HP USA baut Direktgeschäft aus: Deutsche Partner sind in Hab-Acht-Stellung

22.08.2002
Carly Fiorina schlägt die HP-Partnergemeinde vor den Kopf. Die neue HP kündigt den massiven Ausbau ihres Direktgeschäfts an - vorerst allerdings nur für den US-Markt, wie die deutsche Niederlassung beteuert. Die Partner begegnen dieser Ansage mit Skepsis und vermissen ein klares Dementi aus Böblingen zu diesem Thema.

Hewlett-Packard gilt bei deutschen Partnern als ein Musterbeispiel für das indirekte Vertriebsmodell. Das könnte sich bald ändern. Carly Fiorina, CEO der neuen - mit Compaq fusionierten - HP, sorgte vergangene Woche für Aufruhr. Ab 1. November 2002 soll amerikanischen Presseberichten zufolge ein neues Vertriebskonzept namens "Partner One" die bisherige Strategie, die unter dem Namen "Hard-Deck" bekannt war, ersetzen.

Mit Hard-Deck sicherte HP seinen Channel-Partnern zu, nur einige ausgewählte Großkunden direkt zu beliefern. Das restliche Feld war - jedenfalls bisher - den Vertriebspartnern überlassen. Wenn HP-Chefin Fiorina ihren Kopf durchsetzt, wovon man ausgehen kann, bringt das ab dem 1. November einschneidende Veränderungen für den Fachhandel mit sich: Intel-Server, PCs, Notebooks und Drucker wird der Hersteller dann direkt an Endkunden vertreiben. Nur bei Speichersystemen und Unix-Servern will sich das Unternehmen zurückhalten.

Soweit die Fakten. Der Grund für den plötzlichen Richtungswechsel ist nicht schwer zu erraten. Die Hardwarebranche kämpft mit massiven Einbrüchen. Im Geschäft mit PCs und Intel-Servern hatte HP erhebliche Verluste wegzustecken. Um Marktanteile und Absatzzahlen wieder in den Griff zu bekommen, greift Fiorina zum - nicht gerade bewährten - Allheilmittel Direktvertrieb. Ein weiterer wichtiger Punkt in den Überlegungen der HP-Chefin dürfte auch sein, dass Compaq vor der Fusion bereits über ein breit angelegtes Direktgeschäft verfügte.

"Wir stehen zu unserem Commitment"

Die deutsche Niederlassung der neuen HP in Böblingen wurde vergangene Woche von einem Artikel in der ComputerPartner-Schwesterzeitung "Computerwoche" zu diesem Thema aufgeschreckt. Letzten Freitag wollte man dort noch keine definitiven Aussagen zum Kippen der Hard-Deck-Strategie machen. Man müsse sich selbst erst beim amerikanischen Headquarter Informationen besorgen, lautete das schüchterne Statement aus Böblingen.

Montag hatte sich das Management dann wieder gefangen und es gab beruhigende Worte für den deutschen IT-Handel: "Wir stehen zu unserem Commitment. Partner-One ist ein Channel-Programm, das ab November 2002 in den USA eingeführt wird. Diese Einführung hat keinen Einfluss auf das deutsche Partnerprogramm. Wir werden für alle auch weiterhin ein berechenbarer Partner sein und bleiben", erklärte Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin Personal-Systems-Group. Die neue HP werde an ihrer Partnerstrategie festhalten.

Hier zu Lande betreut der Hersteller nur bis zu 180 Kunden direkt. An der Vertriebs-Dreifaltigkeit der deutschen HP - Direktkunden, Kunden, die gemeinsam von Hersteller und Partner betreut werden und dem reinen Partnergeschäft - werde sich definitiv nichts ändern, wird die deutsche Niederlassung nicht müde zu betonen. "Wir vermissen ein klares Dementi von der deutschen Führungsriege, dass es hier keinen Direktvertrieb geben wird", meint dazu ein großer Systemhauspartner und fügt hinzu: "Wir sehen diese Richtungsänderung als hoch kritisch an." Nicht umsonst gibt es bei einigen Top-Partnern diese Woche Krisensitzungen. Einziger Punkt auf der Tagungsordnung: Änderung der HP-Vertriebspolitik und ihre Konsequenzen.

Denn Zweifel, dass man sich auch bald hier zu Lande mit dem strategischen Wechsel des Herstellers auseinandersetzen muss, hat kaum jemand. "Unsere Befürchtung, dass die strategische Änderung auch nach Deutschland kommen wird, besteht zu Recht", ist sich Arxes-Manager Sascha Hancke sicher. Es sei leider nun mal so, dass amerikanische Unternehmen keine Ahnung vom deutschen Markt hätten. Dell sei dafür ein gutes Beispiel, führt Hancke aus.

Mit seiner Meinung steht der Arxes-Aufsichtsrat nicht alleine: "US-Konzerne agieren immer so: Zuerst wird das neue Konzept im amerikanischen Heimatmarkt umgesetzt. Das funktioniert, und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Europa dran ist. IBM ist dafür ein gutes Beispiel", schätzt ein anderer Partner.

Auch das Misstrauen der deutschen Disti-Szene ist geweckt. "Wenn HP diesen Umstieg durchziehen will, darf das Unternehmen den logistischen Aufwand nicht unterschätzen, der bisher von den Distributoren und großen Partnern übernommen wurde. Wobei HP einer der wenigen Hersteller ist, der das stemmen könnte", gibt ein Branchenbeobachter zu bedenken. Aus amerikanischer Sicht sei dieser Schritt verständlich, denn im US-Markt heiße der große Kontrahent Dell, meint ein anderer. Käme Partner-One nach Deutschland, würden "Distribution und Handel am Pranger stehen - als wären sie zu blöd, das Geschäft richtig zu betreiben", kritisiert ein eigentlich überzeugter HP-Partner scharf.

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung:

HP Deutschland versucht seine Partner erst mal zu beruhigen. Der Hersteller versichert, die Channel-Strategie bleibe unangetastet. Die Partner reagieren misstrauisch und rechnen mit dem Schlimmsten. Wohl zu Recht, wie unzählige Beispiele aus der Branche zeigen. Wenn die neue HP auch hier zu Lande ihr Direktgeschäft massiv ausbaut, wird das für so manchen Partner existenzielle Fragen aufwerfen. Alternativen zu den beiden Top-Playern HP und Compaq sind nur dünn gesät. (ch/bw)