechtzeitig. Leider lassen sich keine generellen Fristen für die Rechtzeitigkeit nennen, da die Gerichte sich bisher nicht auf eine feste Frist festgelegt haben.

Bei einem durch angemessene Untersuchung nicht erkennbaren Mangel, muss der Käufer, auch wenn er eine Untersuchung zuvor überhaupt unterlassen hat, lediglich unverzüglich nach Entdeckung des Mangels anzeigen (§ 377 Abs. 2 HGB).

Inhalt der Rüge muss Mängel aufzeigen

Bei der Mängelanzeige handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung, die ihre Rechtswirkung erst mit Zugang entfaltet. Die Verlustgefahr der Anzeige trägt in diesem Fall daher der Käufer. Lediglich das Verzögerungsrisiko ist ihm bei rechtzeitiger Absendung gemäß § 377 Abs. 4 HGB abgenommen.

Der Inhalt der Mängelanzeige muss so beschaffen sein, dass die Mängel zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so genau beschrieben werden, dass der Verkäufer sie richtig einschätzen und danach seine Dispositionen treffen kann. Gibt es technische Normen, die die Lieferung umschreiben, so muss auch die Mängelanzeige verdeutlichen, in welchem Umfang die gelieferte Ware von diesen abweicht.

Spätere Ergänzungen einer irrtümlich unvollständigen Mängelrüge sind nur dann möglich, wenn sie ebenfalls noch fristgerecht erfolgen, also auch unverzüglich nach Ablieferung. Besteht aber der Verdacht, dass es sich um einen Serienschaden handelt, so ist die Rüge auch noch dann rechtzeitig, wenn die Häufung der Mängelanzeigen diesen Schluss nahe legt.

Rügelast des Fachhändlers

Die Rügelast trifft auch den IT-Fachhändler in einer Absatzkette. Dieser kann daher grundsätzlich nicht abwarten, bis sein kaufmännischer Kunde die Ware nach Mängeln untersucht hat. Findet der Kunde und Zweitkäufer bei seiner Untersuchung Mängel und rügt diese beim IT-Fachhändler, so sind die Gewährleistungsrechte des IT-Fachhändlers gegenüber dem Distributor zumeist erloschen, da er die Untersuchungs- und Rügepflicht seinerseits nicht eingehalten hat.

Teilweise kann der Händler auf Grund stillschweigender oder ausdrücklicher Parteivereinbarung von dieser Obliegenheit befreit sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der IT-Fachhändler an den Zweitkäufer schnell weiterleiten muss oder gar eine Durchlieferung direkt vom Lieferanten an den Zweitkäufer erfolgt. Jedoch muss sich in diesen Fällen der IT-Fachhändler eine nicht fristgerechte Rüge des Zweitkäufers zurechnen lassen, sodass in diesem Fall ebenfalls die Gewährleistungsrechte gegenüber dem ursprünglichen Lieferanten erlöschen.

Gravierende Folgen für den IT-Fachhändler

Rügt der IT-Fachhändler fristgerecht, so bleiben seine Gewährleistungsansprüche bei mangelhafter Ware oder Falschlieferung erhalten. Handelt es sich um eine Minderlieferung, so kann er weiterhin Erfüllung fordern. Liegt eine genehmigungsfähige Mehrlieferung vor, so ist der Käufer zur Zurückweisung der Mehrlieferung verpflichtet, bei einer Minderlieferung besteht weiterhin ein Erfüllungsanspruch hinsichtlich der noch ausstehenden Ware.

Ist jedoch nicht ordnungsgemäß gerügt worden, entstehen erhebliche Nachteile für den IT-Fachhändler. Die gelieferte Ware gilt nach § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt. Die Folgen dieser Genehmigungsfiktion sind gesetzlich nicht näher geregelt und in vielerlei Hinsicht umstritten.

Zum einen verliert der Käufer nicht nur sein Gewährleistungsrecht, sondern auch die Möglichkeit der Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB und die Rechte aus §§ 320ff. BGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Rücktrittrecht).

Liegt eine Minderlieferung vor, so gilt diese als genehmigt und der Verkäufer kann den vollen Kaufpreis verlangen. Der Verkäufer behält auf Grund der nicht ordnungsgemäßen Rüge alle seine Rechte aus dem Vertrag.

Bei der Lieferung einer wertvollen falschen Waren- oder Zu-vielLieferung durch den Verkäufer ist streitig, inwieweit dieser nun den geleisteten Mehrwert verlangen kann. Es wird aber zum Teil die Meinung vertreten, dass der Verkäufer einen höheren Kaufpreis verlangen kann.

Fazit

Die Untersuchungs- und Rügepflicht bei einem beiderseitigen Handelskauf birgt für den Käufer ein sehr hohes Risiko. Bereits kleine Nachlässigkeiten können enorme Folgen für die Gewährleistungsansprüche des Käufers haben und sich finanziell für ihn erheblich negativ auswirken. Nur die sofortige Untersuchung der gelieferten Ware schafft Sicherheit!

Die §§ 377 ff. HGB bringen dem Verkäufer hingegen eine Reihe von Vorteilen. Die Verjährungsfristen werden extrem verkürzt. So kann der Verkäufer bereits kurz nach Ablieferung einen Kauf als "abgeschlossen" ansehen, da die Wahrscheinlichkeit der Gewährleistungsansprüche gegen ihn von diesem Zeitpunkt an geringer wird. Bei Auftreten von Mängeln erleichtert ihm die kurze Fristsetzung eine frühe Nacherfüllung oder frühzeitige Abwehr von unberechtigten Mängelansprüchen.