Handys: globale Droge mit globalen Auswirkungen

04.07.2006
Keine Technologie hat sich so schnell durchgesetzt wie Handys. 2004 waren es eine Milliarde Nutzer weltweit. Vor einem Monat wurde die Zweimilliardenhürde überschritten. Leo Hickman von "The Guardian" rechnet ab.

Keine Technologie hat sich so schnell durchgesetzt wie Handys. 2004 waren es eine Milliarde Nutzer weltweit. Vor einem Monat wurde die Zweimilliardenhürde überschritten. Leo Hickman von "The Guardian" rechnet ab.

Laut der GSM Assiciation werden jede Minute weltweit 1.000 Handys gekauft. Weltmarktführer Nokia schätzt, dass 2015 weltweit über vier Milliarden Mobiltelefone im Umlauf sein werden. Nokia hat sich übrigens gerade verpflichtet, die seit 1. Juli 2006 geltenden EU-Richtlinien gegen den Einsatz umweltschädlicher Substanzen (RoHS) weltweit umzusetzen.

Als Vorteile von Handys nennt Hickman von der britischen Zeitung "The Guadian": schnellere Reaktion in Notfällen, ein demokratischer und schnellerer Fluss von Informationen, vor allem in entwickelten Ländern sowie eine weniger Luftverschmutzung, da weniger Strecken zum Gesprächspartner zurückgelegt werden müssen.

Die Mobiltelefonie werfe allerdings auch eine Reihe von Problemen und Sorgen auf. Am meisten diskutiert sind gesundheitliche Bedenken im Zusammenhang mit den elektromagnetischen Feldern. So hat das Institut für Umweltmedizin des schwedischen Karolinska Institute 2004 gewarnt, dass sich ab zehnjähriger Handy-Nutzung das Risiko von Akustikgeschwülsten erhöhe. Es handelt sich dabei um einen seltenen, gutartigen Tumor an den Hirnnerven, die das Hören und Gleichgewicht kontrollieren.

Derzeit sei die einhellige Meinung, dass die Handy-Nutzung relativ sicher ist, aber mehr Forschung betrieben werden müsse, und Kinder nicht unnötig den möglichen Gefahren ausgesetzt werden sollten. Doch trotz des Rates von Gesundkeitsbehörden und der Industrie, Kindern von unter 16 Jahren kein Handy zu geben, sind die unter 10-Jährigen die am stärksten wachsende Nutzergruppe in Großbritannien.

Bis Ende des Jahres sollen schon ein Drittel der 5-bis-9-Jährigen in Großbritannien ein Handy haben. Kinder sind auch diejenigen, die den größten Unfallrisiken ausgesetzt sind, wenn Erwachsene trotz des Verbots ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt mit dem Handy telefonieren.

Ein anderes Thema, das Hickman anspricht, ist die in Handys verwendete Elektronik. Ein Thema, das vor fünf Jahren aufkochte war die Verwendung von "Coltan" in Mobiltelefonen. Coltan, auch Koltan genannt, leitet sich von der Mineralgruppe Columbite-Tantalit ab und ist ein hitzeleitendes Mineral, das in der Mikroelektronik für winzig kleine Kondensatoren mit hoher elektrischer Kapazität u.a. für Handys, Spielekonsolen und Notebooks verwendet wird.

Das Problem ist, dass die größten Coltan-Vorkommen im Osten des von Bürgerkrigen gebeutelten Kongo liegen. Als der Dotcom-Boom Ende 90er Jahre die Coltan-Kilopreise auf 600 Dollar in die Höhe schnellen ließ, wurden Warlords (lokale Machthaber) beschuldigt, ihre Profite aus der Coltan-Schürfung direkt in Waffen umzusetzen, um sie gegen ihre Feinde zu richten.

Der darauf folgende internationale Aufschrei hat die führenden handy-Hersteller veranlasst, sich nach anderen Coltan-Quellen umzusehen. Der hohe Preisverfall bei Coltan hat dazu beigetragen, dass andere Coltan-reiche Gebiete in ihr Visier rückten. Heute kommt 50 Prozent des Coltan aus Westaustralien. Doch der Handy-Kunde selbst weiß nach wie vor nicht, ob er mit dem Kauf des Gerätes nicht indirekt doch den Bürgerkrieg in Kongo finanziert.

Wegen des Kultstatus und der Regeldauer von Mobilfunkverträgen legen sich die Briten alle 24,2 Monate ein neues Handy zu. Das heißt aber, dass immer mehr Geräte auf dem Müll landen. Um dem entgegenzutreten, müsste man die Mobilfunkverträge ändern.

Es gibt aber auch schon eine Reihe von Ansätzen eines klügeren Recycling bis hin zur Verwendung von umweltfreundlicher Stromversorgung wie Sonnenenergie und an dem Handgelenk befestigter Schwunggeneratoren. Denn ein großes Problem bei Althandys ist, dass die umweltschädlichen Akkus meist nicht getrennt entsorgt werden. (kh)