Digitale Transformation

Große Unterschiede beim digitalen Customer Experience Management

22.02.2018
Deutsche Konzerne kommen in ihrer digitalen Transformation und ihrer Ausrichtung auf den digitalen Kunden voran, so zeigt eine aktuelle Marktuntersuchung von Lünendonk. Allerdings sind die Unterschiede groß, und Unternehmen mit einem B2B-Geschäftsmodell sind langsamer als Konzerne mit direktem Kontakt zum Endkunden.
 
  • Lünendonk-Studie über „Integrierte Digital Customer Experience Services“ zeigt Unterschiede auf
  • B2C-Unternehmen haben gegenüber B2B-Konzernen einen Vorsprung
  • 40 Prozent sind in der Spur, alle anderen haben noch viel Arbeit vor sich

Die Beratungs- und Marktforschungsexperten von Lünendonk haben sich mit dem Markt für "Integrierte Digital Customer Experience Services" beschäftigt. Die kostenlos verfügbare Studie, die von Accenture Interactive, Cognizant, KPS, PwC und Sapient Razorfish unterstützt wurde, zeigt, dass der digitale Umbau in den deutschsprachigen Ländern an Fahrt gewinnt. Vier von zehn Großunternehmen haben demnach bereits einen digitalen Transformationsprozess vollzogen.

Datenschutz, Sicherheit und Compliance werden als wichtigste Hinderungsgründe für Digitalprojekte genannt.
Foto: Lünendonk

Diese Konzerne haben sich beispielsweise für die Zusammenarbeit mit anderen, auch branchenfremden Unternehmen, Kunden und Wettbewerbern geöffnet. Sie investieren in die Entwicklung digitaler Innovationen und gründen Digital Labs abseits ihrer traditionellen, manchmal starren Unternehmensorganisation und -prozesse. So wollen sie Ideen und Prototypen schnell zur Marktreife führen.

Das Ziel dabei ist es, die eigene Wettbewerbssituation zu verbessern und gegebenenfalls auf disruptive Herausforderer reagieren zu können. Wichtige Mittel der Wahl sind agile Methoden und Data Analytics in allen Facetten: Man möchte mehr über die Kunden erfahren, um ihnen maßgeschneiderte Angebote zu machen und sie perfekt zu unterstützen. Die Vorreiter vernetzen erfolgreich sämtliche Touchpoints, an denen sie Kontakt zu ihren Kunden halten, und sie sind in dem Bemühen, Bereichssilos aufzulösen, weit fortgeschritten.

Mehrheit hat Nachholbedarf

Das alles trifft aber eben nur auf 40 Prozent der 121 Großunternehmen und Konzerne zu, deren Vorstände und IT-Chefs (CxOs) an der Umfrage teilnahmen. Die Mehrheit hat demnach Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung. Nennenswert sind dort zwar oft die Fortschritte beim Modernisieren und Automatisieren von Prozessen - aber das gilt eher für in sich geschlossene Unternehmensbereichen (Silos), nicht für das Gesamtunternehmen über alle Abteilungen hinweg.

13 ebenfalls befragte IT-Beratungshäuser sagen: In den Digitalisierungsprojekten sind wir vor allem mit der Integration des IT-Backends beschäftigt.
Foto: Lünendonk

Wie die Studie weiter zeigt, sind die B2C-Unternehmen in ihrer digitalen und kundenzentrischen Ausrichtung weiter fortgeschritten als ihre B2B-Pendants. Erstere haben offenbar auch auf Druck ihrer Klientel früher damit begonnen, ihre Kundenkontakte zu digitalisieren, Prozesse zu automatisieren und für ein ganzheitliches Nutzererlebnis zu sorgen.

B2B-Branchen wie Industrie und Logistik haben sich laut Lünendonk lange mit Effizienz und Kostenoptimierung in ihrem traditionellen Geschäft beschäftigt - durchaus mit großem Erfolg. Die durch Data Analytics, Cloud Computing und das Internet of Things (IoT) entstehenden Chancen wurden aber noch zu selten genutzt, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln oder vorhandene zu verbessern. Auch zeigt die Untersuchung, dass der B2B-Sektor im digitalen Marketing und bei allem, was mit Customer Centricity zu tun hat, hinterherhinkt.

