Mindestens 6,5 Milliarden Dollar

IBM greift nach Sun Microsystems

18.03.2009 von Thomas Cloer
Die IBM verhandelt derzeit über einen Kauf von Sun Microsystems. Noch ist aber ungewiss, ob der Deal zustande kommt.

Dies berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Insider. Als Kaufpreis werden mindestens 6,5 Milliarden Dollar genannt. Das entspräche einem Aufgeld von mehr als 100 Prozent auf den Sun-Schlusskurs von gestern. IBM wolle mit der Übernahme seine Position im Internet-Bereich, bei Software sowie in den vertikalen Märkten Finanzdienstleistungen und Telekommunikation stärken, heißt es.

Die IBM-Zentrale in Armonk
Foto: IBM

Beide Firmen haben wichtige Gemeinsamkeiten: Sowohl IBM als auch Sun Microsystems bieten Computersysteme für Unternehmenskunden an, die nicht mit Microsoft Windows arbeiten; beide Produktlinien sind weniger als die von Wettbewerbern abhängig von der Prozessortechnologie von Intel, beide Firmen sind zudem starke Befürworter von Linux und Java.

Die Informanten des "WSJ" warnen allerdings, dass die laufenden Übernahmegespräche nicht unbedingt erfolgreich verlaufen müssten und auch noch im Sande verlaufen könnten. Der IBM-Sprecher Ian Colley lehnte der US-Wirtschaftszeitung gegenüber jegliche Stellungnahme zu den Verhandlungen ab; ein Sprecher von Sun reagierte nicht auf die telefonische Bitte um einen Kommentar.

Beileibe nicht nur Gemeinsamkeiten

Sollte der Deal aber durchgehen (was dem Bericht zufolge bereits in dieser Woche der Fall sein könnte), dann würde definitiv eine schwierige Integration unterschiedlicher Firmenkulturen bevorstehen. IBM, ein Ostküstenurgestein, das die Computerindustrie miterfunden hat, ist mit "Button-Down"-Stil ("Schlipsträger" wäre wohl eine geeignete Übersetzung, Anm. d. Red.) und der Philosophie groß geworden, das zu liefern, was die Kundschaft wünscht. Sun auf der anderen Seite ist in der Go-go-Umgebung des Silicon Valley der 1980er Jahre entstanden und ein technikgetriebener Eigenbrötler, der viele interessante Technologien erfunden hat, diese aber speziell in der jüngeren Vergangenheit nicht unbedingt zu Geld machen konnte.

Unvergessen: Bonmot-CEO Scott McNealy

Unter Mitgründer Scott McNealy, einem der unverblümtesten CEOs der Branche, war Sun das archetypische hochfliegende Start-up. Es begann mit Computer-Workstations und wandelte sich in der ersten Internet-Boom-Phase in den späten 1990er Jahren zu einem der führenden Anbieter von Server-Systemen. Seit dem Platzen der Internet-Blase aber kämpft das Unternehmen mit Problemen. Es sprang spät auf den Trend zu preisgünstigen Servern mit Prozessoren von Intel und AMD (x86/x64)auf. Unter der neuen Ägide des pferdeschwanztragenden McNealy-Nachfolgers Jonathan Schwartz fokussiert sich das Unternehmen verstärkt auf Innovationen in den Bereichen Software und Datenspeicherung. Der Aktienkurs von Sun ist im letzten Jahr jedoch weiter gefallen, weil die Firma noch immer vom Verkauf ihrer Highend-Server und von Kunden im Finanzsektor abhängt, die von der gegenwärtigen ökonomischen Krise besonders heftig gebeutelt wurden.

Sun blitzte bei HP bereits ab

Sun habe in den vergangenen Monaten bereits verschiedene andere Unternehmen angesprochen in der Hoffnung auf eine mögliche Übernahme, schreibt das "Wall Street Journal" weiter. Der weltgrößte IT-Konzern Hewlett-Packard (HP) habe dieses Ansinnen abgelehnt, so eine Quelle. Ein Sprecher des weltweit drittgrößten Server-Anbieters Dell wollte die Angelegenheit nicht kommentieren.

Der Sun-Campus in Santa Clara, Kalifornien
Foto: Oracle/Sun

Eine Übernahme würde IBMs Wettbewerbsposition gegenüber HP in jedem Fall stärken. Und der Zukauf könnte leicht der größte in der Geschichte von "Big Blue" werden und sogar die Akquisition von Cognos im vergangenen Jahr toppen. Gleichzeitig würde er einen deutlichen Sinneswandel bedeuten: In den letzten Jahren hatte IBM vornehmlich Software- und dazu ein paar Service-Anbieter aufgekauft, dafür aber Hardware-Aktivitäten abgestoßen (beispielsweise das PC-Business an die chinesische Lenovo Group). IBM erzielt mehr als die Hälfte seiner Erlöse mit IT-Dienstleistungen, und der Großteil der Gewinne stammt aus Services und Software. Mit einem Kauf von Sun würde der Hardware-Anteil am Umsatz wieder auf fast ein Drittel ansteigen.

IBMs Profitabilität in Gefahr?

In den vergangenen Jahren hat der Armonker Konzern überdies intensiv an der Verbesserung seiner Gewinnmargen gearbeitet, seine Profite übertreffen die des größeren Rivalen HP. Ein Kauf von Sun, das für das Dezember-Quartal einen Fehlbetrag von 209 Millionen Dollar ausgewiesen hatte, würde der Profitabilität der IBM schaden. Sie müsste die Kostenbasis der kombinierten Unternehmen massiv kappen, damit die Transaktion auch bei den Anlegern gut ankommt.

Stärken könnte IBM mit einer Übernahme von Sun auch seine Position im Wettstreit mit dem weltweit größten Netzausrüster Cisco Systems, der seit dieser Woche mit seinen neuen "Unified-Computing"-Lösungen auch auf den Server-Markt drängt. Cisco-Chef John Chambers hatte allerdings bei der Vorstellung der ersten Cisco-Bladeserver am Montag betont, seine Firma werde mit dem langjährigen Partner IBM auch künftig eng zusammenarbeiten, selbst wenn man nun bei Servern in direkten Wettbewerb trete.

Hardware: Kaum Margen, dennoch unverzichtbar

Mit einem Kaufangebot für Sun würde IBM auch die Notwendigkeit eingestehen, trotz der geringen Margen auch im Hardwaregeschäft weiter im Wettbewerb zu bleiben. Vor allem Dell und HP hatten in den vergangenen Jahren die Preise gedrückt; Server sind dadurch - ähnlich wie PCs - zunehmend Commodity geworden. IBM würde seine Position im Server-Markt jedenfalls untermauern. Laut IDC kam der Konzern 2008 auf 31,4 Prozent Anteil am weltweiten Server-Markt. Dahinter rangierten HP (29,5 Prozent) und Dell (11,6 Prozent); Sun war mit 10,6 Prozent viertgrößter Anbieter weltweit.

Fraglich ist natürlich auch noch, wie die US-amerikanischen Kartellbehörden die mögliche Übernahme einschätzen. Die Produktportfolios von IBM und Sun überlappen sich in vielen Bereichen. Beide Konzerne sind beispielsweise führende Anbieter von Servern mit dem Betriebssystem Unix. Weitere deutliche Überscheidungen gibt es etwa bei Software und Bandspeichersystemen.