Hebelwirkung für gelingende Nachfolge und Übernahme

28.02.2007 von Keil 
M&A-Berater Dieter W. Keil gibt pragmatische Hinweise für kauf- oder verkaufswillige Unternehmer.

Es ist alles eine Frage der Einstellung. Man kann die Übernahme eins Unternehmens durch ein anderes als äußerst kompliziertes und vielleicht sogar fragwürdiges Unterfangen bewerten. Man kann es aber auch ganz pragmatisch, unumgänglich oder einfach finanziell lukrativ für beide Seiten sehen. Wenn mitunter Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben - einer der Hauptvorwürfe bei Übernahmen - so ist zu fragen, ob diese Arbeitsplätze auch ohne den Unternehmenstransfer obsolet geworden wären, was zumeist zutrifft. Der Transfervorgang ist selten das auslösende Problem, denn das begann sich zuvor zu entwickeln. Die weitaus größte Zahl von Übernahmen sind jedoch nicht die großen Heuschrecken, die wochenlang die Medien beschäftigen, sondern die von der Presse unerwähnten sehr sinnvollen Transfers und Nachfolgeregelungen, die sogar Arbeitsplätze erhalten.

Die IT-Branche war selten so heftig in Bewegung, wie heute. Nicht nur, dass ständig Beteiligungen oder Unternehmen gekauft und verkauft werden, dass sich Unternehmen zusammenschließen, oder dass Insolvenzen drohen: Auch die Gründergeneration tritt ab. Besser gesagt: Sie würde gern abtreten. Nachfolger sind nämlich nur schwer aufzutreiben. Etwa 80.000 Unternehmen mit 1 Million Beschäftigten suchen jährlich einen neuen Chef. Dann sind da noch die Arbeitssuchenden. Etwa 250.000 Akademiker befinden sich auf der Suche nach neuer Arbeit. Viele unter ihnen zählen zur IT-Branche.

Ganz normale Vorgänge - ganz normale Probleme

Wenn gute Gewinne erwirtschaftet wurden, ist es für einen Unternehmer naheliegend, ein anderes Unternehmen zu kaufen oder eine Beteiligung einzugehen. Die Gründe dafür aufzuzählen, wäre müßig. Mitunter sind es freilich auch strategische Gründe, die eine solche Übernahme nahezu erforderlich machen, obwohl eigentlich das Kapital dafür fehlt. Dann weiß man immerhin, wen man übernehmen möchte. Das ist aber nicht immer so. Meistens ist die Suche nach dem idealen Übernahmepartner schwierig und langwierig, falls nicht der Zufall hilft. Das gilt sowohl für Unternehmenskäufer wie für -verkäufer.

Besonders Mittelständler, die sich einen Nachfolger wünschen, haben Probleme, einen Investor zu finden, der zukünftig möglichst auch noch operativ tätig wird. Denn das Baby, das man aufgezogen hat, soll ja weiterleben. Die Generation der bewährten "EDV-ler" tritt ab. Sie waren in den 70er Jahren als COBOL-Programmierer selbständig, haben dann einen Betrieb gegründet, mehrere technologische Generationswechsel und volkswirtschaftliche Auf und Ab's gemeistert, ehrbare Kundenbeziehungen aufgebaut und sind kontinuierlich gewachsen. Nun stehen sie vor einem ansehnlichen Lebenswerk und sehnen sich danach, die Früchte Ihrer Arbeit zu ernten. Doch weit und breit ist kein Investor in Sicht - jedenfalls keiner, der ihren Vorstellungen entspricht. Meistens fehlt das Kapital. Die Volks- und Raiffeisenbanken schreiben zu dieser Situation: "Den idealen Nachfolger gibt es nicht. Dennoch einen zu finden, ist sicher eine der größten Herausforderungen im Leben eines Unternehmers. Gerade wenn es innerhalb der Familie keinen geeigneten Kandidaten gibt. Berater oder Internet-Börsen können hier helfen". Erfolg durch Internetbörsen ist aber die Ausnahme.

Eine besondere Spezies

Einige Spezialisten innerhalb der Unternehmensvermittler mausern sich zu kleinen, sehr willkommenen Problemlösern. Unter den Unternehmensberatungen gilt die M&A-Beratung als Königsdiziplin. Deren Frauen und Männer müssen ein breites Know-how, viel Erfahrung und umfassendes Allgemeinwissen besitzen. Es sind Generalisten, die zusätzlich und unverzichtbar eine hohe persönliche Integrität besitzen müssen. M&A-Berater sind "Kümmerer" und sie sind besonders anfangs willkommen, weil sie Hoffnung verbreiten. Sie müssen vieles, was sie sehen und zwischen den Zeilen wahrnehmen, erstens selbst erkennen und zweitens richtig interpretieren. Niemand hilft ihnen dabei. Ein einziges falsches Wort kann vieles zunichte machen. Alles was dem Ziel dient, muss in voller Eigeninitiative durchgezogen werden. Eine Stellenbeschreibung wird man vergeblich suchen. M&A-Berater arbeiten absolut selbständig und benutzen spezielle Fachtermini. Es sind meistens Einzelkämpfer und keine ausgeprägten Teamplayer. Vorangegangene unternehmerische Erfahrung ist meistens vorhanden und wichtig. Deshalb sind erfolgreiche M&A-Berater nicht mehr ganz jung und waren zuvor eine zeitlang im Top-Management oder als Geschäftsführer tätig. Zweifellos sind auch einige M&A-Berater unterwegs, die auf eine "Blacklist" gehören.

