Grundsatzentscheidung: Wie weit reicht das Fernmeldegeheimnis?

14.12.2005
Schon seit Jahren stellt die Frage, ob das Fernmeldegeheimnis auch für Verbindungsdaten von Handys und des Email-Verkehrs gilt. Rechtsanwältin Nina Haberkamm über die Verhandlungen beim Bundesverfassungsgericht.

Am 23. November 2005, hat das Bundesverfassungsgericht die Verhandlungen für eine Grundsatzentscheidung zum polizeilichen Zugriff auf Email- und Handy-Verbindungsdaten aufgenommen. Schwerpunkt der Prüfung soll der Schutz des Fernmeldegeheimnisses sein, insbesondere soll geprüft werden, ob der Zugriff auf die Verbindungsdaten nur unter den strengen gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 100 g, 100 h StPO erlaubt ist. Danach muss der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer Katalogtat gemäß § 100 a StPO, verdächtig sein. Die gespeicherten Daten wären damit in vielen Fällen kleinerer und mittlerer Kriminalität für die Strafverfolger tabu.

Hintergrund der Entscheidung ist die Verfassungsbeschwerde einer Richterin, die sich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen wendet. Der Durchsuchungsbeschluss habe dem Zugriff auf die gespeicherten Verbindungsdaten ihres Email-Verkehrs sowie auf die Einzelverbindungsnachweise ihres Mobilfunkgeräts gedient. Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Das Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 GG besagt:

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Es stellt sich schon seit Jahren die Frage, ob das Fernmeldegeheimnis auch für die gespeicherten Verbindungsdaten von Handys und des Email-Verkehrs gilt.

Durch das Fernmeldegeheimnis wird räumlich distanzierte Kommunikation vor fremden Mitlesen oder Mithören, vor der Anordnung zu fremdem Mitlesen oder Mithören, der Ermöglichung fremden Mitlesens oder Mithörens sowie der Aufzeichnung der Übermittlungsdaten der Kommunikationsvorgänge geschützt.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erstrecke sich der Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG nicht nur auf den fernmeldetechnischen Übermittlungsvorgang, das Telefonieren oder Mailen als solches; vielmehr seien auch die in den Endgeräten gespeicherten Verbindungsdaten, die beim Nutzer vorhandenen Einzelverbindungsnachweise und auf dem Computer gespeicherte Kommunikationsnachweise, insbesondere Emails, vom Schutz des Fernmeldegeheimnisses umfasst. Eine Beschränkung des Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 GG auf den Übermittlungsvorgang werde der technischen Entwicklung nicht gerecht. Der Grundrechtsschutz muss gerade bezüglich der technischen Entwicklung dynamisch verstanden werden im Sinne eines umfassenden Schutzes der räumlich distanzierten Kommunikation.

Bürger soll dem Staat vertrauen

Der Bürger soll dem Staat hinsichtlich der Kontrolle der immer mehr zunehmenden Telefon- und Videoüberwachung vertrauen. Man kann schon von "blindem Vertrauen" sprechen, denn dem Bürger wird keinerlei Transparenz zugestanden. Mit einer Überwachungsmaßnahme kann einige Monate ein gesamter Telefonanschluss abgehört werden. Die von der Überwachung betroffenen Menschen - insbesondere die, die keiner Straftat verdächtig sind - erfahren in der Regel auch nachträglich nichts davon. Sie haben damit keine Möglichkeit gegen diesen Grundrechtseingriff vorzugehen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird zwar voraussichtlich auch nicht mehr Transparenz in die Vorgehensweisen der Strafverfolger bringen, es bleibt aber zu hoffen, dass eine weitere Ausdehnung der Überwachungsbefugnisse damit verhindert wird.

Die scheinbar hohen gesetzlichen Hürden erweisen sich in der Realität oftmals als ineffizient. Wenn aber das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung trifft, die den Schutz des Fernmeldegeheimnisses stärkt, so hat der Bürger zumindest die Möglichkeit sich im Nachhinein gegen derartige Maßnahmen mit einer Beschwerde erfolgsversprechend zu wehren.