Hintergrund: Mit Nanotechnik und GMR zum Nobelpreis

09.10.2007
Was ist ein Riesenmagnetowiderstand? Und wofür haben die Physiker Grünberg und Fert den Nobelpreis 2007 erhalten?

Ein Klick mit der Computer-Maus, und der magnetische Flickenteppich auf der Festplatte verwandelt sich zurück in Briefe, Fotos oder Opern von Mozart. Keine moderne Festplatte kommt dabei ohne die Entdeckung des Physikers Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und seines französischen Kollegen Albert Fert aus. Denn erst die magnetischen Sandwiches aus ihren Laboren können die immer enger gepackten Daten auch zuverlässig lesen. Für die Entdeckung des so genannten Riesenmagnetowiderstands (GMR) 1988 ehrt die Schwedische Akademie der Wissenschaften die beiden Forscher mit dem Physik-Nobelpreis 2007 (Bericht hier).

"Nicht zuletzt dank dieser Entdeckung hat sich die Größe von Computern dramatisch reduziert. Man sehe sich nur ein Monstrum aus dem Jahr 1964 an", erläuterte der Chef des Nobelkomitees, Per Carlson (vor 13 Monaten wurde die Festplatte übrigens 50 Jahre alt). Stuart Parkin vom Computerriesen IBM ebnete der Technik aus der Grundlagenforschung 1997 den Weg in die Praxis. Sie gilt dem Nobelkomitee als eine der ersten echten Anwendungen der Nanotechnik. Der deutsche Physik-Nobelpreisträger von 2005, Theodor Hänsch, betonte, die Forschung Grünbergs und Ferts sei ganz im Sinne Alfred Nobels, weil sie einen praktischen Nutzen für die Menschheit bringe. "Jeder trägt sie in seinem Laptop mit sich."

Der Riesenmagnetowiderstand, ohne den heute keine Festplatte mehr funktioniert, ist ein Ergebnis der Grundlagenforschung. Der Effekt behindert den Fluss der Elektronen durch ein Metall-Sandwich, und der Computerkonzern IBM vergleicht ihn mit Baustellen, Unfällen und gesperrten Fahrspuren, die den Verkehr auf einer Autobahn bremsen. Er ermöglicht Leseköpfe für Festplattern, die auch kleinste Bereiche noch erfassen. Das metallische Sandwich muss dazu aus mindestens drei Stockwerken bestehen: zwei magnetischen Schichten, die von einer sehr dünnen nichtmagnetischen Schicht getrennt sind, etwa ein Eisen-Chrom-Eisen-Stapel.

Ursache für den Effekt ist eine magnetische Eigenschaft der Elektronen, die mit den Metallschichten wechselwirkt. Der Eigendrehimpuls der Elektronen, der so genannte Spin, verleiht ihnen ein magnetisches Moment, das wie der Spin zwei Richtungen haben kann. Je nach Magnetisierungsrichtung der metallischen Sandwich-Schichten können Elektronen mit einer der beiden Spin-Richtungen besser passieren, während die anderen stark gestreut und damit behindert werden. Sind die verschiedenen Sandwich-Schichten einander entgegengesetzt magnetisiert, werden jedoch Elektronen beider Spin-Richtungen stark behindert. Der elektrische Widerstand ändert sich um bis zur Hälfte, weshalb der Effekt Riesenmagnetowiderstand getauft wurde.

Trotz der trennenden Schicht beeinflussen sich die magnetischen Sandwich-Schichten gegenseitig, und ihre Magnetisierungen richten sich aneinander aus - je nach Dicke der Trennschicht parallel oder entgegengesetzt. Bei entgegengesetzter Magnetisierung ist dabei der elektrische Widerstand des Sandwiches deutlich höher. Schon ein kleines äußeres Magnetfeld wie etwa dasjenige eines Speicherbits auf einer Festplatte kann die Kopplung zwischen den Magnetschichten jedoch zerstören. Mit der Magnetisierungsrichtung ändert sich dann auch der elektrische Widerstand des Sandwiches, was sich zum Auslesen von Magnetspeichern nutzen lässt. Der Wechselwirkung zwischen Leiter-Magnetisierung und Elektronen-Spin hat eine neue Disziplin begründet, die so genannte Spintronik, eine Form der Elektronik, die auch die Information über den Elektronen-Spin ausnutzen will.

"Am faszinierendsten ist, dass Grünbergs und Ferts Grundlagenforschung schon nach zehn Jahren kommerziell so massiv durchgeschlagen ist. Normalerweise dauert das ja 20 bis 30 Jahre", betonte Joseph Nordgren vom Nobelkomitee. Grünberg und sein Kollege Fert von der Université Paris-Sud hatten unabhängig voneinander mit ultradünnen Schichten aus abwechselnd magnetischen und nichtmagnetischen Metallen experimentiert. Nahezu zeitgleich entdeckten sie 1988, dass sich der elektrische Widerstand so eines Sandwiches in Gegenwart eines Magnetfelds stark ändert. Da sich der elektrische Widerstand einfach messen lässt, machte diese Eigenschaft die Magnet-Sandwiches zu guten Kandidaten für Festplatten-Leseköpfe.

Grünbergs Gruppe meldete sofort ein Patent auf die Technik an, was dank weltweiten Lizenznehmern mittlerweile einen zweistelligen Millionenbetrag in die Kasse des Forschungszentrums Jülich gespült hat. Die Leseköpfe machen immerhin etwa zehn Prozent des jährlich rund 50 Milliarden Euro schweren Festplattenmarkts aus. Heute wird das Verfahren nach IBM-Angaben in der gesamten Weltproduktion von Festplatten verwendet.

Doch die Technik ist nicht nur für die Computer interessant. "Festplattenlaufwerke sind eine große Anwendung, es gibt aber auch andere in der Robotik", erläuterte Grünberg zur Verleihung des Deutschen Zukunftspreises 1998. Magnetfeldsensoren lassen sich auch in der Medizin einsetzen, etwa zur Messung von Hirnströmen oder bei endoskopischen Eingriffen. Und die Technik kann auch Anti-Blockier-Systeme im Auto überwachen. "Andere Anwendungen für Magnetfeldsensoren sind Kontrollfunktionen bewegter Teile, etwa in einer Waschmaschine." (dpa/ajf)