Wozu wird ein M&A-Berater überhaupt benötigt? Können nicht zwei potenzielle Partner "einfach miteinander reden" und den Deal perfekt machen? Ja, das passiert auch. Aber nicht oft genug. Die Mehrzahl der Kauf- oder Verkaufswilligen sucht lange, halbherzig und deshalb auch erfolglos, bis es fast zu spät ist. Denn ein Unternehmen kann man am besten verkaufen, wenn es gut läuft, und nicht, wenn der Inhaber resigniert alle Lust daran verloren hat und die Zahlen das nur noch bestätigen.

Erfolgreiche M&A-Berater besitzen Datenbanken für Unternehmen bzw. Personen, die suchen oder anbieten. Zweitens kennen sie sich sehr gut in der Wirtschaft aus und pflegen viele persönliche und nützliche Kontakte. Drittens sind sie darin geübt, festgefahrene Gespräche wieder flott zu machen. Knackpunkt ist meistens der Verkaufpreis und der Wert des Transaktionsobjektes. Besonders mittelständische Verkäufer müssen häufig mit emotionalen Problemen fertig werden. Wie bei Immobilien kann nicht immer der angenommene oder festgestellte Wert in einen realisierbaren Verkaufspreis umgesetzt werden. Außerdem sind oft emotionale Beziehungen zu Maschinen, Softwareentwicklungen oder Kunden vorhanden, die ein Käufer selten so honorieren will, wie sich der Verkäufer dies wünscht. Wenn ein Unternehmer seinen Nachfolger sucht, schlagen die Wellen oft hoch. Da wird schon mal eine Verhandlung verärgert abgebrochen und allein dem M&A-Berater ist es zu verdanken, dass man einige Tage oder Wochen später doch wieder an einem Tisch sitzt. Für den abgebenden Unternehmer ist die Situation nicht leicht. Meistens hat er das Unternehmen gegründet oder entscheidend geprägt. Jede Schraube, die sich dort dreht, ist ihm seit Jahrzehnten vertraut, alle Kunden kennt er persönlich. Plötzlich muss er fremden Personen sämtliche Zahlen zugänglich machen und vermeintlich freche Fragen beantworten. Der Berater ist hier gefordert, die Aufregung auf ein Normalmass einzudämmen und den Verkaufserfolg am Horizont aufleuchten zu lassen.

Überwindbare Finanzengpässe

Die Finanzierung ist eines der schwerwiegendsten Hindernisse, um einen Unternehmenstransfer zu realisieren. Oft sind zwar Know-how und persönliche Fähigkeiten vorhanden, doch dem potenziellen Käufer fehlt das Geld.

Hier können manche M&A-Berater weiterhelfen, freilich nicht alle. Neben den verschiedenen Fördermitteln für Gründer stehen nichtbankgebundene Kapitaltöpfe zur Verfügung. "Nahezu jeden Tag rufen mich Investoren an und wissen nicht, wohin mit ihrem Geld. Sie fragen mich dann immer, ob ich nicht eine Investitionsmöglichkeit wüsste", berichtet Dr. Horst Werner, einer der erfolgreichsten Anwälte der Finanzberatungsbranche für Mezzaninekapital. Wenn ein solcher Fachmann mit einem M&A-Berater aus der IT-Branche zusammenarbeitet, wird ein Unternehmenstransfer realistischer gelingen, als wenn keine solchen Voraussetzungen vorhanden sind.

ITK-Specials

In der ITK-Branche kennen sich die Akteure untereinander. Für M&A-Vorhaben stellt sich dies mitunter als ausgesprochen hinderlich dar. Wenn im Vorfeld der eigentlichen Verhandlungen ein neutraler Berater recherchiert und erste Gespräche führt, steigen die Erfolgsaussichten erheblich. Man denke an die Planung der Übernahme eines Mitbewerbers. In aller Nüchternheit ist zuzugeben, dass dies täglich irgendwo auf der Welt so stattfindet. Aber auch harmlosere Aktionen können besser von einer neutralen Person eingefädelt werden, als wenn sich der Auftraggeber sofort zu erkennen gäbe. Das hat weder etwas mit Feigheit vor dem Feind zu tun, noch mit krimineller Energie. Es ist einfach klug und strategisch sinnvoll, das Visier erst später hochzuklappen. Wo die Grenzen der Heimlichkeiten erreicht sind, weiß ein integerer M&A-Berater einzuschätzen. Die ITK-Branche zählt nach einer Umfrage des Magazins "Finance" zu den aktivsten Käu-fern/Verkäufern, gefolgt von Banken, Maschinenbau und Automobilindustrie. Geht es um die Durchführung von Unternehmenstransfers, so ist es Unternehmern unbenommen, allein zu handeln, doch die Einschaltung von Beratern rechnet sich. Manche Deals kämen ohne sie nicht zustande. (Dieter W. Keil/mf)