Datenschutz und IT-Security bremsen

Als größte Bremse für digitale Geschäftsprozesse nennen die CxOs Datenschutzaspekte und IT-Security-Themen. Auch seien die Compliance-Anforderungen oft noch nicht auf die neuen Geschäftsmodelle ausgelegt, etwa wenn es um die Cloud-Nutzung geht, den Austausch von Daten mit Kooperationspartnern, um Fragen rund um das geistige Eigentum (IP) in der Zusammenarbeit mit Startups und Technologieunternehmen oder um neue Formen der Auftragsvergabe an externe Dienstleister.

Immerhin zeigt die Studie aber auch, dass fast alle Unternehmen ihren digitalen Veränderungs- und Transformationsprozess angestoßen haben und sich in Richtung einer kundenzentrischen Organisation weiterentwickeln wollen - wenn auch bislang mit unterschiedlichen Erfolgen. Meistens werden die Digitalisierungsprojekte groß angesetzt, indem viele Aufgaben in einem integrierten Ansatz zusammengefasst werden. Die Integration digitaler Lösungen in die Backend-IT ist dabei eine Schlüsseldisziplin.

Die befragten Vorstände und IT-Chefs nehmen IBM, Accenture Interactive und Deloitte als Anbieter von Digital Customer Experience Services am stärksten wahr.
Foto: Lünendonk

Immer mehr Geld fließt heute zudem in eine möglichst moderne, digitale Kundenschnittstelle. Gaben die untersuchten Unternehmen 2017 noch 2,8 Prozent vom Umsatz für die Modernisierung der Kundenschnittstelle und für ein digitales Kundenerlebnis aus, so sollen es 2018 bereits 4,1 Prozent sein. Laut Lünendonk setzt sich die Erkenntnis durch, dass kundenzentrische Strategien eine fortgeschrittene digitale Customer Experience (End-to-End) entlang der gesamten Kunden-Prozesskette verlangen. Dafür Geld auszugeben, wird akzeptiert.

In den Projekten arbeiten die Unternehmen vorzugsweise mit Beratungshäusern, IT-Dienstleistern und Digitalagenturen zusammen. Der Bedarf an integrierten Beratungs- und Umsetzungsprojekten soll in den nächsten Jahren stark ansteigen, heißt es. Bis zum Jahr 2020 planen angeblich 64 Prozent der Befragten, ihre Aufgaben größtenteils zu Teil- oder Gesamtprojekten zu bündeln und von einem Dienstleistungspartner zu beziehen.

Beratungshäuser kaufen Digitalagenturen

Damit werden sich Berater-, IT-Dienstleister und Digitalagenturen thematisch breiter aufstellen müssen. Tatsächlich haben Unternehmen wie Accenture, Cognizant, IBM oder Wipro in den vergangenen Jahren Digitalagenturen im deutschsprachigen Raum zugekauft. Damit liegen sie offenbar richtig: 88 Prozent der befragten CxOs bewerten die Integration von Digitalagenturen in das Beratungs- und IT-Portfolio im Sinne einer End-to-End-Lieferfähigkeit als positiv. Mehr als dreiviertel bevorzugen in ihren Ausschreibungen sogar Gesamtdienstleister, die End-to-End anbieten können - die also Kreativ-, Design- und IT-Umsetzungsservices anbieten können.

Am kreativsten sehen sich die Unternehmen, wenn es gilt, Ideen schnell zur Marktreife zu bringen - auch mittels eines Trial-and-Error-Ansatzes. Mit dem Einbinden von Startups tun sich viele schwer.
Foto: Lünendonk

Trotz allem steht der Markt für "Integrierte Digital Customer Experience Services" laut Lünendonk erst am Anfang seiner Entwicklung. Er soll in den nächsten Jahren rasant wachsen, weil Unternehmen ihre Kundenschnittstelle digitalisieren müssen. Die B2B-Branchen werden aufholen und stärker in die Digitalisierung ihrer Kundenbeziehungen investieren. IoT und Industrie 4.0 (digitale Fabrik) sowie die Automatisierung ganzer Prozessketten sind typische Vorhaben. (hv)