Ein Channel-Geschäft?

HP möbelt Geschäft mit Touchscreen-PC auf

22.05.2009
HPs Abhängigkeit vom PC-Geschäft ist bekannt. Nun versucht das Unternehmen in der Rezession, das Touchscreen-Geschäft aufzumöbeln. Was hat der indirekte Kanal davon?
HP legt mit Touch Screen-PCs für Geschäftskunden los. Was hat der indirekte Kanal davon?

Als Hewlett-Packard im Oktober vergangenen Jahres hierzulande seinen Touch-Screen-PC "Touchsmart" vorstellte, zeigte sich zwar die Marketing-Abteilung davon überzeugt, einen großen Wurf gelandet zu haben, doch sonst niemand.

Die Steuerung eines Computers mit Fingern erschien zwar grundsätzlich als eine brauchbare Alternative zur Maussteuerung - doch bei der täglichen Anwendung im Büro stellte sich erwartungsgemäß schnell heraus, dass niemand sich gerne über seinen Schreibtisch beugt, um Anwendungen durch Berührung zu starten. Die Alternative, sich den Bildschirm so nahe vor die Nase zu ziehen, dass die Streckübung der Arme vermieden werden konnte, erschien auch nicht wirklich von Vorteil. Drittens waren diese PCs doppelt so teuer wie normale PCs - ein unschlagbares Argument in rauen IT-Zeiten.

Kurz: HPs erster Versuch, Touch-Screen-PCs massenhaft zu etablieren, blieb allenfalls ein netter Versuch. Das zeigen auch die Verkaufszahlen. Ganze 400.000 dieser PCs konnte HP seit der Einführung verkaufen, berichtet Marktforscher IDC. Von einem kostendeckenden Geschäft kann also keine Rede sein.

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Dennoch startet HP jetzt in den USA eine Touch Screen-PC-Initiative. Vor allem, um das darbende PC-Geschäft, das dem weltweiten Marktführer immerhin knapp 40 Prozent des Quartalsumsatzes in die Kasse spült, zu beflügeln, aber auch deshalb, weil HP neue Nutzer entdeckt hat, mit denen sich die laufende fallende operative PC-Marge, rund fünf Prozent im ersten Quartal (Ende 31. Januar 2009) des laufenden Geschäftsjahres 2009/10, womöglich verbessern lässt.

Diese Nutzer sind Kunden aus dem öffentlichen Bereich und Unternehmen, die vor allem mit Dienstleistungen Geschäfte machen.

Um ein Beispiel zu geben: Als HP diesen März den Flughafen O'Hare International Airport in Chicago mit 50 Touch-Screen PCs ausrüsten konnte, bemühte sich HP-Manager Stephen DeWitt sogleich, den Wert der PCs gewaltig zu rühmen. Mit ihnen biete der Flughafen Touristen einen deutlichen Service, denn nun könnten sie online Stadtpläne, Buslinien und andere öffentliche Einrichtungen in ganz Chicago betrachten..

Dasselbe sagte Phil McKinney, H-Ps Technikchef für die PC-Sparte, als der Basketball-Verein Detroit Piston die VIP-Boxen in seinem Stadion mit den Touch Screen-PCs ausrüstete. Nun können erlauchte Gäste per Fingerzeig Spielstatistiken und Wiederholungen aufrufen.

Phil McKinney ist kein ganz Unbekannter: Vor zwei Jahren hatte er in einem Interview gesagt, Laptops würden für viele Geschäftskunden bald überflüssig, weil diese sie durch Smartphones ersetzen würden. Bis das eintreffen wird, wird aber auch HP mit Netbooks und Laptops weiter Geschäfte machen. Derzeit ist HP weltweit Marktführer; gut die Hälfte seiner Notebooks kaufen IDC zufolge Privatkunden.

HP und der indirekte Kanal

Der Touchsmart für Privatkunden.

Nun rechnet sich HP, wie aus den Beispielen schon hervorgeht, gute Chancen aus, sich mit berührungsempfindlichen PCs all jene Käufersegmente zu erschließen, die den Einsatz dieser PCs plausibel begründen können: Hotels, Behörden, Flughafenbetreiber und die Touristikabteilungen von Städten, Kliniken und so fort. Dazu sagte McKinney, der offensichtlich das Privatgeschäft schon abgeschrieben hat: "Hier kaufen Unternehmen "zehn PCs auf einmal", und nicht nur einen, der vielleicht dann der ist, der seit Wochen bei Retailern - hierzulande Media Markt und Saturn Hansa - zu Demonstrationszwecken herumsteht.

Allerdings: Auch wenn die operative Marge für Touch Screen-PCs deutlich höher ausfällt als bei gewöhnlichen Desktop-PCs, so ist damit noch lange nicht gesagt, dass Touch Screen-PCs alle Eigenschaften haben, die sie haben müssen, um im öffentlichen Raum länger benutzbar zu sein.

So bezweifelt Konkurrent IBM, seit langem im Geschäft mit berührungsempfindlichen Displays und Kiosk-PCs, dass sich die PCs des Konkurrenten für den rauhen Einsatz in der Öffentlichkeit eigneten. Diesen Vorwurf wehrt HP vehement ab. HP-Mann Bob Ducey, verantwortlich für das Touch-Screen-Marketung bei Geschäftskunden, kontert, dass HPs Offerte deshalb so brauchbar sei, da Nutzer solche PCs wie zuhause bedienen könnten. IBM aber verwende selten mehr als eine paar vorkonfigurierte Oberflächen, um beispielsweise elektronische Tickets auszudrucken oder öffentliche Kiosks zu betreiben.

Was aber, unabhängig von dem Streit, HP bis heute fehlt, ist ein Channel-Konzept, damit auch der indirekte Kanal die Touch-Screen-Computer verkaufen kann.

Um das für Deutschland konkret zu erläutern: Wer auf die deutsche Webseite von HP geht, um die Touch Screen-Angebote zu mustern, wird schwerpunktmäßig auf die Webseite für Privatanwender verwiesen. Von Geschäftskunden ist in diesem Zusammenhang nach Recherche von ChannelPartner eher weniger die Rede - auf der entsprechenden Seite wirbt HP für das Modell "IQ800" so: "Der TouchSmart-PC fügt sich perfekt in Ihr Wohnzimmer ein."

Der Verdacht drängt sich also auf, dass die neue Initiative HPs auf die USA beschränkt ist - und dass ihre naheliegende und vielleicht fruchtbare Ausweitung auf Europa und folglich auch Deutschland nicht erfolgt.

HP Deutschland bestätigte das vorsichtig: Im Moment gebe es keine Initiative. Allerdings könnte sich das ändern. Man sei gerade dabei, neue Marketing-Initiativen für Europa, also auch Deutschland, zu entwickeln.

Es bleibt dabei: HP hätte allen Grund, mit solchen Initiativen dem indirekten Kanal - und sich selbst - unter die Arme zu greifen. Zumal, nachdem der PC-, der Notebook- und der Netbook-Markt in diesem Monaten um ein gutes Viertel zurückgegangen ist. Trotz des Notebooks Tx2, das mit einem drehbaren Touch Screen ausgerüstet ist und das HP so anpreist: Für "Käufer, die sich einen schicken und intuitiven Notebook PC mit kreativem Design wünschen". (wl)